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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0237

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Der Nc <kar - Bote erscheint
wächcnilich zweimal, Dienstags D ZE
n. Freitags DcrdtsonncmcnlS-
prcis beträgt für ein Jahr i st-
36 kr., für ein halbes Jahr 5/»
kr., für ein Vierteljahr 3o kr.




StS.
Freitag, den 5. Atli 1844.


Die C'inrückunqsgcbühr für die
gespaltene Zeile oder deren
Raum beträgt 2 kr. Bei An-
zeigen. worüber die Erpedition
Auskunft crtheilt, 3 kr.

WunLes mrs der Bert.
Von den Geheimnissen der encsiiscben Reise des Kai-
sers von Rußland haben gute Ohren so viel erlauscht,
daß der Prinz Georg von Cambridge um die Hand der
Großfürstin Olga geworben und das Jawort erhalten
habe.
Der Rabbiner Stein zu Frankfurt am Main Hai
von dem Senat daselbst das Ehrenbürgcrrecht der Stadt
erhalten.
In Rußland will man wieder ein sicheres Heilmit-
tel der Wasserscbeu gefunden haben und zwar in einer
Enplwrbicnart (stupst. villoss et palustris). Man brennt
die Hitzblattern, oie sich bei den Gebissenen unter der
Zunge bilden, mit einer glühenden Nadel aus, wäscht
dann die dadurch entstehenden kleinen Wunden mit ei-
nem Absud von Enphorbia aus und der Kranke trinkt
ein Glas von diesem Absud nüchtern. Das Mittel
wird so lange gegeben, bis das Brechen aufhört. Man
erzählt viele Fälle, wo das Mittel immer geholfen
habe. (D.Z.)
Engen Sues neuer Roman »der ewige Jude» ist
von der Redaction des Constitutione! zum Voraus für
100,000 Frauken augekauft worden.
Der alte OOjäbrige Eremit von Gauting, Freiherr
von Hallberg, ist vor Kurzem von seiner dreijährigen
Reise durch Polen, Rußland bis zur Wolga, dem
Kaukasus.und Georgien, Armenien und Persien zurück-
gekehrt. Er wird seine Beobachtungen und Erfahrun-
gen, die er auf dieser weiten Reise gesammelt, näch-
stens in einem ausführlichen Reisewerk der Oeffentlich-
keit übergeben.
Aus Brüssel wird vor Auswanderungen nach der
neuen belgischen Cvlonie von St. Thomas in Guati-
mala gewarnt, weil die wenigsten der bisher dahin
ausgewandcrtcn Deutschen das dortige heiße Klima er-
tragen könnten.
Die Stadt Tolna in Ungarn ist von einer verhee-
renden Feuersbrunst heimgesuctt worden z außer der
Kirche, dem Stadthause und einem großen Tabaksma-
gazin (mit -1000 Ctur. Tabak) sind 100 Privatwoh-
nungen ein Raub der Flammen geworden.
In Frankreich hat das israelitische Generalconsisto-
rium kraft seiner ihm zugcsichertcn Machtvollkommenheit
einstimmig beschlossen, die Feier deö Sabbath vom
Sonnabend auf Sonntag zu verlegen. Solche
Mittel sind die besten, Vie die Juden ergreifen können,
um die Emancipation zu erlangen und sich selbst zu
emancipiren. Möchte die Versammlung der Rabbinen
in Braunschweig diesem Streben nachfolgen. Durch
das Festhalten an die veraltete, überlebte Ab- und
Ausschließung können die Juden am wenigsten ihren
Zweck erreichen. Es ist recht gut und löblich, daß sie
das Kol-Niduv-Gebet, wodurch alle Gelübde auf ein
Jahr im Voraus für nichtig erklärt wurden, abschaff-
ten; aber vor allen Dingen müssen sie das Zutrauen
des Volks zu erlangen suchen, und das können sie nur
durch Entgegenkommen und Anschließen an die bestehen-
den Formen der Gesellschaft.

General Grivas nennt seine Schaar, die sich täg-
lich vergrößert, das Nationalheer, und will sobald er
sich stark genug fühlt, Athen einen Besuch abstatten.
Einstweilen lebt das »Nationalheer» davon, daß es die
Nation ausplündert.

Die Rückkehr des Deportirten.
(Fonseimng und Schluß.)
Ein alter Mann trat eben zur Kirchtbüre herein,
als er hinaus wollte. Edmunds bebte zurück, denn
er kannte ihn wohl; manchmal hatte er ihm zugese-
hen, wie er ein Grab im Kirchhofe grub. Was mag
wohl der Greis zu dem Unglücklichen gesagt haben?
Er starrte dem Fremden ins Gesicht, bot ihm einen
guten Abend und ging langsam an ihm vorüber.
Er hatte ihn vergessen.
Er ging die Anhöhe hinab durch das Dorf. Das
Wetter war warm, und die Einwohner saßen vor
ihren Hausthüren oder ergingen sich in ihren Gär-
ten, um sich von der Arbeit zu erholen und den hei-
teren Abend zu genießen. Manche Blicke richteten
sich nach ihm und ost schielte er verstohlen aus die
Seite, um zu sehen, ob ihn Jemand erkenne und
ihm absichtlich aus dem Wege gehe. Es waren bei-
nahe lauter fremde Gesichter; bisweilen erkannte er
die stattliche Gestalt eines alten Schulkameraden,
der noch ein Knabe gewesen war, als er ihn zum
letzten Male gesehen hatte, von einer Schaar lustiger
Künder umgeben; dann sah er einen schwachen ent-
kräfteten Greis, dessen er sich noch als eines gesunden
rüstigen Arbeiters erinnerte, in einem behaglichen
Lehnsiuhl vor seiner Hausthüre sitzen; aber sie hat-
ten ihn alle vergessen, und er ging unerkannt vor-
über.
Die letzten milden Strahlen der untergehendcn
Sonne sielen auf die Erde und warfen ihren feurigen
Glanz auf das wogende Kornfeld und verlängerten
die Schatten der Kruchtbäume des Gartens, als er
vor dem alten Hause stand — der Heimath seiner
Kindheit, nach welcher er sich während der ganzen
langen Reihe der Kahre seiner Gefangenschaft und
seines Elends so unbeschreiblich gesehnt hatte. Die
Umzäunung war nieder, wiewohl er sich der Zeit
noch erinnerte, wo sie ihm wie eine hohe Wand vor-
gekommen war, und er sah über sie weg in den al-
ten Garten. Er erblickte mehr Pflanzen und schönere
Blumen, als sonst hier zu finden waren, aber die
Bäume waren noch die alten — derselbe Baum, un-
ter dem ihn so oft der sanfte Schlaf der glücklichen
Kindheit beschlichen hatte. Er hörte Stimmen im
Hause. Er lauschte, aber sie schlugen fremdartig an
sein Ohr; er kannte sie nicht. Sic waren zu fröhlich
 
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