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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0157

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Freitag, den 26. April 1844.

Müntes aus der Leit.
In England kommen die Gebäude von Gußeisen
immer mehr in die Mode; ein Haus mit 12 — 16
Zimmern, die durch einen einzigen Ofen gebeizt wer-
den können, kostet nicht mehr als 7000 Thlr., und
kann mit einem Aufwand von 170 Tblr. an einen
andern Ort transportirt werden. In Evcrton bei Li-
verpool hat man eine Kirche nebst Thurm in gothischer
Bauart von Gußeisen gebaut.
Das Gummi wird wohlfeil werden. In Neusee-
land hat man große Lager von Gummi in der Erde
gefunden, die von urweltlichen Nadelholz-Waldungen
herrühren. Das Harz ist sehr rein.
In London werden jetzt Straßen mit Gummi-Ela-
sticum gepflastert, da man ein svlebcs Pflaster vor dem
Admiralitaksgebaude in jeder Weise probat fand.
Der Prinz von Wasa soll an die Höfe der euro-
päischen Großmächte die Erklärung erlassen haben, daß
er zwar bei dem jetzigen Regentenwcchscl in Schweden
sich jeder Demonstration enthalte, aber keineswegs we-
der für siel', noch auch für seine Familie auf die ihm zu-
siehendcn Rechte auf den schwedischen Thron Verzicht leiste.
In den Eiseubabnwerkstätten zu Nürnberg werden
600 Wägen für die Bahn von Lindau nach Hof ge-
baut, die auf eine Million Gulden veranschlagt sind.
In München schwelgen die Leute in Seligkeit, nicht
weil der Frühling gekommen, der Himmel blau und
die Wiesen grün sind, sondern weil Zacberi sein Sal-
vatorbier aufgetban hat, so daß jetzt unter Jung und
Alt lauter Lust und Leben herrscht.
Das Gistkräutlein, das ganz im Stillen und bei
Nackt nach und nach über ganz Europa hinkriecht und
nun sckon auf Bergen und in Tbälern gefunden und
eifrig gepflegt und fortgepflanzt wird, und dessen gif-
tige Nabe wir sebon allenthalben gewahren, die Je-
suiten, haben sich nun auch in Waadt und Genf ein-
genistet, und es ist nun bereits der dritte Tbcil der
Schweiz von ihnen in aller Stille erobert. Die bei-
den Jesuitenanstalten zu Schwyz und Freiburg werden
viel besucht. Unter den Zöglingen befinden sich viele
Ausländer aus Deutschland und Frankreich. (D.Z.)
In England wurde dieser Tage der vorletzte Abkömm-
ling der Stuarts, James Stuart, begraben; er hatte
das Alter von 113 Jahren erreicht und verdiente sein
Brod seit 33 Iabrcn als Musikant in Tweedmouth,
wo er auch starb.

Em kaiserliches Geschenk.
sFortscpung.)
Das wäre wobl möglich. Aber cs ifi nicht mehr
wie sonst. Man kann den Kaiser nicht so mir nichls
dir nichls anrcdcn. Das macht Umstande.
Was macht das weiter aus? Ich unterwerfe mich
denselben. Ich höre, Alles bringt ihm Geschenke;
ich bringe ihm eine Schussel Rahm, und was gilt's,
er fällt darüber her, wie vor zwanzig Jahren.

Eine Schüssel Rahm! sagte Lorenz, da kriegt er
nicht einen Lössel davon. Hat er denn nicht einen
Hof? Man hat ste ja gesehen, alle die großen
Herren, die um ihn herum find, die würden auch
ihren Thcil an dem Rahme wollen.
Das soll nichts ausmachen; ich bringe fünfzig
Schüsseln und Butterbrod dazu.
Auch Aepfcl, oder ißt er die Acpfcl nicht mehr
gern? Wenn Du willst, Nachbar Conrad, fo will
ich mich darnach erkundigen; ich kenne einen vor-
nehmen Mann, der Dir den Zutritt zu Karl ver-
schaffen wird, aber wohlgcmerkt, ich muß auch da-
bei sein.
Natürlich mußt Du dabei fein. Ich brauche auch
viele Leute, um meine Schüsseln nut Rahm zu tra-
gen, und komme ich nach Haufe, so gebe ich meinen
Freunden einen Schmaus.
Dieser Ucbereinkunst zufolge bemühte sich Lorenz
van der Mculen sein Versprechen zu halten, und
wirklich kündigte er zwei Tage später Conrad dem
Einäugigen an, daß sich der Kaiser seiner erinnere
und ihn mit Vergnügen empfang -u würde.
Wir müssen nur darauf bedacht sein, fetzte er
hinzu, keinen Verstoß gegen die Ceremonie zu ma-
chen. Vor einem Kaiser bückl man sich bis auf die
Erde. Du kannst Dir gar nicht verstellen, was ein
Kaiser ist! Du wirst sehen, wie ter majestätisch
aussteht. Aber wir dürfen bloe unserer vier kom-
men, mit den fünfzig Schüsseln Rahm ist also
nichts, in vier großen.
Ja, die größten, die ich anftreibcn kann.
Mach' nur Alles fertig, denn morgen werden
wir voi gelassen.
Conrad der Einäugige verschussle steh die größten
kupfernen Näpfe, die er aufstndcn konnte, ließ den
Nahm von der Milch feiner frischgcmolkcnen Kühe
abschöpfen und gelangte, feine beiden Schwieger-
söhne zur Seite und Lorenz an der Spitze, in fei-
nem schönsten Anzug an den Hof von Burgund.
Diese vier Männer standen mit ihren sorgsam
gekämmten und parfümirtcn Bärten, in ihren bun-
ten Anzügen, mit freudestrahlenden Augen einer
hinter dem andern in dem Vorzimmer, indem jeder
in der einen Hand einen Ungeheuern Napf Rahm,
der auf einem goldenen Boden zu ruhen schien, und
in der andern einen schönen zinnernen Teller voll
appetitlicher Butterschnitte hielt- Sie wähnten in
ihrer Einfalt, dem Kaiser ein äußerst leckeres Mahl
zu bringen. Den Gedanken, ihm Acpfcl zu über-
bringen, hatten ste ausgegcbcn, da diese zu schwer
zum Kortbringen und zu allgewöhnlich wären.
(Fortscxung folgt.)
 
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