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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0261

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Neckar-Bote.
6».

Die Einrückung»gebühr für die
gespaltene Zeile oder deren
Raum beträgt 2 kr. Bei An-
zeigen, worüber die Erpedition
Aurkunft ertheilt, 3 kr.

Freitag, den 26. Juli 1844.

Runtes aus der Leit.
Am 14. dieses Monats verbreitete sich in Schaff-
hausen das Gerücht, der bekannte vr. Hurter sei
in seiner Heimat (Schaffhausen) angekommen. Auf
dieses hin sammelte sich unter schweren Drohungen
eine Menge Volkes vor Hurters Wohnung; wo es sich
jedoch bald herausstellte, daß derselbe noch nicht in
Schaffhausen, sondern im Kloster Rheinau sich auf-
halte. Darauf zog die ganze Masse mit dem Ruf:
»nieder mit den Jesuiten, es lebe das Vaterland!» vor
das Haus des freisinnigen Professor Zehnder, und
brachte ihm ein Lebehoch.
Am 10. Juli lief die preußische Corvette Amazone,
Eapitain Holmfeld, von Toulon kommend, in Neapel
ein; es ist das erste preußische Kriegsschiff, das jemals
in diesen Gewässern erschien, und erregte daher viel-
fache Aufmerksamkeit. Man wußte im Anfang gar
nickt, was die Flagge bedeuten sollte. Das wird ho--
fentlick bald anders werden, und deutsche Flaggen wer-
den in allen Meeren gekannt und geachtet sein.
In Mainz ist am 2«. Juli bei einem Easernenbau
ein Gerüst eingestürzt und hat 13 Arbeiter theils ge-
lobtet, theils mehr oder weniger schwer verletzt.
Es sind drei Linienschiffe und mehrere Kriegsdampf-
boote zur Verstärkung der Flotte nach Tanger geschickt
worden; auck haben mehrere Regimenter Befehl erhal-
ten, sick zu Toulon nach Algerien einzuschiffen. Durch
die Verschlagenheit und Kühnheit Abv-cl-Kaders wird
die marokkanische Angelegenheit ernster, als man An-
fangs glaubte.
Man hört, die Königin von Griechenland werde
noch im Laufe des Sommers sich nach Deutschland be-
geben, jedoch nickt wie früher berichtet wurde, um die
Bader in Ems zu gebrauchen, sondern um nicht wieder
nach Griechenland zurückzukehren, was ihr auch gar
nickt zu verdenken ist.
In Konstantinopel werden zwei Enkel Mehemcd Ali's
erwartet, die zur Vollendung ihrer Ausbildung nach
Paris reisen. Es werden Anstalten zum Empfang der-
selben getroffen.
Personcnfrequenz und Gesammt-Einnahme auf der
großherzoglich bad. Eisenbahn im Monat Juni d. I.:
204,396 Personen. Einnahme: an Personentaren
92,832 fl. 44 kr., unterwegs erhobenen Fahrtaren
168 fl. 46 kr., Uebergewichtstaren 1,830 fl. 11 kr.,
Lagergebühren 93 fl. 5 kr., Equipagentransporttarcn
2,593 fl. 37 kr., Viehtransporttaren 1,013 fl. 7 kr.,
Gütertransporttaren 133 fl. 33 kr.; Gesammteinnah-
me 98,707, fl. 21 kr.

Freudenreich lind Dolorosuö.
(Fortsetzung.)
Wir trinken noch eine Flasche, Signor! meinte
Cassini, und zwar etwas Feuriges, Italienisches.

He, Garcwn! eine Flasche Lacrymae Christi! —-
Sic sind, fuhr er zu Ludwig fort, Sie sind noch zu
kalt, nordisches Blut taugt nicht für meine Heimat.
Dort muß sich Glut mit Glut vereinen. Angesto-
ßen, Signor!
Ludwig senkte den Blick in die dunkle Flut des
Weines, da war es ihm, als leuchte Julianens An-
gesicht aus dem Glase auf, besorglich ihn anschauend.
Nasch setzte er das Glas nieder.
— Nun, Sie trinken nicht? fragte der Marchese,
indeß sein Auge feuriger glühte. Eine solche Wei-
gerung ist Beleidigung.'
— Bitte ganz ergebcnst! stammelte verlegen der
Andere, indem sich die Blicke der Gesellschaft, auf-
merksam durch die laute Frage des Marchese ge-
macht, nach ihm wendeten. Rasch trank er.
— Gut, Signor I sprach, beruhigt durch die Will-
fährigkeit, Cassini. Nun ist's gut! Ich bin jetzt
Ihr Freund, denn Sic lieben mein Vaterland. Es
freut mich, Sie kennen gelernt zn haben.
Den Händedruck beantwortete Ludwig nur durch
einige Verbeugungen. Er, der vor Kurzem noch
sich von dem Herrn Kanzleidircktor hudeln lassen
mußte, fühlte sich durch die trauliche Annäherung
eines so vornehmen Mannes, wie der Marchese, der
noch dazu mit einem Orden geschmückt war, nicht
wenig geehrt.— O Pachhelbcl! Accise-Controleur-
Subflitut! dachte er bei sich, könntest Du mich jetzt
sehen, wie ich hier vcncrirt und honorirt werde, Dir
würden die Augen übergehen vor Neid.- Dir, der
Du mich noch vor kurzer Zeit schnöde verlachtest,
wenn ich Dir meine Ahnungen mitthcilte, daß ich
mir nicht ewig in der elenden Heimatskneipe die
Zähne am harten Rindstcisch ladircn würde. And
auch Dich, theure Juliane, auch Dich wünschte ich
hierher, damit Du sähest, daß Dein Bräutigam
ein höchst aimabler Mensch ist.
Die Tafel wurde aufgehoben und der Marchese
forderte.Ludwig zu einer Spazierfahrt nach dem
nahe gelegenen Lustschlosse auf, die dieser auch gern
annahm, da er sich dabei wieder an der Seite des
Ordcngeschmückten dachte.
Ludwig hatte die Einladung des Marchese ange-
nommen und Beide ergingen sick in dem schönen,
königlichen Garten, der sich hinter dem Schlosse bis
zu dem leise dahinrauschenden Flusse hinabdehnt.—
Unser Freund blickte auf die, im Äbendglanze schim-
mernde Gegend und sprach so recht aus dem inner-
sten Gemüth: Wie wunderschön ist doch Gottes Erde,
und wie herrlich ist's auf ihr, sonder Sorgen zu
wandeln!
 
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