die alten Kaleschen, nimmt fremde Bilder, gibt renommierte Eindrücke
wieder. Zur täglichen Erneuerung fehlt es der Dichterschar an Kraft,
es liegt zu viel in der Luft herum, was stört: Tendenz, System und
ähnlicher Plunder, der verpflichtet.
Ruhm hält bei uns vor. Wir sind ein treues Volk. Wir wahren die
Treue auch übers Grab hinaus, wie bei Richard Wagner, und sind
beglückt, wenn diese umkehren und auf einmal wieder da sind.
Hauptmanns Ruhm wird warm gehalten, kritische Anhänger ziehen
sich allmählich auf Jugendwerke zurück. Nur zögernd, in einem
Tempo, das unsere Güte und Menschlichkeit beweist, lassen wir von
unsern Führern. Man muß schon bis zu Sudermann heruntergehen,
um ein Beispiel für definitives Verschwinden festzustellen, das
dadurch bewiesen wird, daß Sudermann seinen Bart (sein Existenz-
grund, nicht seine Eigenart) abschneiden konnte, ohne daß die Nation
davon Notiz nahm.
Das sogenannte deutsche Theater hat das Verdienst, die Zustände
ideal zu verdeutlichen. Hier torkelt alles, auch der Boden, ganz zu
schweigen von dem traditionell besoffenen Regisseur. Der bestgelun-
gene Querschnitt durch die gegenwärtige deutsche Geistesverfassung.
Hier ist Voraussetzung für das unverfälschte Resultat einer Zusammen-
arbeit gegeben, da Dichter, Schauspieler, Dekorateur und Regisseur
individuell durchhalten, es sei denn, daß es dem Regisseur infolge seiner
bewußtlosen Trunkenheit gelingt, den übrigen seinen Willen aufzu-
drängen. Die letzte Epoche züchtete unter den Regisseuren immer
wieder neue starke Persönlichkeiten.
Kaiser ist aus dem Rahmen der deutschen Stückeschreiber gefallen,
indem er an sich spielbar geworden ist. Nachdem er seine Kraft in
Dutzenden von Stücken an den Expressionismus verramscht hat, verläßt
er das Metier des expressionistischen Wanderpredigers, läßt ab vom
Bau mit Pappklötzen, entschließt sich zu Leichtigkeit und wird drama-
tischer Reporter, der wirkliches Tempo hat, nicht das Tempo-Tempo
einer leerlaufenden Regie. Ein Fall später Prostitution, der versöhnlich
wirkt. Die anderen komplizieren sich weiter. Das Publikum opfert
sein Letztes, aber Pathos und Ernst schlagen am besten durch. Doch
auch Shakespearescher Flumor ist nach wie vor der Kritik entrückt.
Wir haben nichts anderes zu tun, als diese wie jede andere Äußerung
der Volksseele zu registrieren. Man wird die Berechtigung dieser Art
zwischen Positiv und Negativ ausgleichender Gerechtigkeit allmählich
anerkennen. Die Bejahung, die man aufbauender Weise verlangt, ist in
99/100 Mumifizierung; wir dagegen betreiben die Ästhetik des Leben-
digen, außer- wie oberhalb des Schönen, des Häßlichen, des Auf-
196
wieder. Zur täglichen Erneuerung fehlt es der Dichterschar an Kraft,
es liegt zu viel in der Luft herum, was stört: Tendenz, System und
ähnlicher Plunder, der verpflichtet.
Ruhm hält bei uns vor. Wir sind ein treues Volk. Wir wahren die
Treue auch übers Grab hinaus, wie bei Richard Wagner, und sind
beglückt, wenn diese umkehren und auf einmal wieder da sind.
Hauptmanns Ruhm wird warm gehalten, kritische Anhänger ziehen
sich allmählich auf Jugendwerke zurück. Nur zögernd, in einem
Tempo, das unsere Güte und Menschlichkeit beweist, lassen wir von
unsern Führern. Man muß schon bis zu Sudermann heruntergehen,
um ein Beispiel für definitives Verschwinden festzustellen, das
dadurch bewiesen wird, daß Sudermann seinen Bart (sein Existenz-
grund, nicht seine Eigenart) abschneiden konnte, ohne daß die Nation
davon Notiz nahm.
Das sogenannte deutsche Theater hat das Verdienst, die Zustände
ideal zu verdeutlichen. Hier torkelt alles, auch der Boden, ganz zu
schweigen von dem traditionell besoffenen Regisseur. Der bestgelun-
gene Querschnitt durch die gegenwärtige deutsche Geistesverfassung.
Hier ist Voraussetzung für das unverfälschte Resultat einer Zusammen-
arbeit gegeben, da Dichter, Schauspieler, Dekorateur und Regisseur
individuell durchhalten, es sei denn, daß es dem Regisseur infolge seiner
bewußtlosen Trunkenheit gelingt, den übrigen seinen Willen aufzu-
drängen. Die letzte Epoche züchtete unter den Regisseuren immer
wieder neue starke Persönlichkeiten.
Kaiser ist aus dem Rahmen der deutschen Stückeschreiber gefallen,
indem er an sich spielbar geworden ist. Nachdem er seine Kraft in
Dutzenden von Stücken an den Expressionismus verramscht hat, verläßt
er das Metier des expressionistischen Wanderpredigers, läßt ab vom
Bau mit Pappklötzen, entschließt sich zu Leichtigkeit und wird drama-
tischer Reporter, der wirkliches Tempo hat, nicht das Tempo-Tempo
einer leerlaufenden Regie. Ein Fall später Prostitution, der versöhnlich
wirkt. Die anderen komplizieren sich weiter. Das Publikum opfert
sein Letztes, aber Pathos und Ernst schlagen am besten durch. Doch
auch Shakespearescher Flumor ist nach wie vor der Kritik entrückt.
Wir haben nichts anderes zu tun, als diese wie jede andere Äußerung
der Volksseele zu registrieren. Man wird die Berechtigung dieser Art
zwischen Positiv und Negativ ausgleichender Gerechtigkeit allmählich
anerkennen. Die Bejahung, die man aufbauender Weise verlangt, ist in
99/100 Mumifizierung; wir dagegen betreiben die Ästhetik des Leben-
digen, außer- wie oberhalb des Schönen, des Häßlichen, des Auf-
196