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Tagesblatt der Geschichte — 1815

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No. 239 - No. 259 (Dezember)
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Theaterſtrelch war, um den Sang des Prozeſfes zu un
lhm der Marschall die Hand, um thm belm Einſtetgen In

OcocNnNnne t..
der Pairstammer, kam, Ihm sein Urtheil vorzuleſen. Ehe

er dazu ſchritt, versuchte er, dem Marſchall einlge ent.

ſchuldigende Worte zu sagen, um ihm zu bezengen, wie

empfindlich es 1hm ſey, zu solchem traurigen Auftreze

verpflichtet zu seln. „„Mein Herr, ſagte der Martichall,
thun Sie thre Pflicht; das muß Jedermann; leſen
Sie ! ‘' ; eitists

. . Als Hr. Canchy zu der Stelle kam, wegen des Ge-
setzes der Thronfolge, rief der Marſchall Ney: ,, Dieſes
Gesetz kann nicht auf milch angewendet werden, denn das
iſt für die kalſ erl. Famille gemacht!‘’ Nachdem das
Urcheil verleſen war, sagte Hr. Canchy zu ihm, daß wenn
er des Troſtes eines Gelſilichen bedärſe, er den Pfarrer

, von St. Sulpice rufen laſſen werde, der ſich von ſelbſt
qu diesem Dienft erboten hätte. i

Es ift gut, antwortete der Marschall. i
' ben sau casts, ob er einen andern Geiſtlichen zu ha-

Noch einmal, es iſt gut, sagte Ney, Ich. bedarf keis ;
| _ Dles waren ſelne letzten Worte; In demſelben Au-

. genblick fiel er durch 12 Kugeln getroffen.

nes Prieſters, um zu lernen wie man ſtiröt.

Auf die Bemerkung, daß es. ihm frei ſtünde, von ſet-
Frau und von ſelnen Kludern Abſchied zu nehmen, ver-
langte er, daß man ſîe eiuladen solle, zwiſchen 6 ~ 7 Uhr

Morgens zu ihm zu kommen. Ich hoffe, setzte er hinzu,
daß Sle ihr nicht daß Schickſal ihres Mannes

melden werden. Ich ſ;lbſt werde es Ihr ſagen. Herr
Canchy entfernte ſich hierquf, und der Marschall wart ſich

.. gangetkleldet aufs Bett, und ſchlief loglelich ein.

Um 7 Uhr Morgens ward er durch dle Ankuaft der

A Marſchallin guſgeweckt, welche In Begleltung ihrer Klns

îÑ der und der Mascame Gameon, ihres Schweſter, erschien.
. Als dleſe unglückliche Frau in das Zimnier 1hres
. Mannes trat, sank ſie auf der Stelle nieder. Der Mar-
ſchall mit Hülfe selner Dewachung half iht wieder auf.
Auf elne lange Ohnmacht solgten heftige Thränen und
î Schluchſen. sMadame Gamon, vor deni Marſchall kniend,

War in einem nicht minder bedauernswürdigen Zuſtande
als Ihre Schweſter. Dle Kinder ſchwelgend und fiuſter,

konnten nicht wetnen (das äiteſte [ſt ewa x11 ~ 12 Jahr

alt). Der Marſchall ſprach lange Zeit mit ihnen, aber

leiſe. Plötzlich ſtand er auf, und lud seine Famulle ein,
. ſich zu entfernen.. !..
_ Als er mit ſelner Bewachung alleln war, ging er

Jaquelin gedieut hatte, ſagte zu ihm : „„Marſchall, wo Ste jetzt

. hingehen, sollten Sic da nicht an Gott denken? Es iſt

; luz, (se gute Sache, wenn man ſich

nt. i te z..

. „. Ney ſtand ßill, sahe ihn an, und fagte nach einlgem

Stlliſchweigen : „„Ja, Du haſt Recht, wahrhaftig, man

muß als braver Mann und als Cheiſt ſterben; ich mögte
_ wohl den Pfarrer von St. Sulpice sprechen. ‘/

Der vhrave Grenadler lleß ſich das nicht zwelmal ſas

gen. Es ward Befehl gegeben, und der Pfarrer von

St. Sulpice ward unverzüglich zu dem Verutthellten ins
Zimmer geſührt. Er blieb drel Viertel Scunden bei ihm.

! Als er ſich entfernte, wünſthte der Marſehall, ihn Iu sel-
ner letzten Stunde noch einmal wieder zu ſehen. Der

vortreffliche Pfarrer hielt Worr,

wZimmer auf und nleder. Ein Grenadier, der unter La Roche; ſeinen Tod

mit Sott aus.

Um 8s2 Uhr war er wleder da, und um g Uher reichte

den Wagen behülflich zu seyn, indem er zu ihm ſagete:
Steigen Sie zueiſt ein, Herr Pfarrer, ich werde ſchnet-
ler oben ſcyn, als Sie. Je sersi plus vite, qze vous,
la- haut. (Ein Wortspiel auf c: m Weg zuin Tode.)

Er ward in etnem Mi-thwagen quer durch den Gars
ten des Pallaſtes Luxenburg bis an das äußerſte Ende
der großen Allée gefahren, iweiche nach dem VO ſervato-
rlum führt, dem Orte, der zu seir ec Hinrichtung be-
ſt mmt war. Eln chwaches Detachemeut Gendarmerte,
und zwei Abrtheilungin Brteranen erwartet.n ihn htier.
Als der Marſchall ſab, das man hier anht IU, glaubte er

waÿrſchelnlich, daß man ihn nach der Eine von Gre.

nelle führen welle, und ſIchlen vavon etwas üsderraſcht.
Er umarmte ſelnen Beichtvater, und gab ihm ſcine Doſe,
um ſie ſelner Gattln zuzuſtellen, nebſt einigen Goldſtucken,

_ dle er in der Taſche hatte, um ſie unter die Armen zu

reo. der Abtheilung Veteranen gegenüber ſtand,

welche Befehl hatten, ihn zu erſchießen, rief er mit

ſtarker Stimme : „Soldaten, gerade aufs Herz! '’

Den militäriſchen Vorschriften zufolge blieb der Leiche
zam noch eine Vlertelſtunde auf dem Cxektionsuplatze zur
zur Schau ausgeſetzt. I U j
_ obo entete, setzt das Journal des debats hinzu, eln
Krieger, der durch seinen Muth einen gerechten Ruhm ers-
hielt, aber der ſein Heldéenleben durch elnen Verrath ohne
gleichen in der Geſchichte, und durch ein faſt eben ſo
ſchändliches Verthetdigungsſyſtem entehrt hat. Das wahre
Anſehen ſelnes Königs verkennen, und feig sein Leben un-
ter dem Schutz eines Fremden geben, ſind Handlungen
ſo unwerth eines Franzoſen, daß ſie alles Mitgefühl Im
Herzen ſchweigen machen. Mit ivehr Charaktergröße,
würde er erkannt haben, daß ein Verbrechen, wie das

ſeinige, nicht durcb eitle Spitzfindigkelten und durch elende
juriſt!ſ@e Chikanen die Strafe umgehen kann.

Als er das erſte: Mal vor der Maglſtratsperſon ven
hôrt ward, bewies er beſſere Geſinnungen, indem er der
ſelben sagte : Ich bin zu ſchuloig, um wegen meines Les

bens mit dem Könige zu handeln; er mache mir mir,

"t f i. gegenwärtigen Pärs ſtlmmten 142 für

Paris, vom 5. Dezember. : u
Nach allen den Forderungen, die man an Fratkrelch

gemacht hat, ſchätt man, daß, außer den 700 Milltoneh,

die es zu bezahlen verbunden Uſt, der Unterhalt der Trup-
pen dölunen ſünf SYahren ſich auch noch auf 600 bis 700
Milllonen belaufen werde. Dleß iſt eime Wunde, die

ſchwer zu heilen ſeln wlrd. Auch ſtreuen Uebelgefinnte

ſchon sus, daß man ſelne Jufluchr zu Papiergelde werde
nehmen müſſen, welches, wle man hofft, nicht Statt ha-
ben wird. Auch ſagen ſie, die franzöſiſche Regierung ha-

ben verlangt, daß man ſtatt 60,000 Mann sremder Trupe

pen 150,000 Mann in Frankreich laſſen möchte, welches
aber nur eine neue Verläumdung iſt. j

Herr Bolfſy d’Anglas hat ſich gewelg.ert, in der
Sache des Maerſchalls Ney den Sltzungen der Kammer

der Pairs belzuwohnen, mlt der Aeußerung, daß es ihm,
 
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