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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 3
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Liebe, Georg: Das Turnier in den Briefen deutscher Fürsten am Ausgang des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0081

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3. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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das du clayder zuwegen bringen magst.» 1476
schreibt er seinen Räten nach Ansbach, zehn nament-
lich genannte Ritter nach Cölln a.d. Spree zu schicken,
wo sie mit zehn von seinem Sohn gestellten in einer
Farbe stechen sollten.1 2 3 4)
Vor dem Turnier wurde der Anlegung der
Rüstung die grösste Sorgfalt zugewandt; die wich-
tigste Person war dabei der Harnischmeister. Als Auf-
seher der Rüstkammer überwachte er die genaue
Befestigung aller Teile, von der, besonders was den
Helm anging, das Leben abhängen konnte, und
unterstützte gelegentlich den Herrn mit seiner Er-
fahrung. Gurlitt hat die ansprechende Vermutung
aufgestellt, dass die Gunst Kurfürst Augusts von
Sachsen für den Dresdener Oberrüstmeister Dehn,
später als «von Dehn-Rothfelser« geadelt, in dessen
erfolgreicher Belehrung ihren Grund gehabt habe.*)
Albrecht Achilles wird (1482) um den Harnisch-
meister seines Sohnes Friedrich gebeten, der ein
so guter Renner und Stecher sei nach dem Sprich-
wort: «der opfel geredt geren noch dem stamm».
Ihn selbst bittet (1464) Eberhard von Würtemberg
um Angabe «etwas subtiler, verborgner kunst
dienende zu vorteil dem rennen und stechen». Die
Kunst bestand in der Führung des Stosses, schwierig
durch die doppelte Beweglichkeit des Stützpunktes
wie des Zieles, sowie die Länge der Stechstange,
deren Mass Albrecht (1481) auf 11 Schuh von der
Brechscheibe bis zum Ende des Krönleins angiebt.
Wurde der Gegner aus dem Sattel geworfen, «ab-
gerannt», um so besser, indessen wurden als «Fall»
auch die verschiedenen Grade der Erschütterung
gerechnet und von den «Beschauern» vermerkt, an-
gesehenen Männern, die als Unparteiische fungierten.
In dem eben angezogenen Schreiben bestimmt
Albrechts anerkannte Autorität darüber: «Weiher
den schilt verleurt, hat ein fal; welher vom zäum
kombt, hat ein fal; welher vom sattel feilt, hat ein
fal; wen man heldt, hat ein fal; rossfallen wurdt
nit gezelt Welher also am maynsten leut herab-
sticht und am myndsten feilt und am maynsten
sticht und am lengsten harrt, das wurdt beschriben
und von den Beschauern angesehen und darnach der
dank gegeben.»8) Jeder «Fall» eines Gegners wurde
dem andern als «Gewinn» angerechnet, so dass sich
eine Anzahl von Points, wie wir heute sagen würden,
zu Gunsten und Ungunsten ergab. Ein Beispiel
liefert die erhaltene Liste des Gesellenstechens auf
Franz von Seckendorfs Hochzeit 148$: bei dem
Namen jedes Stechers sind «Gewinn» und «Fall»
in Zahlen aufgeführt; es ist die Urform des Pauk-
buchsA) Das Resultat des Turniers fand seinen
Ausdruck im Verteilen der Preise, Dank genannt.
Das Ausschreiben Albrechts 1481, das auf 20 Stecher
*) Priebatsch a. a. O. No. 228.
2) Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner des 16. Jahr-
hunderts S. 25.
3) Priebatsch a. a. O. No. 702.
4) Priebatsch a. a. O. III. No. 1152.

rechnet, setzt deren zwei aus und nimmt für je io
weitere abermals einen in Aussicht. Die Chancen
vorher wie das Resultat waren Gegenstand eifriger
Erörterung. Als Kurfürst Albrecht sich 1476 zehn
fränkische Stecher nach der Mark verschreibt, be-
merkt er dazu, der Dank werde gut zu erstechen
sein, zu fürchten nur die Meissner und Thüringer,
die etwa 20 an Zahl erscheinen würden, darunter
mindestens 10 gute. «Mit den müssen es die unsern
und unsers sons ausessen.»1) Sein Sohn Markgraf
Friedrich berichtet ausführlich an Herzog Georg von
Bayern über das Gesellenstechen zu Weihnachten
1481 beim Besuch seiner Schwester und ihres Ge-
mahls Eberhart von Württemberg am väterlichen
Hofe zu Ansbach: «Haben wir und unser gesellen
den dank mit gewalt erstochen, wiewol sein liebe
viel guter sticher von Bayern und Swaben auf seiner
seiten gehabt hat und ist unserm swager ein dank
und Adam Thunnen einer, darnach uns einer, her
Jorgen von Veilberg einer und Wiglesen von Secken-
dorf einer gegeben worden.»
Mehr als das vom Fürsten gespendete Kleinod
mochte manchen der- Kämpen der aus schönen
Augen leuchtende Beifall locken. Die Übersendung
von Stechpferden begleitet als ständige Formel der
Wunsch, schöner Frauen und Jungfrauen Lob darauf
zu erwerben und der Vortanz am Abend des heissen
Tages bildete ein beneidetes Ehrenrecht des Siegers.
Unter den Turnierbedingungen Albrechts (1481) ist
auch die gegen solche, die sich unrechtmässiger
Vorteile bedienen: «ist das pferdt der pfeiffer, und
er hat der frauen undank erworben und ist des
tanzs beraubt».) So gestaltete sich das Turnier zu
einer Vereinigung aller geselligen Freuden der ritter-
lichen Gesellschaft. «Das jung gesind rennt, sticht
und tanzt», schreibt Kurfürst Albrecht (1480) zu-
sammenfassend über seinen Hof halt an seinen Sohn
Markgraf Johann. Freilich begleitet Reinhard von
Heimstatt die Sendung seines Sohnes an Markgraf
Friedrich (1493) mit der Bitte, ihn zum Ritterspiel
zu brauchen «und ob er sich ander luder und spyelss
flissen wollt, im dess nitt zu gestatten». Schon in
einem der ersten uns erhaltenen Fürstenbriefe spricht
(1368) Gräfin Margarete von Nassau ihr Bedauern
aus, ihre Tante Mechthild von Cleve auf dem Tur-
nier zu Herborn nicht getroffen zu haben «inde
heyddes de weydelichgen rytter inde kneychte alle
geseyn, de day weyren». Und am Ende der Epoche
stehen die strahlend fröhlichen Worte des letzten
Ritters Maximilian (1479), als ihm ein Sohn geboren
war: «Ich bin gar fro, daz ich ein gesellen hab
ahn meinen sohn und wars nur fried worn, daz ich
rennen und stechen möcht.» In ihm, dem Meister
alles Ritterspiels, verkörpert sich noch einmal aller
Glanz des Rittertums, aber gerade er hat dessen
Ueberlebtheit gegenüber der neuen Zeit auf das
bitterste empfinden müssen.
3) Priebatsch a. a. O. No. 228.
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