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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 4
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Lenc, Ėduard Ėduardovič: Mitteilungen aus der Renaissance-Abteilung der Kaiserlichen Eremitage zu St. Petersburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0119

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4. Hefl.

Zeitschrift für historische Waffenkunde,

Das Gewicht nach der Reinigung beträgt 3 Pf.
50 Sol. russ. —
Ueber Fundort und Herkunft des Helmes ist
nichts bekannt; in die Kaiserl. Eremitage gelangte er
im Bestände der Sammlung Basilewski in Paris, in
deren Verkaufskatalog (No. 409) er als «heaume du
XVI. siede» (sic!) angeführt wird, Früher soll er zu
der Sammlung des Freiherrn Zu Rhein gehört haben,1)
der ihn, wie Freiherr R. v. Mansberg mitteilt,2) aus
dem Nachlasse der Herzogin von Berry erstand.3)
Die Angabe W. Boeheims, der Helm befinde sich
gegenwärtig im Besitze des Herzogs von Cumber-
land,4) beruht auf einem Irrtum, denn nach Aussage
des Herrn Bibliotheksrates Buck auf Schloss Cumber-
land, dem wir an dieser Stelle herzlichen Dank für
die freundliche Auskunft sagen, befindet sich im Be-
sitze des Herzogs nur der von einem der Maler
Kaulbach in München besorgte Gipsabguss des Ori-
ginals, sowie eine nach diesem Gipsabguss auf galvano-
plastischem Wege hergestellte genaue Nachbildung.
W. Boeheim und Fr. R. v. Mansberg schreiben den
Helm dem Herzoge Heinrich dem Löwen zu; letzterer
bezeichnet ihn als «historisch beglaubigten Original-
helm», doch vermissen wir in beiden oben angeführten
Werken die eine solche Zuschreibung begründenden
Belege, welche, wie uns scheinen will, doch kaum als
allgemein bekannt vorausgesetzt werden können, da
z.B. eine Autorität wie L. Lindenschmit bei wiederholter
und eingehender Besprechung des Stückes") dieser Zu-
gehörigkeit mit keinem Worte erwähnt und dessen An-
fertigung in die merovingische Periode zurückdatiert.
Fassen wir nun zunächst die Konstruktion des
Helmes ins Auge, so dürfen wir vor allem nicht
übersehen, dass wir es mit einem sogenannten
Spangenhelm zu thun haben, d. h. mit einer Kopf-
bedeckung, deren defensive Bedeutung überwiegend
in einem Gerippe radial von der Spitze zum Stirn-
reif hinabreichender starker Metallbügel liegt, während
die Füllung der zwischenliegenden Felder als Deck-
mittel erst in zweiter Linie in Betracht kommt und
rJ Lindenschmit, Handb. d. deutsch. Altertumskunde, S. 257 t.
“) Wäfen und wiegewaete der Ritter des deutschen Mittel-
alters, S. 33, Anm. 7. Vgl. Tafel IX mit dem erklärenden Texte.
3) Von den Versteigerungen der Kunstschätze der Herzogin
ist uns nur der Katalog der Auktion vom 4.—6. April 1837 von
Paillet bekannt, doch behandelt dieser ausschliesslich die Gemälde.
4) Handbuch der Waffenkunde, S. 27.
6) L. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde,
S. 257. Derselbe, Das Altertum unserer heidn. Vorzeit III, Heft 10,
Tafel V. Derselbe, Römisch-German. Central-Museum Tafel 14. —
Es ist wohl nur einem Missverständnisse auf Rechnung zu setzen,
wenn A. v. Essenwein (Helme im Germ. Museum S. 3) die Ansicht
ausspricht, dass Lindenschmit den Helm «mit Recht dem 10. Jahr-
hundert zuschreibt». Die Stelle in dem angezogenen Werke Linden-
schmits (Handbuch 1. c.) lautet: «Obschon die Herkunft und der
Fundort des Helmes nicht mehr aufzuweisen ist und bei der über-
aus grossen Seltenheit von Schutzwaffen selbst noch des io.
und 11. Jahrhunderts seine Altersbestimmung unsicher bleibt,
so bietet doch seine nächste Verwandtschaft mit den beiden angel-
sächsischen Helmen und überhaupt mit der Schmiedearbeit der
merovingischen Periode vollkommenen Anhalt für eine Vor-
stellung der Helme dieser Zeit, in welcher ja allenthalben das
Vorwalten volkstümlicher Ueberlieferung erkennbar ist.»

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als Schutz gegen die feindliche Angriffswaffe dem
Bügelgerippe jedenfalls nicht gleichwertig ist. Der
Unterschied zwischen diesen beiden Faktoren ist bei
unserem Exemplare gerade weniger auffällig, da die
als Füllung benutzten Eisenplatten selbst heute noch,
trotz starken Röstens, bei 2,5 mm Dicke immerhin
eine beträchtliche Widerstandsfähigkeit repräsentieren,
doch müssen wir im Auge behalten, dass an Spangen-
helmen bei weitem nicht immer Metallplattcn zur
Füllung der Zwischenfelder verwendet wurden; von
den beiden uns erhaltenen, in England ausgegrabenen
Exemplaren war der eine sicher — vielleicht aber
auch beide — zwischen den Spangen mit einem
Gefüge von Hornplatten versehen') und es ist ohne
Zweifel zutreffend, was J. Hampel von fränkischen
und angelsächsischen Helmen im allgemeinen sagt:2 * *)
«Ueberall ist die Grundform und das Hauptstück des
Helmes eine Mütze aus Filz oder ähnlichem Stoffe,
welche durch Metallverkleidung widerstandsfähiger
gemacht wird. Um den unteren Rand der Mütze läuft
ein Metallstreifen, von welchem schmale Bänder gegen
die Spitze zu aufsteigen.»
Die Spangenkonstruktion giebt bei der Datierung
von Helmen zweifellos ein mehr oder minder mass-
gebendes Moment ab, und gerade deswegen glauben
wir besonders hervorheben zu müssen, dass dieser
Helmtypus scharf zu unterscheiden ist von den spangen-
ähnlichen Metallbändern, welche bei Helmen, die aus
mehreren Stücken zusammengenietet sind, die Naht-
stellen decken und, ohne die übrigen Teile der Glocke
an Widerstandsfähigkeit erheblich zu übertreffen oder
zu verstärken, teils als Bindemittel, teils dekorativen
Zwecken dienen. Solche Naht- oder Nietenbänder,
die mit dem konstruktiven Prinzipe der Bügelgestelle
in gar keinem Zusammenhänge stehen, finden sich
aber, besonders im Orient, sehr häufig, sowohl in
vor- wie in nachchristlicher Zeit.
Originale von Spangenhelmen sind nur in sehr
wenigen Exemplaren erhalten und daher sind wir bei
der Zeitbestimmung solcher meist auf die Hilfe bild-
licher Darstellungen derartiger Schutzwaffen ange-
wiesen. Es würde zu weit führen und den Rahmen
dieser kurzen Abhandlung überschreiten, wollten wir
hier näher auf die Darstellungsweise der Spangen-
und Nietenbandhelme eingehen; daher müssen wir
uns auf die Andeutung beschränken, dass nur in den
seltensten Fällen bildliche Darstellungen von Helmen
dieser Art zweifellose Schlüsse auf die Konstruktions-
art gestatten, da Wollen oder Können der Bildner meist
nicht ausreichten, um den Unterschied zwischen den
beiden erwähnten Typen klar hervortreten zu lassen.8)
*) Roach Smith, Collectanea antiqua. Vol. II, p. 238 sq.
2) J. Hampel, Der Goldfand von Nägy-Szent-Miklös, p. 10.
a) Es seien hier nur einige Beispiele solcher Darstellungen
angeführt: Trajanssäule, Elfenbeinskulpturen der Kisten von Xanten,
Paris und Kronenburg, Eberhelme auf dem Gundestrup-ICessel und
auf den Bronzeplatten von Björnhofda, das Helmfragment von
Vendel, der Reiter auf dem Kruge Nr. 2 des Goldfundes von
Nägy-Szent-Miklös, der Teppich von Bayeux, die Thürpfeiler der
Kirche von Hyllestad u. a. m.
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