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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 4
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0132

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118

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

genommen und empfunden; dieser Rückstoss war
um so lästiger, als derselbe vorläufig nur durch
die Art der Handhabung abgeschwächt werden
konnte.
Die Bilderhandschrift, Cod. ms. 2952 der K. K.
Hof-Bibliothek zu Wien (1457), sagt in der schon
einmal erwähnten belehrenden Abhandlung: «Lass
die Büchs anzünden und wenn du empfindest, dass
sie hinter sich stösst, so widerheb nicht zu stark,
doch halt den Stab in der vordem Hand fest und
damit lass die vordere Hand, also den Stab darinnen
haltend, gegen die hintere Hand gehen und lass
den Stab durch die hintere Hand hinter sich aus-
schliefen.»
Diese Anweisung bezieht sich offenbar nur auf
Handbüchsen mit rückwärts eingesetztem stangen-
’artigen Schaft ohne Abzugsvorrichtung (Fig. 18, 19,
20); der Schütze sollte mit der vorderen Hand den
Rückstoss aufnehmen und gegen die hintere Hand
nachgeben; die vordere Hand hatte die Handbüchse

Abbildungen entnehmen, dass die Schützen bemüht
waren, durch Herabdrücken des Schaftes auf die
Schulter, Vorsetzen eines Fusses und feste Körper-
stellung, dem Rückstoss zu begegnen.
Die grossen Handbüchsen, welche von einem
einzelnen Manne noch getragen und gehandhabt,
jedoch infolge des Gewichtes nicht aus freier
Hand oder von der Schulter aus abgeschossen
werden konnten, wurden, wie sohon oben aus-
einandergesetzt, auf eine in den Boden eingesteckte
Gabel oder auf einen Dreifuss oder auf ein Gestelle
aufgelegt.
Beim schiefen Anschläge, also in der ersten
Zeit der Feuerwaffen, war das Schaftende am Boden
aufgesetzt, der Rückstoss wurde daher durch den
Schaft in den Boden abgeleitet. Beim wagrechten
Anschläge jedoch musste das rückwärtige Schaft-
ende gehoben werden, was entweder durch den
Schützen oder durch einen zweiten Stützpunkt ge-
schehen konnte. Im ersteren Falle übertrug sich



Fig. 61. Handbüchse mit eingeschnittener rechtwinkeliger Stufe an der Unterseite des Schaftes
itn Historischen Museum der Kgl. Stadt Filsen.

festzuhalten, in der hinteren Hand hingegen sollte
der Stab (Schaft) «ausschliefen» können.
Bei der Handhabung jener Handbüchsen, bei
welchen der Lauf in die muldenförmige Rinne des
Schaftes eingelegt war (Fig. 23—26), wurde das
breite kolbenartige Schaftende an die Armbeuge
angelegt; die breitspurige Stellung des Schützen
deutet an, dass derselbe bemüht war, durch eine
feste sichere Körperstellung dem Rückstoss zu be-
gegnen.
Noch empfindlicher musste die Wirkung des
Rückstosses bei der Handhabung jener mittelgrossen
Handbüchsen sich gestalten, welche, wie aus den
Abbildungen (Fig. 27, 28, 30 u. 32) zu ersehen ist,
von dem Schützen zur Abgabe des Schusses auf
die Schulter gehoben wurden. Diese Art der Hand-
habung war deshalb so ermüdend und anstrengend,
weil nebst dem Rückstoss auch das Gewicht der
Waffe auf die Schulter des Schützen übertragen
wurde.
In dem Manuskripte des Valturius (Fig. 30)
ist der Schaft unterhalb für das Aufsetzen auf die
Schulter sogar ausgeschnitten; man kann auch den

die Wirkung des Rückstosses auf den das Schaff-
ende haltenden Schützen, im letzteren Falle musste
die nur lose aufliegende Handbüchse durch die
Erschütterung von dem Gestelle herabgeworfen
werden.
Wenn auch das umständliche Laden dem
Schützen Zeit zur Erholung gab, so mögen doch
die andauernde beschwerliche Thätigkeit beim
Schiessen und besonders die Aufregung im Kampfe
den Schützen oft veranlasst haben, die Handbüchse
nicht immer aus freier Hand von der Wange oder
gar von der Schulter abzuschiessen, sondern dieselbe
auf Unterlagen, wie sich solche hinter Deckungen
von selbst ergaben, aufzulegen und abzufeuern; in
diesem Falle kam nun der Rückstoss in ähnlicher
Weise zur Wirkung, wie bei den grossen Hand-
büchsen.
Dieser «aufgelegte Anschlag» musste in seiner
praktischen Anwendung bald von selbst zu einer
Vorrichtung führen, durch welche der Rückstoss
wenigstens teilweise auf die Unterlage übertragen
werden konnte und durch welche für den Schützen
die Handhabung sich erleichterte.
 
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