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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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Rose, Hermann: Das mittelalterliche Wurfbeil
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0255

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Das mittelalterliche Wurfbeil.
Von Regierungsrat Dr. Rose in Berlin.


unser leider so früh
dahingeschiedenes Ver-
einsmitglied Oberstleut-
nant Dr. Max Jahns in
seinem letzten grösseren
Waffen werke, der her-
vorragenden «Entwick-
lungsgeschichte der
alten Trutzwaffen» (Berlin 1899) ausführt, gehört das
bisher nur in Afrika bei den verschiedensten Völkern
aufgefundene Wurfeisen zu den seltsamsten Waffen,
die es überhaupt giebt.
Nach der Beschreibung (Seite 257 bis 260 daselbst)-
ist dieses «eine messer- oder sichelartige eiserne
Wurfwaffe, welche in der Regel mit einer oder
mehreren dolchartigen Klingen versehen ist, die
anscheinend willkürlich vorspringen, doch in einer
Ebene mit dem eigentlichen Messer liegen. Fast
niemals mangelt ihr ein mehr oder minder kunst-
voller Griff. Die Waffe wird horizontal geschleu-
dert, wobei sie, gleich der Kehrwiederkeule,
Drehungen um sich selbst beschreibt und, wenn
sie trifft, durch ihre Schneiden wirkt.» Die auf
Tafel XXVII unter No. 7 bis 12 bezw. auf Tafel XXVIII
unter No. 1 bis 4 des genannten Werkes beige-
gebenen Abbildungen veranschaulichen die ver-
schiedenen Formen dieser merkwürdigen afrikanischen
Wurfwaffe. ])
Am Schlüsse des betreffenden Abschnitts findet
sich nun die Bemerkung, dass, so fern übrigens,
wie es auf den ersten Anblick scheinen möchte,
auch die europäische Waffenwelt den Wurfeisen
nicht stehe. Zeuge dafür sei ein eisernes Wurf-
beil mit Dornen vom Beginn des 14. Jahrhunderts,
welches ungarischen Ursprunges ist und sich im Be-
sitze Se.Excellenz des Grafen Wilczek in Wien befindet.

') Cf. auch die Abbildungen bei Demrnin, die Kriegs-
waffen (4. Aufl. Leipzig 1893) auf Seite 750 sub No. 103 und
104, resp. auf Seife 770 sub Xo. 48, woselbst diese Wurf-
eisen als «Yatagankriegssense» und «Yatagankriegsbeil» der
Tuariks, resp. «als eisernes Wurftnesser oder Wurfsichel»
der Niam-Niam Afrikas aufgeführt sind.

Die Abbildung dieser Waffe auf Tafel XXVIII
unter No. 5 ist dem bekannten Werke von Dr. Jo-
hann Szendrei «Ungarische kriegsgeschichtliche
Denkmäler in der Millenniums-Landes-Ausstellung
(Budapest 1896)» entnommen, woselbst das betref-
fende Wurfbeil mit Dornen von Eisen auf Seite 135
unter No. 348 dargestellt ist.
Infolge der grossen Seltenheit dieser höchst
interessanten Waffe des Mittelalters dürfte eine Be-
sprechung der bisher bekannt gewordenen einzelnen
Exemplare um so mehr gerechtfertigt erscheinen,
als die Mehrzahl der Wafifenlehrbücher nähere An-
gaben über dieselbe vermissen lassen.
Durch die ausserordentliche und dankbar aner-
kannte Güte des Herrn Grafen Wilczek ist es uns
ermöglicht worden, hierneben eine genaue photo-
graphische Darstellung der in seiner Sammlung be-
findlichen Exemplare zu bringen.
Fig. 1 ist das bereits bei Szendrei a. a. O. ab-
gebildete, mit einem Gürtelhaken versehene Wurf-
beil, welches aus einem einzigen Stück Eisen ge-
schmiedet ist.
Die ganze Länge desselben von der oberen
Mitte bis zum Griffende beträgt 27 cm, die ganze
Breite von der Mitte der Beilschneide bis zum Ende
des Rückendornes 16,5 cm. An die 18 cm lange,
aber nur 3 cm breite eigentliche Beilklinge setzt
sich unten ein rechtwinklig nach vorn gebogener
6 cm langer und scharf zugespitzter Dorn.
Der vierkantige Griff hat an der schmälsten
Stelle einen Umfang von 5,5 cm und verbreitert
sich nach unten allmählich bis zu einem Umfange
von 6,5 cm.
Während die eigentliche Beilklinge abgeflacht
ist und nach vorn in eine scharfe Schneide ver-
läuft, sind die Dornen und auch der Griff mehr in
quadratischer Form geschmiedet. Die Enden der
Beilklinge, des Rückendornes sowie des Griffes sind
in Rautenform viereckig zugespitzt. Das Gewicht
der Waffe beträgt 755 Gramm.
Das deutlich erkennbare Meisterzeichen ist auf
der Vorderseite vom Gürtelhaken bis zur Mitte der

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