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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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Rose, Hermann: Das mittelalterliche Wurfbeil
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0259

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7. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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und Schild lediglich mit der Francisca ausgerüstet
war. Beim ersten Anlaufe schleuderten die Franken
das Beil auf den Gegner, zertrümmerten dadurch
seinen Schild und stürzten sich nun mit dem
Schwerte auf ihn.
Ebenso erwähnt Sidonius Apollinaris in seinen
Epist. XX bei der Beschreibung von Sigismers Auf-
zug unter den Waffen des fränkischen Fteeres wieder-
holt der «secures missiles», während er im Verse
(Panegyr. major) den bekannteren Ausdruck «bi-
pennis» auch da anwendet, wo er auf das deut-
lichste vom Werfen der Axt spricht.
Diese allgemeine Bewaffnung der Franken mit
dem Wurfbeil, die auch von Gregor von Tours im
6. Jahrhundert ausdrücklich bezeugt wird,1) liess
diese Waffe gleichzeitig bei den anderen deutschen
Volksstämmen Eingang finden, wie z. B. ala-
mannische und burgundische Gräberfunde be-
weisen.
Dass auch den Langobarden das Wurfbeil
und dessen Gebrauch bekannt war, beweist die Sage
von König Autharis’ Brautwerbung um die bayerische
Herzogstochter Theodelinde im Jahre 584. An der
Grenze seines Landes, bis wohin ihm auf der Rück-
kehr die Bayern das Ehrengeleite gegeben hatten,
schwang der König seine Axt und warf sie in einen
fernen Baum mit solcher Kraft, dass sie tief darin
stecken blieb, wobei er sich durch den Ruf zu er-
kennen gab: Solche Hiebe thut nur Autharis, der
Langobardenkönig!
Ebenso führten die Goten nach dem Berichte
von Agathias bei der Belagerung von Cumae das
Wurfbeil, und Isidorus (Etymol. XVIII, 6, 9) giebt
den wichtigen Nachweis, dass die Axt noch im An-
fänge des 7. Jahrhunderts von den Spaniern, d. h.
den Goten, Francisca genannt wurde.
Bei den Franken verschwindet jedoch diese
ursprüngliche Nationalwaffe bereits gegen Ende der
Merovinger-Zeit, so dass Karl der Grosse sie in
seiner Verordnung über die vollständige Bewaffnung
des Heerbannes (Epist. Caroli Magni ad Fulradum
Abbatem St. Dionys. 784) nicht mehr anführt.
Ebenso bezeugt der Dichter des im 10. Jahr-
hundert entstandenen Walthari-Liedes ausdrücklich,
dass er sie nur noch aus der Ueberlieferung einer
fernen Zeit kenne, und dass sie zu seiner Zeit nicht
mehr im Gebrauch, früher aber gerade bei den
Franken üblich gewesen sei.2)
Desto länger behielten dagegen die Eng-
länder diese Wurfwaffe bei.
So erscheint in einer Verordnung Knuts des

») Auch Flodoardus (Hist. Remens. 1,13) gebraucht den
Namen Francisca, und Hincmar in der Vita St. Romigii:
«Francisca quae vocatur bipenna» (sic!). Ebenso Gesta Dei
per Franc, c. 10: «Francisca, quod est bipennis».
2) Cf. Vers 918 das. Als der Franke Gerwich die Axt
gegen Walthari schleudert, heisst es:
«Venit, et ancipitem vibravit in ora bipennem.
Istius ergo modi Francis tune arma fuere».

Grossen (um 1020) der Wurf mit der Schmalaxt
(taper-axe) als Bestimmung eines Raummasses. 8)
In der Schlacht bei Hastings (14. Oktober 1066)
waren, wie Matth. Paris, in seinem proelium apud
Flastinges versichert, sämtliche Sachsen «cum secu-
ribus» bewaffnet. Als die Normannen anrückten
«jactabant Angli cuspides ac diversorum generum
tela, saevissimas quasque secures et lignis imposita
saxa» (Gesta Gulielmi Ducis Norman. 201). Auch
im Chron. de Normandie lesen wir: «Et sitost
comme les Anglois les virent fuir, ils commencerent
ä poursuivir, chascum la hache ä son col».
Ja bis ins späteste Mittelalter hinein erhielt
sich bei den Briten der Axtwurf, so dass noch im
16. Jahrhundert Fischart in seinem Gargantua das
Wurfbeil direkt als englisch bezeichnet: «Er warf
das Englisch Beihel» etc.3 4 *)
Bei dieser Gelegenheit dürfte darauf hinzu-
weisen sein, dass man im Mittelalter von jeher neben
den mit der Hand geschleuderten gewöhnlichen Ferne-
waffen (Wurfspiess, Wurfpfeil, Schleuder etc.) auch
noch das Werfen anderer Waffengattungen kannte,
die sonst nur im Nahkampfe Verwendung fanden.
So wurden selbst Schwerter gelegentlich ge-
worfen, wie dies eine Stelle der langobardischen
Gesetze beweist. Hiernach hatte, wenn ein Tier
durch den Wurf eines Schwertes getötet war, der
Thäter Ersatz zu leisten; geschah es aber infolge
der Verteidigung mit bewaffneter Faust, so fiel die
Busse fort. (Leg. Langob. CCCXXXV.)
Ferner berichtet Ulrich von Zatzikofen in seinem
um das Jahr 1190 verdeutschten Buch von «Lanzelot
vom See» von einem Kampfe mit Wurfmessern.6 *)
Auch Caspar v. d. Rön und noch besser «das Helden-
buch» ®) erzählt ausführlich einen solchen Wurf-
messer-Kampf zwischen Wolfdiethrich, welcher diese
Kunst von seinem alten Waffenmeister Bechtung
erlernt hat, und dem Heidenkönig Bellian, der hier-
bei getötet wird.’)
3) Cf. Jähns, Entwicklungsgeschichte Seite 141 —142. Auch
der Hammerwurf war eine symbolische Handlung bei den
Germanen, und ein Rugianischer Landgebrauch schätzt die
Weite eines Axt- oder Hammerwurfes auf drei Meereswellen.
4) Cf. Lindenschmit a. a. O. Seite 16 und 17.
B) Lanzelot 1119: «Er zwei scharpfin mezzer truoc,
Spizzic unde lang genuoc; Diu mezzer beidenthalben sniten»
(cf. San Marte a. a. O. Seite 152).
°) Ausgabe von Sigm. Feyrabend (1590) Seite 124—128.
Gottfried von Strassburg vergleicht die fliessenden Reime
des Blicker von Steinach mit gewandt geworfenen Messern:
Tristan 4712: Nemt war, wie er wunder Mit spaeher rede
entwirfet, Wie er diu mezzer wirfet Mit behendeklichen rimen,
indem er an seinem Gedichte, dem Umbehang, webt (cf.
San Marte ä. a. O. Seite 154).
’) Im 16. Jahrhundert war diese Kampfweise bereits
veraltet, so dass Fischart in seinem Gargantua sagt: «Das
baderisch und bechtungisch Messerwerfen und Scharsach-
schiessen liess er St. Velten haben», ebenso wie das antike
«Fischgarnkempffen und ölgeschmirtringen». Dagegen be-
steht der Brauch des Messerwerfens noch heute im südlichen
Europa, insbesondere bei den romanischen Völkern, von denen
die Spanier ihre Navaje mit grosser Kunst zu schleudern
verstehen.
 
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