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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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Rose, Hermann: Das mittelalterliche Wurfbeil
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0262

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246

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

böhmischen und ungarischen Hirten. Letztere sollen
es mit solchem Geschick werfen, dass sie auf be-
deutende Entfernung einen auf einem Baume ruhen-
den Vogel zu zerschneiden vermögen.1)
Mit langem I lolzschafte dagegen, schmalem
Axtblatte und g'eradcr Schneide, sowie mit einem
kurzen Hammeransatze am Rücken
linden wir die Waffe als soge-
nannte «Wurfhacke» noch viel-
fach, zum Teil reich verziert mit
Tuschicrung und Aetzung, in
grösseren Sammlungen, wie z. B. in
dem Landeszeughause in Graz, in
der Wiener Waffensammlung' u.a.m.
Die beifolgende genaue Ab-
bildung einer solchen « langen
Wurfhackc (siche Fig. 9), datiert
1578, nebst Meistermarke, ver-
danken wir der Güte des der
zeitigen Kustos der Wiener Samm-
lung, Herrn Dr. Kamillo List.2) Vgl.
auch die Abbildung derselben auf
Tafel XXI sub No. 5 in dem Werke:
Quirin von Leitner, die Waffcn-
sammlung des österr. Kaiserhauses
im k. k. Artillcrie-Arsenal-Muscum
in Wien (Wien 1866—1870).
Auch diese Waffengattung hat
sowohl in den 1 iussitenkriegen des
15. Jahrhunderts wie im 16. Jahr-
hundert in g'rösseren Mengen zur
allgemeinen Ausrüstung' des ge-,
meinen Mannes gedient, insbeson-
dere in den böhmischen Heeren.
So berichten vor dem Treffen
von Wenzenbach (der sogenannten
Beheimschlacht, am 12. September
1504) die von Maximilian auf Kund-
schaft in das Lager der Böhmen
nach Cham und Pfreimd ausge-
sandten Heckenreiter Conz von
Schott und Philipp von Stein, «dass
der grösste Teil der 6000 Mann
starken Böhmen 1 landbüchscn,
habe die anderen Dreschflegel mit
J) Siehe Lindenschmit a.
Seite 17. Jähns, Entwicklungsgeschichte,
Seite 142. Demmin a. a. O. Seite 820
unter Xo. 19.
-) Es ist dies das von Böheim in seinem Führer durch
die Wiener Waffensammlung Seite 65 unter Xo. 309 auf-
geführte Exemplar. Siehe auch den Aulsatz: «Bogen und
Armbrust» in Band I, Heft 6, Seite 133 dieser Zeitschrift,
woselbst Boeheim unter den Wurf Waffen neben Schleuder
und Wurlspiess auch «die Wurfhackc» aufführt.

eisernen Spitzen, auch alleSpiess, viele Wurfhacken,
auch lange Behcimsche Scharsana und Schwerter».8)
Eine gleichzeitige Abart dieser langen Wurf-
liacke bildet in Ungarn der einer kleinen Streit-
hacke ähnliche Czakany, welcher noch jetzt als
eine Art Gehstock vielfach benutzt wird, wobei das
metallene, mondsichelförmige
1 lammerbeil als Handgriff dient.
Ebenso kann der einem kleinen
Streithammer gleichende alt-un-
garische Fokus resp. galizische
Topor hierzu gerechnet werden,
zumal die Bezeichnungen dieser
Waffen häufig wechseln und auch
Verbindungen derselben miteinan-
der (Czakanyfokos) üblich sind.4)
Dass auch der Czakany im
Kriege geworfen wurde, ist be-
kannt. So tötet der Czekler Bla-
sius Oerdödy den Fürsten Andreas
Bathory durch einen solchen Beil-
wurf bei St. Thomas.s)
Selbst der Buzogany (Streit-
kolben) scheint in Ungarn zuweilen
als Wurfwaffe benutzt worden zu
sein, wie das unter den Notizen des
Postdirektors Josef von Scheiger
aufgeführte Beispiel beweist.6)
Ausser dieser slavischen Wurf-
waffe und dem bereits erwähnten
romanischen Brauche des Messer-
werfens finden wir in der Jetztzeit
den Gebrauch von Wurfwaffen nur
noch bei den ausser-curopäischen
Naturvölkern, wie dies neben
Schleuder und Wurfspicss u. a.
sowohl die dem Wurfbeile ähn-
lichen indianischen Tomahawks,
als auch der indische scharf schnei-
dende Wurfring (Tschakram), der
australische Boumerang und die
eingangs genannten afrikanischen
Wurfeisen darthun.7)

3) Cod. germ. 900. Siehe Wiir-
dinger a. a. O. Band II, Seite 245.
4) Si' lie die zahlreichen Abbildun-
gen bei Szcndrei a. a. ()., sowie die Ent-
wicklungsgeschichte dieser Walle S. 98
daselbst; Demmin a. a. O. Seite 812 sub
X'o. 15 und 16. Quirin v. Leitner, Waffensammlung des österr.
Kaiserhauses, Tafel LXIV, Fig. 10 u. a. m.
6) Siehe lliltl a. a. C). Seite 7 hei Xo. 44.
°) Siehe Band 1, Heft 11 dieser Zeitschrift, Seite 291.
7) Siehe jähns, Entwicklungsgeschichte, Seite 1 12ff.,
202ff. und 257 ff.


Fig. 9. Lange Wurfhacke mit Waffen
schmiedsmarke («). Datiert 1578.
(Wiener Waffensammlung.)
 
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