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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0296

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280

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band,

stabler», deren für die artilleristischen Anschauungen
ihrer Zeit überaus bezeichnende Instruktionen das Gothaer
Archiv uns gleichfalls erhalten hat, wurden häufig zur Kunst-
und Lustfeuerwerkerei herangezogen. Auch hierbei können
sie sich der Lichterflaschen bedient haben. Die verhältnis-
mässig grosse Zahl und äussere Form der Büchsen spricht
aber für deren in erster Linie militärische Bestimmung. —
Gleiche oder ähnliche Ausrüstungsstücke sind, nach den bis-
her angestellten Ermittelungen, weder in den Berliner, noch
Dresdener königlichen Sammlungen enthalten. Um so wert-
voller erscheint mir die entgtiltige Beantwortung der auf-
geworfenen Frage. . L—r.

Antwort auf Frage 5: Die Ansicht des Herrn Frage-
stellers, dass es sich hier um ein artilleristisches Zubehör-
stück handelt, dürfte zutreffend sein. Mit Rücksicht auf die
ganze Anordnung, des breiten, bandolierartigen Riemens, der
um die Büchse vollständig herumgreift, ferner im Hinblick
auf das als Zierrat hervortretende Wappen, kann man das
Stück als Bestandteil der Uniform und Ausrüstung eines
Kanoniers bezeichnen. Zugleich zeigt der weit Ubergreifende
Deckel, dass der Inhalt nicht nur bei der augenblicklichen
Verwendung des Gerätes, sondern dauernd vor Feuchtigkeit
geschützt werden sollte. Die Schlaufen und Schlaufenschuhe
fügen sich als Aufbewahrungsstellen für die Kartuschnadel
und den ZUndlochauftreiber dieser Erklärung zwanglos ein,
der dünne Riemen kann sehr gut zur Befestigung der häufiger
gebrauchten dieser beiden Nadeln gedient haben. Was nun
den vermuteten Inhalt der Büchse anlangt, so weist die an
der vorderen Abteilung angebrachte Kannenschnauze mit
Bestimmtheit auf eine flüssige oder staubförmige Substanz
hin, die in dünnem Strahl auf einen bestimmten Punkt ge-
schüttet werden sollte, und es liegt nahe, hier an das Auf-
schütten des Pulvers auf die ZUndpfanne eines Geschützes
zu denken. Gerade zu Beginn des 18. Jahrhunderts kamen
besonders an schweren Geschützen die langgestreckten Ziind-
pfannen auf, bei welchen die eigentliche, das Zündloch um-
gebende Pfanne durch eine Rinne mit einer zweiten ver-
bunden war, in der wahrscheinlich die Zündung erfolgte.
Man kann wohl annehmen, dass das «Ziindkraut» in solchem
Falle aus langsamer brennendem Satz bestand, so dass der
abfeuernde Kanonier Zeit hatte, beiseite zu springen, bevor
der Schuss losging. Zum Füllen dieser Pfanne eignete sich
die Kannenschnauze sehr gut, weniger dagegen zum Ein-
räumen des Pulvers in das Zündloch, auch dürfte die Trage-
weise der Büchse an einem breiten Riemen mit nach seit-
wärts zeigender Schnauze dem Verwendungszweck wenig
dienlich gewesen sein. Eine Zündkrautbüchse in dieser Ge-
stalt ist jedenfalls ungewöhnlich, die gewöhnliche Form ist
die einer kleinen Flasche oder Büchse mit Ausflussröhrchen,
an einem dünnen Riemen zu tragen.
Setzt man für den vorderen Teil der Büchse einen staub-
förmigen Inhalt voraus, so muss die hintere Hälfte mit Not-
wendigkeit zur Aufnahme stabförmiger Gebilde von der Länge
der Büchse gedient haben, die sich ohne Kippen der letzteren
herausholen Hessen, da sonst der Inhalt der anderen Ab-
teilung trotz des Deckels verschüttet worden wäre. Dass
dieses «Ziindlichte» gewesen, ist nicht unwahrscheinlich, in-
dessen ist die Verwendung derselben bei der Geschütz-
bedienung in jener Zeit (erste Hälfte des 18. Jahrhunderts)
noch nicht verbürgt. Bei der preussischen Artillerie waren
Ziindlichte noch um 1860 im Gebrauche und dienten, nament-
lich bei Regenwetter, an Stelle der Lunte zur Erreichung
einer sicheren und raschen Entzündung von Geschützen,
sowie von Feuerwerkskörpern. Nach «Oelze, Lehrbuch der
Artillerie» (1856) waren es 15 Zoll lange, 0,6 Zoll starke,
mit besonders langsam brennendem Satz vollgeschlagene

Papierhülsen, sie mussten mit 2—3 Zoll langer Flamme 12
bis 13 Minuten brennen und durften durch Schnee und Regen
nicht verlöscht werden. Nur bei sehr schnellem Feuer
brauchte man bei jedem Geschütz ein brennendes Licht,
sonst konnten mit einem Licht vier Geschütze nacheinander
abgefeuert werden. Das ZUndlicht steckte dabei in einer
Klemme, die aus einem aufgeschlitzten Rohr mit Schiebering
bestand und an einem Stock befestigt war. Dass eine solche
Klemme in den Schlaufen des Bandoliers getragen wurde,
ist kaum anzunehmen. Unter dem äusserst zahlreichen Ge-
schützzubehör, welches Oelze aufführt, befindet sich kein
Behältnis für Zündlichte, dieselben wurden also jedenfalls fin-
den immerhin nicht häufigen Fall der Benutzung in der Protze
mitgeführt. Es muss daher auffallen, dass in früherer Zeit
eine als ständiges Ausrüstungsstück dienende Zündlichter-
btichse mitgeführt worden sein soll.
Denkbar ist auch der Fall, dass die hintere Abteilung
der Büchse zur Aufbewahrung der Lunte diente, diselbe hätte
sich mit Hilfe der Kartuschnadel noch immer leicht genug
herausheben lassen, ohne die Büchse zu kippen. Ob dieses
der Fall gewesen ist, könnte eine weitere Untersuchung der
Büchse lehren. Die tiefen engen Hohlräume derselben lassen
sich offenbar nur sehr schwer und unvollkommen reinigen,
der einstige Inhalt derselben hat also wahrscheinlich dauernde
Spuren darin zurückgelassen. War der vordere Teil der
Büchse thatsächlich für Pulver bestimmt, so müssen die Wan-
dungen desselben mit schwarzem Schwefelkupfer .-bedeckt
sein, das durch die Anwesenheit des im Messing enthaltenen
Zinks einen Stich ins Grüne erhält. Kupfer pflegt nämlich
in Berührung mit Schwarzpulver keinen Grünspan, sondern
Schwefelkupfer zu bilden, alte, in Pulverfabriken und Labo-
ratorien viele Jahre gebrauchte Gefässe und Trichter aus
Kupfer oder Messing besitzen eine prachtvolle schwarzbraune
bezw. dunkelgrüne Patina von Schwefelkupfer. Hat dagegen
die andere Hälfte der Büchse zur Mitftihrung der Lunte ge-
dient, so muss sich in derselben notwendig Grünspan gebildet
haben, da die Lunte seit alter Zeit aus einem mit Bleizucker
(essigsaurem Bleioxyd) getränkten Hanfstrick bestand und
das Kupfer in Berührung mit derselben sich allmählich zu
essigsaurem Kupfer (Grünspan) umwandelt.
Wenn auch viele Punkte für die Annahme sprechen, dass
diese Büchse eine Ztindkraut- und Lichterflasche gewesen,
so machen doch die erwähnten Bedenken allgemeinerer Natur
eine weitere Aufklärung recht wünschenswert. P. R.

Nachwort. Den in der Antwort gegebenen dankens-
werten Anregungen folgend, habe ich die mir zugänglichen
beiden Büchsen nochmals besichtigt und den aus den vor-
deren Hohlräumen geschütteten Staub chemisch untersuchen
lassen. Das Gutachten des Herrn Dr. Sänger (Vorstand des
chemischen Laboratoriums in Gotha) bestätigt die Annahme
in Frage und Antwort. Es lautet: «Die mir übergebene
Probe Staub aus einem Ausrüstungsstücke habe ich unter-
sucht und bei der Prüfung eine schwache, aber deutliche
Reaktion auf Schwefel erhalten.» — In der besterhaltenen
beider Büchsen ist der hintere Hohlraum (wohl zur sicheren
Lagerung der Zündlichte oder Lunte, um Reibung an der
Metallwand und Eindringen von Pulverstaub aus dem Neben-
raume zu verhüten) mit weissgarem Leder ausgeschlagen. —
Jedenfalls infolge häufiger Reinigungen seit dem Gebrauche
ist eine «Patina» im vorderen Raume nicht wahrzunehmen.
Die Grünspanbildung im Hinterraume wurde durch den Leder-
ausschlag ausgeschlossen. — Wenn nach all dem Angeführten
die in der Frage ausgesprochene Annahme an Wahrschein-
lichkeit gewinnt, bleiben gefällige Aeusserungen von be-
rufener Seite zu erbitten. L—r.
 
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