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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 10
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Rose, Walther: Die Bedeutung des gotischen Streitkolbens als Waffe und als Würdezeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0383

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io. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

363

führten1) und sich auch mit diesem scepterartig-en Ab-
zeichen, dem sog. «Regiment» in der Hand, mit Vor-
liebe bildlich darstellen Hessen. Diese Sitte erhielt
sich bis über das Mittelalter hinaus, so dass noch
im Jahre 1600 Landgraf' Moritz von Hessen aus-
drücklich empfiehlt, die Disziplinarstrafe «manu
magistratus» mit dem Scepter oder «Regimentes
vorzunehmen, denn dies sei in keiner Weise
schimpflich.2)
Alle diese Kolben lassen dann aber bereits in
ihrer äusseren Erscheinung, durch ihre zierliche Ge-
staltung und künstlerische Ausschmückung, sowie
auch durch die Beschaffenheit des oft recht kost-
baren Metalls, aus dem sie verfertigt sind, erkennen,
dass wir in ihnen weniger eine
Waffe für den Ernstfall, als
hauptsächlich ein Prunk- und
Würdezeichen des jeweiligen
Inhabers zu erblicken haben.

Das von Boeheim (Plandbuch der Waffenkunde,
Figur 425, Seite 361) in dieser Beziehung gegebene
Beispiel stellt den in der Kaiserlichen Waffensamm-
lung' zu Wien befindlichen, aus vergoldetem Messing
bestehenden Streitkolben des Kaisers Friedrich III.
in feiner gotischer Gliederung dar, und zwar in
der Form des gemeinen deutschen Kürissbengels
aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.8)
Ein fast gleiches Exemplar in künstlerisch voll-
endeter Ausführung und im reinsten gotischen Stil
besitzt die Kaiserliche Eremitage zu St. Petersburg
(siehe Figur 5). Dieser an
kurzem Holzstiel befestigte
herrlich schöne Kolben be-
sitzt eine Länge von 50 cm,
eine Höhe der Schlagblätter
von 4,5 cm und ein Gewicht
von 2 Pfund 15 Sol. russisch
(1 russ. Pfund = 96 Solot-




Fig. 5. Gotischer Prunkstreitkolben.
Mitte des 15. Jahrhunderts.
(Sammlung der Kaiserl. Eremitage
zu St. Petersburg.)

Fig. 6. Die geschicktheit der mumerey Fig. 7. Italienischer Streitkolben,
und kurzweil (Maximilian leitet einen Beginn des 16. Jahrhunderts.
Mummenschanz). Weisskunig, Tafel 30. (Sammlung der Kaiserl. Eremitage
(Verkleinertes Bruchstück.) zu St. Petersburg.)

t) Ein Pendant zu dieser Erscheinung sehen wir z. B. in
eben jener Zeit auch bei dem langstacliligen Faust- oder
Reiterhammer, welcher in den Kiirisser-Regimentern Maxi-
milians I. allgemein von den Rottmeistern zugleich als Waffe
und Würdezeichen getragen wurde. Siehe Boeheim a. a. O.
Fig. 432, Seite 366. — Selbst die Axt erscheint bereits in der
ältesten Zeit auch als blosses Würdezeichen ohne Möglichkeit
irgend welcher Brauchbarkeit, und zwar in kostbarster Aus-
führung. So besitzt das Kaiserliche Antikenkabinett zu Wien
ein in Siebenbürgen gefundenes, 28 Lot schweres Beil von
gediegenem Golde, dessen eigenartige Form sonst auch
in Bronze vorkommt, das aber an sich natürlich lediglich
wie ein Scepter gebraucht worden sein kann. Siehe Jähns,
Entwicklungsgeschichte, Seite 143, nebst der Abbildung da-
selbst Tafel IV, Nr. 7.
2) Siehe Jähns, Entwicklungsgeschichte, Seite 160,
Anm. 5, sowie Seite 155. — In Ungarn und Polen blieb der
Kolben bekanntlich bis in das 18. Jahrhundert Offiziers-
abzeichen. Siehe Boeheim a. a. O. Seite 363.

nik = 409,51 gr). Die einzelnen Teile sind teils
aus Kupfer - (Messing-) Blech verschiedener Dicke
geschnitten, teils getrieben und durch Nieten und
Lötungen miteinander verbunden. Ueber die Her-
kunft hat sich leider nichts ermitteln lassen.3 4 * * *)
Nach einer weiteren Angabe Boeheims bewahrt
man ebenfalls in Wien noch zwei andere reich
verzierte gotische Streitkolben von Bronze aus dem
Besitze desselben Kaisers von ca. 1460, bei denen

3) In seiner äusseren Gestalt also ähnlich den Exem-
plaren in Fig. 1 sub Nr. 1 bis 3.
*) Die Abbildung und nähere Beschreibung dieses und des
unter Figur 7 folgenden Exemplars nach der liebenswürdigen
Mitteilung des Herrn Staatsrats von Lenz in St. Petersburg,
wofür ihm der Verfasser hiermit seinen verbindlichsten Dank
ausspricht.
 
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