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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 10
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Rose, Walther: Die Bedeutung des gotischen Streitkolbens als Waffe und als Würdezeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0384

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364

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

sich in der Höhlung der verschliessbaren Handhaben
ein metallener Zollstab und ein zusammenlegbares
Triktrakbrett finden.1)
Ein kostbares Exemplar besitzt endlich dieselbe
Sammlung noch in dem Prunkstreitkolben des Mat-
thäus Lang, Erzbischofs von Salzburg. Derselbe
besteht aus vergoldetem Silber, der Kolben ist mit
Eicheln besetzt. Alle Füllungen de's Kolbens und
des Stieles sind mit translucidem Email ausgestattet,
der Griff mit geätzten Verzierungen geschmückt.
Die Technik ist venetianisch um 1500.2)
Aus derselben Zeit (1500) stammt der in der
Sammlung des Berliner Königl. Zeughauses befind-
liche italienische Prachtstreitkolben bezw. Kommando-
stab des Kardinals Ascanio Maria Sforza. Der nach
Art eines ungarischen Buzogäny gebildete Kopf
dieses Kolbens besteht aus einer geschuppten und
vergoldeten Messingkugel, welche das Wappen des
Sforza und die Inschrift: Ascanius — Maria — Car-
dinalis — Sforcia — Vicecomes zeigt. Schaft und
Handgriff sind mit rotem Samt bezogen.3 4)
Auch die in dem Königl. Historischen Museum
zu Dresden den zahlreichen Reiter - Harnischen
sächsischer Fürsten beigegebenen Prunkstreitkolben
dürften hierher zu zählen sein, welche, wenn auch
nicht von der Person, so doch wenigstens aus der
Zeit des betreffenden Fürsten stammen. So führt
z. B. der dem Harnisch des Herzog's Johann Georg I.
(15S5—1656) beigegebene Streitkolben das Wappen
der Familie Henkel von Donners mark.1)
Bei dieser Gelegenheit möchten wir die höchst
interessante Thatsache nicht unerwähnt lassen, dass
im sächsischen Königshause noch bis in die neueste
Zeit hinein ein derartiger Prunkstreitkolben als Feld-
marschallstab gedient hat. So hält nach einer Photo-
graphie von C. A. Teich - Hanfstängl in Dresden
Se. Majestät König Albert von Sachsen als General-
feldmarschall in seiner Rechten einen Prunkkolben
mit kugelförmigem Kopf in Form eines Buzogäny.
Nach der überaus gütigen und hiermit dankend
anerkannten Auskunft des Herrn Direktors Dr. Koet-
schau in Dresden bekam Se. Majestät den Streitkolben
als Kronprinz ausgehändigt, als er (1871) zum Feld-
marschall ernannt worden war, «an Stelle —wie es
in den Akten heisst — des noch nicht vorhandenen
modernen Marschallstabes». Dieser Pusikan gehört
zu einer noch aus Pallasch und ungarischem Säbel
bestehenden Waffengarnitur, die im Jahre 1610 dem
Kurfürsten Christian II. vom Kaiser Rudolf II. verehrt

b Siehe Band I, Heft ir d. Zeitschr. Seite 291, Anm. 1.
2) Siehe die Abbildung bei Boeheim, Album hervorragen-
der Gegenstände aus der Waffensammlung des Allerhöchsten
Kaiserhauses (Wien 1894), Tafel XI, Nr. 7.
3) Siehe die eingehende Beschreibung bei Hiltl, Katalog
der Waffensammlung des Prinzen Karl von Preussen, Seite 3
unter Nr. 18. In dem neuen Führer durch das Königl. Zeug-
haus (Berlin 1900) ist das Exemplar auf Seite 38 unter Nr. 32
aufgeführt.
4) Führer durch das Königl. Historische Museum zu Dres-
den (Dresden 1S99), Seite 55 zu Nr. 5 bezw. Seite 58 zu Nr. 10.

wurde und wahrscheinlich aus der Werkstatt des
Nicolaus Gross in Wien hervorgegangen ist. Der
Kolben ist nach dem Gebrauch vorderhand dem Histo-
rischen Museum nicht zurückgegeben worden, sondern
noch in den Fländen Sr. Majestät verblieben, obgleich
Allerhöchstderselbe wie auch der Prinz Georg jetzt
die in Preussen gebräuchlichen Marschallstäbe führen.
Wenn wir nunmehr zu unserer historischen
Betrachtung zurückkehren, so finden wir diese
Benutzung des Streitkolbens als WiirdezeichSn neben
seiner eigentlichen Bestimmung als Waffe schon im
15. Jahrhundert derartig verbrettet, dass derselbe
allgemein bei feierlichen Aufzügen und von den
Hausbeamten hochgestellter Herren zur Erhöhung
des Glanzes getragen wurde. So halten z. B. auf
Tafel 30 im Weisskunig,5) woselbst Kaiser Maximilian
einen Mummenschanz anführend dargestellt ist, die
Maskenfiguren ganz ähnliche Kolben wie die Küriss-
bengel in den Fländen (siehe Figur 6).
Fliernach ergiebt es sich von selbst, dass- in
einem Pracht und Farben liebenden Zeitalter der
Geschmack der Waffenschmiede mit dem feinen Ver-
ständnis der Goldarbeiter wetteiferte, eine solche
hauptsächlich zur Repräsentation bestimmte Prunk-
waffe mit geschmackvollen Zieraten zu schmücken,
worin sich insbesondere die Italiener auszeichneten.
Diese künstlerische Verschönerung erstreckte sich
nicht nur auf den Kopf des Streitkolbens, sondern
auch auf die Ausbildung zierlich gewundener resp.
in Eisen geschnittener Schäfte und Handgriffe.
So besitzt die Kaiserliche Eremitage zu
St. Petersburg einen 58,5 cm langen und 3 Pfund
83 Sol. russisch schweren eisernen Streitkolben mit
soliden Schlagblättern von 5 cm Höhe, deren Spitzen
verstärkt sind (siehe Figur 7). Die Waffe ist in
reichem Eisenschnitt geziert, und zwar der Schaft
in Rankenwerk, der Griff in Bandform. Die Spitze,
die Aussenränder der Schlagblätter und die Quer-
wulste des Griffes sind vergoldet. Zwischen den
•Schlagblättern läuft eine gravierte, stellenweise stark
verwischte Inschrift mit folgendem noch entziffer-
barem Wortlaut:
\. CAMILLVS • C.... LbS NOBILIS SINENSIS S.
IO. HIEROSOLIM. EQVES RODIENSIS S. MARCI
FANENSIS V.VS ANNO .. X XII
Die Waffe gehörte somit einem aus Siena stammen-
den Rodiser Ritter des Ordens St. Johannis vom
Spital zu Jerusalem.
Eine ganz besondere Rolle aber spielte der
Streitkolben als Würdezeichen in Frankreich,0) zu-

5j «Der Weisskunig. Eine Erzählung von den Thaten
Kaiser Maximilians des Ersten von Max Treitzsauerwein auf
dessen Angaben zusammengetragen nebst den von Hannsen
Burgkmaier dazu verfertigten Holzschnitten. Herausgegeben
aus dem Manuskript der K. K. Hofbibliothek. Wien 1775.»
6) Eine Würdigung des Streitkolbens als Waffe in
Frankreich und Burgund finden wir in dem Aufsatz von
Hermann von Duyse in Band I, Heft 2 dieser Zeitschrift,
Seite 37 ff.
 
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