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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 10
DOI Artikel:
Rose, Walther: Die Bedeutung des gotischen Streitkolbens als Waffe und als Würdezeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0385

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io. Heft.

Zeitschrift fiir historische Waffenkunde.

365

mal hier an den prachtliebenden Höfen des Königs
und des hohen Adels die prunkvollen Zeremonien
eine viel grössere Ausbildung und Bedeutung er-
langt hatten, als in den anderen Ländern. Deshalb
führen hier, wie auch öfters in Deutschland, ins-
besondere die Stabträger und Herolde die Kolben
als Würdezeichen, und letztere sind dann mit den
Landesfarben und Wappen bunt geschmückt, zuweilen
höchst kunstvoll mit Gold oder Silber tauschiert.
Ein treffliches Beispiel hierfür aus dem Anfänge des
15. Jahrhunderts ist die Figur eines solchen sergent-
d’armes in der Kirche zu St. Denis bei Paris (siehe
Figur 8). Der hier in rein gotischem Geschmack
ausgebildete Kolben zeigt deutlich reiche Verzierungen
in Gold- oder Silbertausia, und in seiner äusseren
Form seine Bestimmung als Prunkwaffe.1)

Auch bei den höchst feierlichen Zeremonien,
die bei den französischen Turnieren genau beobachtet
zu werden pflegten, gelangt der Kolben als Würde-
zeichen zur Anwendung. So erblickt man in einer
Miniature des Turnierbuchs des Königs Rene8), bei
dem Kapitel «defi du tournois» im Gefolge des vor
seinem Gebieter knieenden roi-d’armes (Wappen-
königs) einen sergent-d’armes, welcher in der rechten
Pland einen stählernen Kolben mit goldenen Ver-
zierungen hält (masse d’acier garnie en or) siehe
Figur g.3 4 * * *)
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wird der
Streitkolben auch das Würdezeichen der (halb)
bewaffneten Kirchendiener, welche die Stellen
der sog. «Schweizer» vertraten und unter dem
Namen «massiers» oder «sergents massiers» be-


Fig. 8. Sergent-d’armes vom Anfang
des 15. Jahrhunderts. Bemalter und ver-
goldeter Steinschnitt, in der Kirche zu
St. Denis bei Paris.
(Nach Demmin, 2. Ergänzungsbd., S. 54.)


Fig. 10. Avocat des eglises. Ende des
15. Jahrhunderts.
(Nach Bonnard, Costumes des 13., 14. et
15. Siecles. Vol. 1. pl. 10.


Fig. 9. Sergent-d’armes. Mitte des 15.
Jahrhunderts. Nach dem Turnierbuch
des Königs Rene.
(Nach Bonnard, Costumes des 13. 14. et
15. Siecles. Vol. 2. pl. 24.)

Die sergents-d’armes der französischen Könige,
welche für gewöhnlich die Lilie auf den Spitzen
ihrer Kolben trugen, «portent masses devant le Roy»,
ebenso wie die Liktoren ihre Beile vor dem römischen
Konsul. Es kommen daher auch zuweilen derartige
sergents-massiers vor, welche das S. P. Q. R. als In-
schrift führen.2)
*) Siehe Demmin, 2. Ergänzungsband, Seite 54.
2) Siehejähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegs-
wesens (Leipzig 1880), Seite 750, sowie auch Viollet-le-Duc
in seinem Dictionnaire raisonne du mobilier fran^ais (Paris
1858—1875), Tome 6, Seite 201: «II existe beaucoup de ces
masses qui n'etaient que des altributs de dignite, mais qui ne
sauraient etre rangees parmi les armes de guerre. Ces masses
de .massiers, sergents massiers1 sont souvent fort riches et ter-
minees ä l’extremite superieure par une partie plate, sur la-
quelle etaient gravees les armes du personnage, auquel etait
attache le fonctionnaire qui portait la masse, ou un signe
quelconque. La masse des sergents massiers du roi de
France portait ä son extremile, en maniere de sceau, une
fleur de lis. C’est avec cette fleur de lis qu’on marquait les
criminels.»

kannt waren. Diese Beamten einzelner Kirchsprengel
waren nicht nur in Frankreich, sondern auch in
Italien, Spanien und Süddeutschland thätig. Erst
in späterer Zeit wurden sie fast allgemein an Stelle
des Kolbens mit Hellebarden oder Partisanen be-
waffnet.
Hiltl erwähnt u. a. auch eines früher einem
Kirchendiener gehörigen, äusserst zierlichen Kolbens
aus dem 15. Jahrhundert, dessen Kopf in Form eines
der häufig vorkommenden Reliquienbehälter oder

3) Les tournois du roi Rene d’apres le manuscript et
les dessins originaux de la bibliotheque royale. Publiees
par M. M. Champollion. Paris 1826. — Vgl. auch in dieser
Hinsicht die Zeremonien im Bildkodex der Bibliotheque na-
tionale zu Paris, betitelt: Ceremonies des gages de bataille.
Nach Lacroix P., Vie militaire et religieuse au Moyen-äge.
Paris 1873.
4) Die hier gegebene vergrösserte Abbildung ist ent-
nommen aus dem Werke von Bonnard, Costumes des 13., 14.
et 15. Siecles, extraits des Monuments les plus authentiques etc.
(Paris 1829), vol. 2, pl. 24.
 
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