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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 12
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Reimer, Paul: Die Erscheinung des Schusses und seine bildliche Darstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0457

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12. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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oder weniger durch den Rauch verdeckt und in
dem Aussehen ihrer Farbe beeinflusst. Die Hellig-
keit der Pulverflamme ist indessen so gross, dass sie
durch die zunächst noch nicht so dicken Qualm-
wolken hindurchschimmert und den die Flammen-
zunge umgebenden Teil derselben gelb färbt, da,
wie erwähnt, der kompakte Rauch im durch-
scheinenden Licht gelblich aussieht. Die Umrisse
der Flammenzunge werden hierdurch noch viel un-
deutlicher. Von der Seite aus nächster Nähe ge-
sehen, macht daher ein Schuss den Eindruck, als
ob eine breite, zerrissene Flamme aus dem Rohr
schlägt — die alten Abbildungen mit stark lodern-
der Geschützflamme mögen aus dieser Anschauung
heraus entstanden sein.
Von grösstem Einfluss auf die Schusserschei-
nung ist die Beleuchtung der Umgebung des Ge-
schützes. Die mehr oder weniger starke Bestrahlung
des Schusses durch direktes Sonnenlicht lässt die
Pulverflamme ganz verschieden aussehen. Bei
grellen Sonnenstrahlen erscheint die Flamme blass-
rot, die Beleuchtung des Rauches durch dieselbe ist
indessen noch immer wahrnehmbar. Ausserdem ist die
Schusserscheinung alsdann, besonders was den Rauch
anlangt, noch sehr verschieden, je nach dem Stande
der Sonne zu dem Standpunkt des Beobachters. Bei
zerstreutem Licht, und besonders bei schwerer,
feuchter Luft ist der Blitz blutig rot, der Rauch
hell erleuchtet und blendet in hohem Masse das
Auge. Die Rauchwolken bleiben lange zu dichten
Massen geballt und haben wenig Neigung emporzu-
steigen. — In der Nacht zeigt sich erst die ungeheure
Helligkeit der Pulverflamme. Blickt man, in der
Nähe des feuernden Geschützes stehend, in den
Feuerstrahl, so wird man derart geblendet, dass
man minutenlang nur glühende Ringe vor den
Augen sieht. Der Helligkeitswert der Flamme ist
so bedeutend, dass es kaum angängig erscheint,
in einem Nachtgemälde ein feuerndes Geschütz in
den Vordergrund zu bringen. Die Farbe des Blitzes
ist in der Nacht weniger rot, es tritt hier die dem Ka-
lium eigentümliche, rotviolette Farbe mehr in den
Vordergrund, mitunter erscheint sie fast blau.
Brennend aus dem Rohre geschleuderte Pulver-
körner, glühende Kartuschbeutelreste u. s. w. bilden
häufig einen Funkenregen, der das Bild noch be-
lebt. Die Rauchwolke kommt bei Nacht wenig zur
Geltung, sie erscheint höchstens grau und ihre Be-
leuchtung tritt hinter der Helligkeit der Flamme
fast völlig zurück. Aus der Ferne gesehen, blendet
der Schuss bei Nacht durchaus nicht in demselben
Masse, man erkennt vielmehr durch das Fernglas
auf einen Augenblick die nächste Umgebung des
feuernden Geschützes, die Bedienung etc. selbst auf
grössere Entfernungen sehr deutlich. Interessant
ist es, das Leuchten in der Ferne verdeckt feuernder
Geschütze bei Nacht zu beobachten. Besonders bei
bedecktem Himmel sieht man einen mächtigen
roten bis violetten Schein, der lebhaft an das Wet-

terleuchten eines fernen Gewitters erinnert und
meilenweit sichtbar ist, jedenfalls meist weiter, als der
Knall des betreffenden Schusses gehört wird.
Wenn bisher nur die Schusserscheinung des
feuernden Geschützes besprochen wurde, so ge-
schah dies, weil naturgemäss hier alle charakte-
ristischen Merkmale besonders auffallend in die
Erscheinung treten. Prinzipielle Unterschiede hier-
gegen lassen sich für Hand-Feuerwaffen in keiner
Weise feststellen. Was Form und Farbe der Feuer-
erscheinung und des Rauches anlangt, so haben
hier dieselben Gesetze Geltung, der geringeren
Menge der Pulvergase und ihrer schnelleren Ab-
kühlung wegen ist aber die Flammenerscheinung
im Verhältnis schwächer und bei heller Beleuchtung
überhaupt kaum mehr wahrnehmbar. Da ferner der
Gasdruck in Gewehren wesentlich höher zu sein
pflegt, als in Geschützen, so erhalten die Gase auch
eine höhere Geschwindigkeit, die Rauchwolke kon-
zentriert sich nicht so um die Mündung, wie beim
Geschütz, sondern wird mehr fortgeschossen. Aus
der Ferne gesehen, scheint beim Gewehrschuss mit-
unter lediglich ein Rauchwölkchen aus der Mün-
dung zu fliegen. Es kommt hier indessen sehr auf
die Grösse der verwendeten Ladung an, und das
Militärgewehr mit seiner hohen ballistischen Leis-
tung wird im allgemeinen eine erheblich stärkere
Flammen- und Raucherscheinung geben, als die
mit kleinen Ladungen feuernde Jagdflinte oder die
Schrotbüchse.
Fasst man das über die Schusserscheinung Ge-
sagte zusammen, so ergiebt sich, dass das Bild des
Schusses keineswegs einheitlich ist, sondern je nach
dem verwandten Pulver, den Beleuchtungs- und
Witterungsverhältnissen ausserordentlich grosse
Verschiedenheiten zeigen kann. Der darstellende
Künstler wird daher neben seinen Uniform-Studien
etc. auch der Eigenart des. Schusses in der von ihm
wiedergegebenen Zeit unter Berücksichtigung der
verschiedenen angedeuteten Nebenumstände seine
Aufmerksamkeit widmen müssen. Er darf sich
nicht, wie dies häufig genug geschehen ist, eine be-
stimmte Darstellungsweise der Schusserscheinung
zu eigen machen und diese alsdann in allen vor-
kommenden Fällen zur Anwendung bringen.
Fragt man sich nun, welche Phase der Schuss-
erscheinung sich nach dem Gesagten für die bild-
liche Darstellung besonders eignet, so ist die Ant-
wort allgemein schwer zu geben. Es wird hier sehr
auf die besonderen Umstände ankommen, unter
denen die Schusserscheinung auftreten soll, und
die geschilderten, ausserordentlich mannigfaltigen
Erscheinungsformen der Rauchwolke lassen sich
zu den verschiedensten malerischen Effekten in
dankbarster Weise verwenden. Ob die Darstellung
der Flamme des Schusses besonders glücklich ist,
sei dahin gestellt. Wenn es an sich schon misslich
ist, einer so ausserordentlich kurzen Erscheinung,
wie die Schussflamme es ist, auf einem Bilde Dauer
 
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