Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0046
DOI issue:
1. Heft
DOI article:Institute und Vereine
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0046
32
Der Cicerone
Heft 1
und van Orley schließt. C. Benoit hat diesem
Meister weitere Werke zugeschrieben, deren
Liste Friedländer bereichert. Der Vortragende
betont die Beziehungen zum Meister von Fle-
mall, doch ist Coter der wesentlich spätere;
das Bild in Vieure ist vielleicht 1507 zu datie-
ren. 1493 ward er in die Lukasgilde aufge-
nommen. Sehr überraschend war eine Mit-
teilung, die zwei Fragmente eines Jüngsten Ge-
richtes in Schleißheim, dort fälschlich mitRueland
Frühauf in Beziehung gebracht, betraf: beide
Fragmente gehörten zu einem Ältar, dessen
Mitteltafel der hl. Michael bei Frau Virnich-
Bonn bildete.
Herr H. Voss wies auf ein bisher unbekann-
tes Werk Coters, die Kreuzabnahme in Mes-
sina, hin, die eng mit dem Stuttgarter Bilde
zusammenhängt. (Vgl. die Notiz auf S. 29 u.30.)
H. V.
Eine „Vereinigung für ästhetische For-
schung“ ist im November in Berlin begründet
worden. Sie ist hervorgegangen aus wieder-
holten Zusammenkünften eines kleinen Kreises
und verfolgt nach § 1 ihrer Satzungen den
Zweck: „Durch Vorträge und mündlichen Ge-
dankenaustausch zwischen Vertretern philoso-
phischer, historischer, ethnologischer und natur-
wissenschaftlicher Kunstforschung sowie theo-
retisch interessierten Künstlern die Anschauun-
gen über Wesen und Aufgaben der Kunst und
der einzelnen Künste zu vereinheitlichen und
zu vertiefen.“ Die Zusammenkünfte finden an
jedem dritten Dienstag der Monate Januar bis
Juni und Oktober bis Dezember statt; die stän-
digen Teilnehmer haben einen Jahresbeitrag von
5 Mark zu zahlen. Der Beitritt zur Vereini-
gung und die Aufnahme von Gästen wird durch
den Vorstand vermittelt, der aus sieben Mit-
gliedern besteht und auf Jahresfrist gewählt
wird. Der erste Vorstand setzt sich zusammen
aus den Herren Prof. Dr. Max Dessoir, Julius
Hart, Prof. Dr. Max Herrmann, Dr. Leopold
Schmidt, Dr. Alfred Vierkandt, Prof. Dr. Heinrich
Wölfflin und Dr. Oskar Wulff. (Mitteilungen
erbeten an Privatdozent Dr. Wulff, Berlin-
Friedenau, Rubensstr. 17.)
S
MÜNCHEN —■
Die kunstwissenschaftliche Gesellschaft er-
öffnete ihre Wintersitzungen mit einer Fest-
sitzung, zu der auch der Protektor Prinz Rupp-
recht erschienen war. Furtwänglers Nachfolger,
Professor Wolters, hielt einen inhaltlich und
formal sehr gediegenen Vortrag über die Neu-
erwerbungen der hiesigen Äntikensammlung, von
denen besonders eine wundervolle attische Grab-
stele mit der üblichen Darstellung von Herrin
und Dienerin mit höchster Freude begrüßt werden
muß. Der Historiker Grauert sprach sodann sehr
ausführlich über „ein vergessenes Kaisergrab“.
Es handelt sich um ein von Maximilian I. für
den Dom in Speyer geplantes und dem Salz-
burger Meister Hans Valkenauer in Auftrag ge-
gebenes Grabmonument, das aber durch ver-
schiedene, uns zum Teil bekannte widrige
Umstände nicht zur Vollendung und noch weniger
zur Aufstellung gelangte und von dem man nun
einige Skulpturen und Ärchitekturreste in Salz-
burg und seiner Umgebung wiederentdeckt hat.
FLORENZ ==========-
Kunsthistorisches Institut. Die Einschätzung
von Michelozzos Talent als Palastarchitekt ist
immer eine sehr bedeutende gewesen, aber man
kann seine Leistungen nicht ohne die voraus-
setzende Annahme hinnehmen, daß ein größerer
ihm den Weg gebahnt habe. Die Auseinander-
setzung des geistigen Eigentums zwischen Bru-
nelleschi und ihm ist nun im Einzelnen noch
nicht eindeutig festgelegt; in einer solchen Ab-
grenzung wird dem Baudatum des Palazzo
Medici eine große Bedeutung zufallen. So hat
denn dessen einwandfreie, auf dokumentarischer
Basis zu erfolgende Fixierung für eine der wich-
tigsten Fragen in der Geschichte der Florentiner
Palastarchitektur entscheidende Wichtigkeit. Vor
zehn Jahren hatte nun Dr. Warburg im Merkbuch
des Giannozzo Salviati eine Notiz gefunden, die
den Baubeginn des Pal. Medici mit 1444 angibt
und diese Jahreszahl wurde von allen Seiten als
mit den innerlichen Entwicklungsverhältnissen
der Zeit im Einklang stehend angenommen, bis
Frey (in seinen Quellen und Forschungen zu
Michelagniolo) den Baubeginn um 1435 ansetzte
und den Bau 1440 in der Hauptsache vollendet
sein ließ.
In der Sitzung des Kunsthistorischen In-
stituts vom 24. Nov. ergänzte Dr. Warburg
jene von ihm 1898 ans Licht gezogen^ Notiz
über den Baubeginn des Palazzo Medici durch
eine ausführlicher nachprüfende Erläuterung.
„Nell’ anno 1444 si cominciö a murare la chasa
di Cosimo de Medici“ lautet die Stelle um Zi~
baldone des Giannozzi Salviati; da dieser nun
frühestens 1462 geboren ist, verlangt seine
irgendwo übernommene Angabe Nachprüfung
durch Vergleich mit den gleichzeitigen autben-
Der Cicerone
Heft 1
und van Orley schließt. C. Benoit hat diesem
Meister weitere Werke zugeschrieben, deren
Liste Friedländer bereichert. Der Vortragende
betont die Beziehungen zum Meister von Fle-
mall, doch ist Coter der wesentlich spätere;
das Bild in Vieure ist vielleicht 1507 zu datie-
ren. 1493 ward er in die Lukasgilde aufge-
nommen. Sehr überraschend war eine Mit-
teilung, die zwei Fragmente eines Jüngsten Ge-
richtes in Schleißheim, dort fälschlich mitRueland
Frühauf in Beziehung gebracht, betraf: beide
Fragmente gehörten zu einem Ältar, dessen
Mitteltafel der hl. Michael bei Frau Virnich-
Bonn bildete.
Herr H. Voss wies auf ein bisher unbekann-
tes Werk Coters, die Kreuzabnahme in Mes-
sina, hin, die eng mit dem Stuttgarter Bilde
zusammenhängt. (Vgl. die Notiz auf S. 29 u.30.)
H. V.
Eine „Vereinigung für ästhetische For-
schung“ ist im November in Berlin begründet
worden. Sie ist hervorgegangen aus wieder-
holten Zusammenkünften eines kleinen Kreises
und verfolgt nach § 1 ihrer Satzungen den
Zweck: „Durch Vorträge und mündlichen Ge-
dankenaustausch zwischen Vertretern philoso-
phischer, historischer, ethnologischer und natur-
wissenschaftlicher Kunstforschung sowie theo-
retisch interessierten Künstlern die Anschauun-
gen über Wesen und Aufgaben der Kunst und
der einzelnen Künste zu vereinheitlichen und
zu vertiefen.“ Die Zusammenkünfte finden an
jedem dritten Dienstag der Monate Januar bis
Juni und Oktober bis Dezember statt; die stän-
digen Teilnehmer haben einen Jahresbeitrag von
5 Mark zu zahlen. Der Beitritt zur Vereini-
gung und die Aufnahme von Gästen wird durch
den Vorstand vermittelt, der aus sieben Mit-
gliedern besteht und auf Jahresfrist gewählt
wird. Der erste Vorstand setzt sich zusammen
aus den Herren Prof. Dr. Max Dessoir, Julius
Hart, Prof. Dr. Max Herrmann, Dr. Leopold
Schmidt, Dr. Alfred Vierkandt, Prof. Dr. Heinrich
Wölfflin und Dr. Oskar Wulff. (Mitteilungen
erbeten an Privatdozent Dr. Wulff, Berlin-
Friedenau, Rubensstr. 17.)
S
MÜNCHEN —■
Die kunstwissenschaftliche Gesellschaft er-
öffnete ihre Wintersitzungen mit einer Fest-
sitzung, zu der auch der Protektor Prinz Rupp-
recht erschienen war. Furtwänglers Nachfolger,
Professor Wolters, hielt einen inhaltlich und
formal sehr gediegenen Vortrag über die Neu-
erwerbungen der hiesigen Äntikensammlung, von
denen besonders eine wundervolle attische Grab-
stele mit der üblichen Darstellung von Herrin
und Dienerin mit höchster Freude begrüßt werden
muß. Der Historiker Grauert sprach sodann sehr
ausführlich über „ein vergessenes Kaisergrab“.
Es handelt sich um ein von Maximilian I. für
den Dom in Speyer geplantes und dem Salz-
burger Meister Hans Valkenauer in Auftrag ge-
gebenes Grabmonument, das aber durch ver-
schiedene, uns zum Teil bekannte widrige
Umstände nicht zur Vollendung und noch weniger
zur Aufstellung gelangte und von dem man nun
einige Skulpturen und Ärchitekturreste in Salz-
burg und seiner Umgebung wiederentdeckt hat.
FLORENZ ==========-
Kunsthistorisches Institut. Die Einschätzung
von Michelozzos Talent als Palastarchitekt ist
immer eine sehr bedeutende gewesen, aber man
kann seine Leistungen nicht ohne die voraus-
setzende Annahme hinnehmen, daß ein größerer
ihm den Weg gebahnt habe. Die Auseinander-
setzung des geistigen Eigentums zwischen Bru-
nelleschi und ihm ist nun im Einzelnen noch
nicht eindeutig festgelegt; in einer solchen Ab-
grenzung wird dem Baudatum des Palazzo
Medici eine große Bedeutung zufallen. So hat
denn dessen einwandfreie, auf dokumentarischer
Basis zu erfolgende Fixierung für eine der wich-
tigsten Fragen in der Geschichte der Florentiner
Palastarchitektur entscheidende Wichtigkeit. Vor
zehn Jahren hatte nun Dr. Warburg im Merkbuch
des Giannozzo Salviati eine Notiz gefunden, die
den Baubeginn des Pal. Medici mit 1444 angibt
und diese Jahreszahl wurde von allen Seiten als
mit den innerlichen Entwicklungsverhältnissen
der Zeit im Einklang stehend angenommen, bis
Frey (in seinen Quellen und Forschungen zu
Michelagniolo) den Baubeginn um 1435 ansetzte
und den Bau 1440 in der Hauptsache vollendet
sein ließ.
In der Sitzung des Kunsthistorischen In-
stituts vom 24. Nov. ergänzte Dr. Warburg
jene von ihm 1898 ans Licht gezogen^ Notiz
über den Baubeginn des Palazzo Medici durch
eine ausführlicher nachprüfende Erläuterung.
„Nell’ anno 1444 si cominciö a murare la chasa
di Cosimo de Medici“ lautet die Stelle um Zi~
baldone des Giannozzi Salviati; da dieser nun
frühestens 1462 geboren ist, verlangt seine
irgendwo übernommene Angabe Nachprüfung
durch Vergleich mit den gleichzeitigen autben-