Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0770
DOI Heft:
23. Heft
DOI Artikel:Ausstellungen
DOI Artikel:Denkmalpflege
DOI Artikel:Entdeckungen
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742
Der Cicerone
Heft 23
jenem des Massenrhythmus. Durch ihre formale
Rhythmik gehören Reinigers Werke zum Aus-
druckvollsten, was die moderne Landschafts-
kunst hervorgebracht hat. B—m.
WIEN
Die Galerie Miethke hat soeben in dem Ober-
lichtsaal des Parterre interessante Kollektiv-
ausstellungen von Ferd. Hodler und Olaf
Gulbransson eröffnet.
DENKMALPFLEGE
CITTA di castello
Der schöne Palazzo Vitelli della Cannoniera
wird restauriert und soll später die vorläufig in
einem Schulgebäude aufgestellte städtische Pina-
kothek beherbergen.
LORO PICENO
Die älteste Kirche des Ortes, S. Maria, ein Bau,
dessen älteste Teile aus frühgotischer Zeit stam-
men, besitzt ein gotisch-lombardisches Portal aus
dem Anfang'des XIV. Jahrhunderts und in einer
der beiden ältesten Kapellen ein Fresko, das der
Conte Cupelli in der Rivista Marchigiana publi-
zierte und (wohl etwas kühn) dem Gentile da
Fabriano zuschrieb. Unter der Tünche befinden
sich noch andere Fresken, die jetzt freigelegt
werden sollen.
MONTERUBBIANO bei Ascoli Piceno
Drei Tafelbildchen des Vincenzo Pagani, die
Wunder des Rosenkranzes darstellend, im Be-
sitz des Kapitels der Collegiata und in der
Sakristei daselbst aufbewahrt, sind kürzlich auf
Veranlassung des italienischenKultusministeriums
durch den Maler Guglielmo Filippini aus Parma
restauriert worden. Ein großes Tafelbild des
Pagani, die Madonna mit dem segnenden Kinde
und vier Heiligen: S. Lorenzo, S. Rocco, S. Sofia
und S. Niccolö von Bari, dem Schutzpatron des
Ortes Mosesro, in welchem es einst den Haupt-
altar der Kirche S. Maria dell'Olmo schmückte,
ist ebenfalls durch Filippini restauriert. Es be-
findet sich jetzt in einem Saale des Palazzo
Mumcipale zu Monterubbiano. B—e.
PARIS
Die Abtei Solesmes sollte, wie auch hier
gemeldet wurde, im Juli d. J. verkauft werden.
Der Staat verlangte 1 Million Franks. Da sich
niemand meldete, reduzierte der Staat seine
Forderung auf eine halbe Million. Als sich
wiederum kein Käufer meldete, reduzierte der
Staat, seine Forderung auf eine Viertelmillion.
Inzwischen haben zahlreiche Künstler Protest
gegen diesen Verkauf erhoben und einen Auf-
ruf erlassen, in dem sie die Regierung ersuchen,
Solesmes als staatliches Künstlerheim zu ge-
stalten.
VERSAILLES
Nach Beendigung der Restauration des
Schlosses von Versailles soll auch die des Grand-
Trianon unter Leitung des Architekten Pierre de
Nolhac vollzogen werden. G.
ENTDECKUNGEN
EIN FRESKENZYKLUS
IN COLLEPEPE
In der italienischen Tagespresse ist während
der letzten Wochen mit einer gewissen Leiden-
schaftlichkeit die Frage der Datierung eines
Freskenzyklus diskutiert worden, auf den zuerst
Giulio Loccotelli die Aufmerksamkeit der Kunst-
forscher und des Ufficio Regionale gelenkt hatte.
In dem Ort Collepepe auf der Straße zwischen
Deruta und Todi schmückt diese Freskenfolge
die Wand eines ehemaligen Festsaales, der zu
einem Jagdhause der mächtigen Familie Baglioni
gehörte und heute als Kornmagazin dient.
Wegen der ikonographisch merkwürdigen Ver-
mischung biblischer und mythologischer Szenen
dürfen die technisch nur mittelmässigen Arbeiten
aus der Milte des fünfzehnten Jahrhunderts ein
gewisses Interesse beanspruchen. Der uns un-
bekannte Peruginer Künstler, der sie geschaffen
hat, folgt in der Schilderung der Schlacht zwischen
Theseus und dem Minotaurus und der Geschichte
der Judith und des Holofernes den Spuren Do-
menico Venezianos, der kurz zuvor in einem Palast
der Baglioni Fresken gemalt hat, von denen uns
Vasari berichtet, und des Piero della Francesca,
an dessen Schlacht des Maxentius in S. Fran-
cesco zu Arezzo die mit naivem Ungeschick
vorgetragene Kampfszene besonders deutlich
erinnert. Einige der gelehrten Ciceroni Umbriens,
die den Fresken eine große Bedeutung beimaßen,
Der Cicerone
Heft 23
jenem des Massenrhythmus. Durch ihre formale
Rhythmik gehören Reinigers Werke zum Aus-
druckvollsten, was die moderne Landschafts-
kunst hervorgebracht hat. B—m.
WIEN
Die Galerie Miethke hat soeben in dem Ober-
lichtsaal des Parterre interessante Kollektiv-
ausstellungen von Ferd. Hodler und Olaf
Gulbransson eröffnet.
DENKMALPFLEGE
CITTA di castello
Der schöne Palazzo Vitelli della Cannoniera
wird restauriert und soll später die vorläufig in
einem Schulgebäude aufgestellte städtische Pina-
kothek beherbergen.
LORO PICENO
Die älteste Kirche des Ortes, S. Maria, ein Bau,
dessen älteste Teile aus frühgotischer Zeit stam-
men, besitzt ein gotisch-lombardisches Portal aus
dem Anfang'des XIV. Jahrhunderts und in einer
der beiden ältesten Kapellen ein Fresko, das der
Conte Cupelli in der Rivista Marchigiana publi-
zierte und (wohl etwas kühn) dem Gentile da
Fabriano zuschrieb. Unter der Tünche befinden
sich noch andere Fresken, die jetzt freigelegt
werden sollen.
MONTERUBBIANO bei Ascoli Piceno
Drei Tafelbildchen des Vincenzo Pagani, die
Wunder des Rosenkranzes darstellend, im Be-
sitz des Kapitels der Collegiata und in der
Sakristei daselbst aufbewahrt, sind kürzlich auf
Veranlassung des italienischenKultusministeriums
durch den Maler Guglielmo Filippini aus Parma
restauriert worden. Ein großes Tafelbild des
Pagani, die Madonna mit dem segnenden Kinde
und vier Heiligen: S. Lorenzo, S. Rocco, S. Sofia
und S. Niccolö von Bari, dem Schutzpatron des
Ortes Mosesro, in welchem es einst den Haupt-
altar der Kirche S. Maria dell'Olmo schmückte,
ist ebenfalls durch Filippini restauriert. Es be-
findet sich jetzt in einem Saale des Palazzo
Mumcipale zu Monterubbiano. B—e.
PARIS
Die Abtei Solesmes sollte, wie auch hier
gemeldet wurde, im Juli d. J. verkauft werden.
Der Staat verlangte 1 Million Franks. Da sich
niemand meldete, reduzierte der Staat seine
Forderung auf eine halbe Million. Als sich
wiederum kein Käufer meldete, reduzierte der
Staat, seine Forderung auf eine Viertelmillion.
Inzwischen haben zahlreiche Künstler Protest
gegen diesen Verkauf erhoben und einen Auf-
ruf erlassen, in dem sie die Regierung ersuchen,
Solesmes als staatliches Künstlerheim zu ge-
stalten.
VERSAILLES
Nach Beendigung der Restauration des
Schlosses von Versailles soll auch die des Grand-
Trianon unter Leitung des Architekten Pierre de
Nolhac vollzogen werden. G.
ENTDECKUNGEN
EIN FRESKENZYKLUS
IN COLLEPEPE
In der italienischen Tagespresse ist während
der letzten Wochen mit einer gewissen Leiden-
schaftlichkeit die Frage der Datierung eines
Freskenzyklus diskutiert worden, auf den zuerst
Giulio Loccotelli die Aufmerksamkeit der Kunst-
forscher und des Ufficio Regionale gelenkt hatte.
In dem Ort Collepepe auf der Straße zwischen
Deruta und Todi schmückt diese Freskenfolge
die Wand eines ehemaligen Festsaales, der zu
einem Jagdhause der mächtigen Familie Baglioni
gehörte und heute als Kornmagazin dient.
Wegen der ikonographisch merkwürdigen Ver-
mischung biblischer und mythologischer Szenen
dürfen die technisch nur mittelmässigen Arbeiten
aus der Milte des fünfzehnten Jahrhunderts ein
gewisses Interesse beanspruchen. Der uns un-
bekannte Peruginer Künstler, der sie geschaffen
hat, folgt in der Schilderung der Schlacht zwischen
Theseus und dem Minotaurus und der Geschichte
der Judith und des Holofernes den Spuren Do-
menico Venezianos, der kurz zuvor in einem Palast
der Baglioni Fresken gemalt hat, von denen uns
Vasari berichtet, und des Piero della Francesca,
an dessen Schlacht des Maxentius in S. Fran-
cesco zu Arezzo die mit naivem Ungeschick
vorgetragene Kampfszene besonders deutlich
erinnert. Einige der gelehrten Ciceroni Umbriens,
die den Fresken eine große Bedeutung beimaßen,