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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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2. Heft
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Erasmus, Kurt: Ein Frühwerk von Frans Hals: (Eine Fälschung nach einem Dirck Hals)
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0066

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52

Der Cicerone

Heft 2

Frans Hals abzubilden, da ich bis jetzt die mir
von Herrn Kunsthändler F. Kleinberger in Paris
versprochene Photographie nicht erhalten habe.
In seinem Besitze befand sich das Bild vor nicht
allzu langer Zeit und bei ihm ist es von Braun
unter Nr. 89741 photographiert worden. Ich er-
wähne dies, um den Leser über den Weg zu
orientieren, auf dem er sich — hoffentlich mit
mehr Glück als ich — eine Photographie ver-
schaffen kann, falls er meine Auseinander-
setzungen überprüfen will.

Somit muß ich mich mit der Abbildung des
zum Beweise meiner Ansicht heranzuziehenden
vielfigurigen Gemäldes „Fete champetre“ von
Dirck Hals begnügen, das sich in der Gemälde-
sammlung des Louvre in Paris (Kat. 1902,
Nr. 2389) befindet. Es ist auf Holz gemalt,
bezeichnet und mißt 69 cm in der Höhe und
77 cm in der Breite.

Deckt man hier alles bis auf die in Betracht
kommende Stelle zu, die ich durch Linien be-
grenzt habe, so sieht man den angeblichen Frans
Hals vor sich, nur mit einigen Abänderungen
und in viel kleineren Dimensionen; denn jenes
auf Leinwand gemalte Bild' aus der ehemaligen
Sammlung Cocret in Paris ist 132 cm hoch
und 100,5 cm breit.

Gerade die an und für sich gar nicht allzu
großen Änderungen sind von schlagender Be-
weiskraft. Daher wollen wir uns diese etwas
näher ansehen und uns zunächst fragen, was
ist auf dem Frans Hals fortgelassen? Der Kopf
der alten Frau links neben dem rechten Manne,
die Geige, die dieser spielt, und das hohe halb-
gefüllte Weinglas des linken Mannes. Hinzu-
gefügt ist der Kopf eines halb lachenden halb
schreienden Mannes links in der Ecke. Und
drittens ist von dem auf beiden Bildern gemein-
sam Vorhandenen folgendes abgeändert: Der

Tisch und was sich auf ihm befindet haben ein
anderes Aussehen erhalten. Die weiße Decke
ist einer dunkelen Holzplatte gewichen. Die dar-
aufstehenden silbernen Schüsseln mit den feineren
Speisen sind ersetzt durch eine irdene Schüssel
mit Würsten, ein Stück Brot, neben dem ein
großes Messer liegt, einen Lichtenhainer Krug
mit geöffnetem Deckel, einen Dudelsack, ein
Kohlenbecken und Fidibusse. Dies alles ent-
spricht natürlich besser den Gewohnheiten des
Volkes als die silbernen Teller und weißen Ser-
vietten. Weiter ist beim rechten Manne die
linke Hand dicht an seine Rechte geschoben,
deren Finger stärker gekrümmt sind. Sein
Ellenbogen hat sich dem Kopfe der Frau stark
genähert. Diese lacht etwas ausgelassen. An
ihrem Kostüme sind die vier Schleifen am Aus-
schnitt und an der Taille dunkel geworden, der

Kragen kleiner, und vor allem sind die mit
breiten Spitzen besetzten Manschetten am oberen
Ende gerade abgeschnitten, trotzdem ist der
Spitzenstoff geblieben. (Sind solche Spitzen-
manschetten in der holländischen Kunst der da-
maligen Zeit irgend jemandem bekannt? Ich
zweifle daran!) Ihre linke Hand bildet eine
Faust. Der Kopf des Mannes links vom Mäd-
chen hat kleinere Proportionen angenommen
und schmiegt sich enger an den Mädchenkopf
an. Das sind die hauptsächlichsten Unterschei-
dungsmerkmale der beiden Gemälde.

Was mich nun zu meiner Behauptung, daß
wir es hier mit einer Fälschung nach jenem Dirck
Hals zu tun haben, veranlaßt, ist zunächst die
Fortlassung der Geige und des hohen Wein-
glases unter Beibehaltung derselben Gesten bis
zu dem Grade, daß sie erst durch jene Attribute
verständlich werden. In dem jetzigen Zustande
sind sie höchst nichtssagende Gebärden. Auch
glaube ich, ist die Geste der rechten Hand des
Mädchens unverständlich geworden. Auf dem
Dirck Hals scheint der Geiger ihm einen lustigen
Gassenhauer vorzuspielen, worüber die Dirne
sich freut, und worin sie der andere Mann durch
sein Zutrinken stören würde. Diese Störung
soll die etwas drohend erhobene rechte Hand
verhindern. Hinzukommen dann noch, worauf ich
bereits hinwies, die höchst eigenartigen gerade
abgeschnittenen Spitzenmanschetten und der
hinzugefügte Kopf links in der Ecke. Dies ist
kein Typus von Frans Hals, sondern von Adriaen
Brouwer und sicherlich auch kopiert aus einem
Bilde dieses Malers. Vielleicht war das Modell
für ihn der Kopf des schreienden Mannes auf
dem Brouwer, der 1906 auf der Rembrandt-Äus-
stellung bei Fred. Müller & Cie. in Amsterdam
war (Kat. Nr. 22) und sich jetzt in der Samm-
lung Adolphe Schloss in Paris befindet. (Eine
Abbildung befindet sich in dem kürzlich er-
schienenen Buche von F. Schmidt - Degener
„Adriaen Brouwer et son evolution artistique“.)
Diese Vermutung wird noch dadurch gestützt,
daß der Zeige- und der Mittelfinger der linken
Hand des Mannes die gleiche Stellung haben wie
auf dem angeblichen Frans Hals, und daß weiterhin
durch die Mütze ein hölzerner Löffel gesteckt ist,
der auf dem echten Brouwer allerdings eine
Tonpfeife ist. Aber gerade diese auf den ersten
Blick wohl kaum auffallende Abänderung kommt
meiner Ansicht zugute; denn was soll ein Löffel
am Hut. Die Pfeife jedoch wollte man jeder-
zeit zur Verfügung haben, und diese hatte, da
sie aus Ton gefertigt, also leicht zerbrechlich
war, dort einen ziemlich gesicherten Platz. Und
ziehen wir weitere Bilder von Adriaen Brouwer
zum Vergleich heran, der dieses Motiv sehr
 
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