Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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100
Der Cicerone
Heft 3
erster Stelle genannt, außerdem etwa noch
Lienert, Ihly und der Zürcher Leuenberger sowie
die älteren Meister Älbert Gos und Ärthur Herzog,
die mit einwandfreien Leistungen vertreten waren.
Dann kam jedoch manches Mittelmäßige, Un-
bedeutende und Unselbständige und schließlich
eine betrübende Menge von direkt Schlechtem,
was den Gesamteindruck der Ausstellung derart
beeinflußte, daß sie eher das Gegenteil als den
Beweis einer Berechtigung dieser Sezession er-
brachte. Der Bundesrat kaufte anläßlich der
Ausstellung je ein Bild von Frank Behrens („Dorf-
brunnen“) und Ernst Hodel („Laufenburg“).
C. H. B.
8
MÜNCHEN -
Ein Verschollener der Scholle tauchte letzt-
hin wieder in der „Modernen Kunsthandlung“
auf: Walter Georgi. Und das Wiedersehen
wurde wieder einmal zum eigentlichen Abschied.
Mit fast anachronistischen Gefühlen sahen wir
die Schöpfungen wieder, denen er seinen Namen
verdankt, „Mittagstunde“ u. a. Was gut an
ihnen ist, ihr poetischer Stimmungsgehalt, ist
restlos in die schönen Kunstblätter überge-
gangen, die sich so reicher Verbreitung er-
freuen. Sie haben das Original beinahe über-
flüssig gemacht, und das besagt alles. Die
neueren Porträts, die Georgi neben diesen frühen
Arbeiten ausstellt, sind tüchtige Leistungen von
lebendigem Ausdruck, aber ohne eigentliche
künstlerische Überzeugungskraft.
Eine Exter-Ausstellung im Kunstverein
rief ähnliche Empfindungen wach. Sie bot das
Bild eines Mannes, der stark anfing, als mo-
derner Neuerer verschrieen und dann bald von
der Entwicklung überholt wurde und der nun
mit schwachen Durchschnittsarbeiten den An-
schluß an eine ihm innerlich fremde Entwicklung
zu finden sucht. Die Bilder des eigentlichen
Exter mit ihrem erstaunlichen zeichnerischen
Können und der Kraft ihres visionären Aus-
drucks sind uns trotz der Unzulänglichkeit ihrer
Farbengebung lieber als der unpersönliche Im-
pressionismus der jüngsten Arbeiten.
Die Kunsthandlung Zimmermann bereitet
eine französische Ausstellung vor (Empire und
Romantik), die viel verspricht und auf die wir
ausführlich zurückkommen werden. W.
S
PARIS -
Im Musee des Ärts Decoratifs wurde eine
umfangreiche Äusstellun g japanischer Farbenholz-
schnitte eröffnet, die aus den ersten Pariser
Privatsammlungen zusammengebracht, einen sehr
interessanten Überblick über die Entwicklung des
japanischen Farbenholzschnittes bis um die Mitte
des XVIII. Jahrhunderts gibt. Diese Ausstellung
war um so dankenswerter als das breitere sich
für japanische Kunst interessierende Publikum
in der Regel über Utamaro und den Meistern
der Verfallzeit die Schöpfungen der primitiven
Epoche nicht genügend beachtet.
BeiDruet findeteineÄusstellung von Gemälden
Paul Serusiers statt, der von Gauguin ausgehend
zu einem synthetischen Stil gekommen ist, der sich
durch seine feine Farbenkultur auszeichnet, in der
Durcharbeitung der Form jedoch, manches zu
wünschen übrig läßt. Von seinen trefflichsten
Werken, den bretonischen Landschaften aus Le
Faou ist nur wenig zu sehen, seine dekorativen
Panneaux lassen bedauern, daß Serusier nie Ge-
legenheit hatte, Entwürfe für Wandteppiche aus-
zuführen, er würde auf diesem Gebiete jeden-
falls hervorragendes leisten.
8
STUTTGART =-.--
Kgl. Museum der bildenden Künste.
Im Festsaale des Museums veranstaltet der
Galerieverein eine bis zum Februar währende
Ausstellung der Werke Friedrich Kellers, wozu
auch auswärtige Sammlungen ihre Bestände
hergeliehen haben. Die Ausstellung ermöglicht
zum erstenmal einen guten Überblick über das
Schaffen dieses lange nicht nadi Gebühr ge-
würdigten, nunmehr fast siebzigjährigen Künst-
lers. Keller sucht sein Stoffgebiet zum Teil in
der Bibel, vor allem aber im Leben des mo-
dernen Arbeiters. Was er zumal als Realist
geschaffen hat, geht weit über die verwandten
Arbeiten Menzels und Meuniers hinaus. Seine
Eisenhämmer und Hochöfen mögen an Peinlich-
keit der Durchführung hinter Menzel Zurück-
bleiben, an Wucht der Komposition, an Größe
der Auffassung überragen sie ihn. Diese Wucht
und dieser Schwung sind allen Werken Kellers
eigen. Seine Bilder sind nicht bloß Impressionen,
Studien, sondern reife Gestaltungen. Es ist
gleich bezeichnend für die Bescheidenheit des
Künstlers wie für die Unselbständigkeit des
modernen Publikums, daß dieser bedeutende
Mann bisher noch nie die ihm gebührende
Würdigung erfahren hat und daß seine großen
Der Cicerone
Heft 3
erster Stelle genannt, außerdem etwa noch
Lienert, Ihly und der Zürcher Leuenberger sowie
die älteren Meister Älbert Gos und Ärthur Herzog,
die mit einwandfreien Leistungen vertreten waren.
Dann kam jedoch manches Mittelmäßige, Un-
bedeutende und Unselbständige und schließlich
eine betrübende Menge von direkt Schlechtem,
was den Gesamteindruck der Ausstellung derart
beeinflußte, daß sie eher das Gegenteil als den
Beweis einer Berechtigung dieser Sezession er-
brachte. Der Bundesrat kaufte anläßlich der
Ausstellung je ein Bild von Frank Behrens („Dorf-
brunnen“) und Ernst Hodel („Laufenburg“).
C. H. B.
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MÜNCHEN -
Ein Verschollener der Scholle tauchte letzt-
hin wieder in der „Modernen Kunsthandlung“
auf: Walter Georgi. Und das Wiedersehen
wurde wieder einmal zum eigentlichen Abschied.
Mit fast anachronistischen Gefühlen sahen wir
die Schöpfungen wieder, denen er seinen Namen
verdankt, „Mittagstunde“ u. a. Was gut an
ihnen ist, ihr poetischer Stimmungsgehalt, ist
restlos in die schönen Kunstblätter überge-
gangen, die sich so reicher Verbreitung er-
freuen. Sie haben das Original beinahe über-
flüssig gemacht, und das besagt alles. Die
neueren Porträts, die Georgi neben diesen frühen
Arbeiten ausstellt, sind tüchtige Leistungen von
lebendigem Ausdruck, aber ohne eigentliche
künstlerische Überzeugungskraft.
Eine Exter-Ausstellung im Kunstverein
rief ähnliche Empfindungen wach. Sie bot das
Bild eines Mannes, der stark anfing, als mo-
derner Neuerer verschrieen und dann bald von
der Entwicklung überholt wurde und der nun
mit schwachen Durchschnittsarbeiten den An-
schluß an eine ihm innerlich fremde Entwicklung
zu finden sucht. Die Bilder des eigentlichen
Exter mit ihrem erstaunlichen zeichnerischen
Können und der Kraft ihres visionären Aus-
drucks sind uns trotz der Unzulänglichkeit ihrer
Farbengebung lieber als der unpersönliche Im-
pressionismus der jüngsten Arbeiten.
Die Kunsthandlung Zimmermann bereitet
eine französische Ausstellung vor (Empire und
Romantik), die viel verspricht und auf die wir
ausführlich zurückkommen werden. W.
S
PARIS -
Im Musee des Ärts Decoratifs wurde eine
umfangreiche Äusstellun g japanischer Farbenholz-
schnitte eröffnet, die aus den ersten Pariser
Privatsammlungen zusammengebracht, einen sehr
interessanten Überblick über die Entwicklung des
japanischen Farbenholzschnittes bis um die Mitte
des XVIII. Jahrhunderts gibt. Diese Ausstellung
war um so dankenswerter als das breitere sich
für japanische Kunst interessierende Publikum
in der Regel über Utamaro und den Meistern
der Verfallzeit die Schöpfungen der primitiven
Epoche nicht genügend beachtet.
BeiDruet findeteineÄusstellung von Gemälden
Paul Serusiers statt, der von Gauguin ausgehend
zu einem synthetischen Stil gekommen ist, der sich
durch seine feine Farbenkultur auszeichnet, in der
Durcharbeitung der Form jedoch, manches zu
wünschen übrig läßt. Von seinen trefflichsten
Werken, den bretonischen Landschaften aus Le
Faou ist nur wenig zu sehen, seine dekorativen
Panneaux lassen bedauern, daß Serusier nie Ge-
legenheit hatte, Entwürfe für Wandteppiche aus-
zuführen, er würde auf diesem Gebiete jeden-
falls hervorragendes leisten.
8
STUTTGART =-.--
Kgl. Museum der bildenden Künste.
Im Festsaale des Museums veranstaltet der
Galerieverein eine bis zum Februar währende
Ausstellung der Werke Friedrich Kellers, wozu
auch auswärtige Sammlungen ihre Bestände
hergeliehen haben. Die Ausstellung ermöglicht
zum erstenmal einen guten Überblick über das
Schaffen dieses lange nicht nadi Gebühr ge-
würdigten, nunmehr fast siebzigjährigen Künst-
lers. Keller sucht sein Stoffgebiet zum Teil in
der Bibel, vor allem aber im Leben des mo-
dernen Arbeiters. Was er zumal als Realist
geschaffen hat, geht weit über die verwandten
Arbeiten Menzels und Meuniers hinaus. Seine
Eisenhämmer und Hochöfen mögen an Peinlich-
keit der Durchführung hinter Menzel Zurück-
bleiben, an Wucht der Komposition, an Größe
der Auffassung überragen sie ihn. Diese Wucht
und dieser Schwung sind allen Werken Kellers
eigen. Seine Bilder sind nicht bloß Impressionen,
Studien, sondern reife Gestaltungen. Es ist
gleich bezeichnend für die Bescheidenheit des
Künstlers wie für die Unselbständigkeit des
modernen Publikums, daß dieser bedeutende
Mann bisher noch nie die ihm gebührende
Würdigung erfahren hat und daß seine großen