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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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4. Heft
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Aubert, Andreas: Über Norwegische Bauernkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0134

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120

Der Cicerone

Heft 4

Ursachen, die den Verlust unserer Selbständigkeit herbeiführten, legten doch gleich-
zeitig den Grund für eine neue nationale Erhebung. An Stelle des Adels trat der
Bauernstand mit seiner sicheren, zähen, im Heimatboden wurzelnden Kraft.

Die Einführung der erblichen Selbstherrschaft Dänemark-Norwegens im Jahre
1660 änderte in Wirklichkeit nichts am treuen Verhältnis des norwegischen Volkes zu
seinem König. Durch den Verkauf der Kronen-, Adels- und Kirchengüter wuchs die
Zahl der freien Besitzer. Es scheint schon um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts in
Norwegen fast doppelt so viele 'freie Erbbauern gegeben zu haben als Pachtbauern.
Diese hielten fest an ererbtem Brauch und alter Sitte, an Gesetz und erworbenem
Recht. Stets waren sie wachsam vor Übergriffen von seiten der Beamten des Königs,
vor neuen Gesetzen, Steuern und Abgaben. Zum König aber, der mit demselben
Erbrecht, wie der Bauer seinen Grund, das norwegische Reich regierte, hatten sie
unbedingtes Vertrauen.

In Holbergs „Beschreibung von Dänemark und Norwegen“ vom Jahre 1729
lesen wir: „Die Norweger sind sonderlich geschickt in Künsten und Handwerken;
denn wenn diese auch niemals so recht in Norwegen blühten, so haben die Ein-
wohner doch stets nicht nur große Anlagen, sondern auch Lust und Neigung dazu
gezeigt, und zeigen sie heute noch. Es gibt kaum einen Bauern in Norwegen, der
nicht außer seiner notwendigen Arbeit noch etwas Zierrat verfertigte. Das Bewunde-
rungswürdigste ist, daß sie alles aus sich selbst heraus schaffen, obgleich sie es weder
gelernt, noch ein Vorbild gesehen haben. Es ist kein Zweifel, daß viele von ihnen,
wenn sie zu großen Meistern kämen, Arbeiten ausführen würden, die sogar Franzosen
und Italiener in Staunen setzen würden.“

Für Holberg ist die norwegische Bauernkunst ein wildes Gewächs, weit mehr
als sie es in Wirklichkeit war. „Aus sich selbst heraus, obgleich sie es weder gelernt,
noch ein Vorbild gesehen haben,“ — diese Worte geben nicht den richtigen Begriff,
es sei denn, daß sie die freie und überlegene Selbständigkeit des einzelnen über sein
Werkzeug, seinen Stoff und seine Kunst kennzeichnen sollen. Die norwegischen
Bauern besaßen ja die Überlieferung ihres Landes und ihres Tales, die ererbte Kunst
und Geschicklichkeit von der Zeit des Bronzealters an, von der Völkerwanderung und
von den Wikingerzügen her. Und jedes neue Geschlecht empfing neue Eindrücke von
der neuen Zeit, hauptsächlich durch die Vermittlung der künstlerischen Kultur der Städte.

Unser Wissen darüber, was die Städte und die städtische Kultur für das
nationale Kunstleben bedeuteten, ist erst sehr jungen Datums; es ist nicht mehr als etwa
15 Jahre alt. Fand man früher eine hervorragende Silberarbeit oder eine besondere kunstvoll
ausgeführte Holzschnitzerei, eine Altartafel, eine Kanzel, oder Ähnliches, das sich nicht
als Bauernkunst nachweisen ließ, so nahm man ohne weiteres an, daß es ausländische
Arbeit sei. Noch im Jahre 1891 macht Ludvig Daa, Professor der Geschichte an der Uni-
versität Kristiania, in seinem Werk über „Das alte Kristiania 1624—1814“ in bezug
auf einige Wanddekorationen etwa ans dem Jahr 1760 aus einem Patrizierhause Kristianas
von Niels Tönning, der zu dieser Zeit in Kristiania ansässig war, folgende Bemerkung:
„Wenn man einige eingeborene Autodidakten ausnimmt, wovon die besten (wie Magnus
Berg, der bekannte Elfenbeinschnitzer, und der in Kristiania selbst geborene Medailleur
 
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