Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

DOI Heft:
4. Heft
DOI Artikel:
Bode, Wilhelm von: Ein Frühwerk von Frans Hals
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0143

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein Frühwerk von Frans Hals

führt uns Kurt Erasmus im 2. Heft des Cicerone
vor, das er als „eine Fälschung nach einem
Dirck Hals“ bezeichnet. Hat Herr Erasmus hier
einen Nachtrag zum „Lob der Narrheit“ liefern
wollen? Um den Leser zu überzeugen, gibt
er neben der Nachbildung des Bildes von Dirck
Hals im Louvre nicht etwa die des angeblichen
Frans Hals wieder, sondern — einen Ausschnitt
aus jenem Bilde des Dirck, nach dem das
große Bild, das aus der Sammlung Cocret im
vorigen Jahre durch Fr.Kleinberger nach Amerika
verkauft wurde, eine moderne Fälschung sein
soll! Mußte denn K. Erasmus seine Entdeckung
sofort ausposaunen? Hatte er nicht Zeit, sich
die schöne große Photographie von Braun zu
verschaffen, obgleich er uns sogar die Nummer
des Braunschen Katalogs verrät, unter der sie
verkauft wird? Die inneren Gründe seiner Ent-
deckung müssen wohl sehr überzeugende sein,
daß er es ohne die Abbildung versuchte. Hören
wir Erasmus! Er hat also herausgefunden, daß
das große Bild der früheren Sammlung Cocret
fast genau übereinstimmt mit dem Mittelstück
des kleinen, vielfigurigen Bildes von Dirck
Hals im Louvre. Das ist richtig; auch andere
Figuren von Frans sind von dessen jüngerem
Bruder in seine Bilder aufgenommen worden;
also hat dieser geistesarme Epigone auch hier
— so schloß bisher jeder, der die beiden Bilder
kannte — eine populäre Komposition seines
Bruders für sich verwertet. Erasmus urteilt
anders, denn die Veränderungen in den Figuren
beweisen „schlagend“, daß der sogen. Frans
Hals eine Fälschung sein muß. Und die Gründe
dafür? „Die Fortlassung der Geige (bei dem
jungen Burschen rechts) und des Weinglases (in
der Hand des Alten), vor allem aber die höchst
eigenartigen, gerade abgeschnittenen Spitzen-
manschetten (der jungen Dame) und der hinzu-
gefügte Kopf links in der Ecke.“ Dadurch sollen
die Gebärden der Figuren nichtssagend geworden
sein. „Und was soll der Löffel am Hut dieser
Figur?“ „Diese rein gegenständlichen Merkmale
sollen — so urteilt Erasmus — allein schon die
Fälschung unumstößlich sicher machen.“ Ich
muß zu meinem Bedauern behaupten, daß ge-
rade diese „gegenständlichen Merkmale“ für
den, der die Werke von Frans Hals und
seinem Kreise nur einigermaßen im Kopfe hat,
den „unumstößlichen Beweis“ für die Echt-
heit des Cocretschen Bildes und für die un-
verstandene Benutzung desselben durch Dirck
Hals ergeben. Wer das „lustige Trio“ kennt,

von dem ja eine gute alte Kopie (vielleicht ge-
rade von Dirck Hals) in der Berliner Galerie
hängt, wer den „Junker Ramp und seine Liebste“,
wer ähnliche Motive von H. Pot, J. Steen u. a.
kennt und von dem Treiben der holländischen
Jugend in jener Zeit Kenntnis hat, weiß, daß
diese Motive aus den in den Niederlanden im
XVI. und XVII. Jahrhundert so beliebten Dar-
stellungen des verlorenen Sohnes entstanden
sind und schließlich ganz ungeschminkte Bordell-
szenen wurden. Nichts anderes ist auch die
Darstellung im Cocretschen Bilde, und als solche
ist sie darin sehr viel verständlicher wie in der
Kopie des Dirck Hals, der das von seinem
Bruder gestohlene Stück in seinem vornehmen
Gartenfest nur mit sehr mäßigem Geschick
untergebracht und dafür seine Verschlecht-
besserungen gemacht hat. Im Bilde des Frans
Hals macht der alte weingerötete Galan, der
sich an die junge Dirne, mit der er zecht, eng
an&chmiegt, einen unflätigen Scherz, über den
das Mädchen einem der beiden Burschen
hinter ihr zulacht: einem Musiker, der bei
solchem Schmaus nicht fehlen durfte, und dem
aufwartenden Koch (daher der Löffel in der
Mütze), die durch derbe Mimik, der eine mit
seiner Flöte, der ändere mit der Faust den
Scherz kommentieren. Nichts ist in diesem
Bilde unzeitgemäß (selbst die Herrn Erasmus
störend „gerade abgeschnittenen“ Manschetten
nicht!) und alles nur zu verständlich. Daß
einzelnes Detail nachlässig und selbst schlecht
gezeichnet ist, finden wir bei diesen flüch-
tigen frühen Improvisationen des Frans Hals
fast regelmäßig. Wie sicher ist aber das
Ganze hingeworfen, wie prachtvoll gemalt und
wie fein in den hellen lichten Farben ge-
tönt! Herr Erasmus soll uns doch einmal einen
Fälscher zeigen, der das kann! Und wie frisch
und leuchtend hat sich das Email der Farben
erhalten, die bei allen Fälschungen mit der Zeit
trübe werden und mit Rissen und Sprüngen
überdeckt sind! Wie trefflich sind auch ge-
rade die Teile, die hier ganz verschieden sind
vom Bilde'des Dirck Hals, z. B. das Frühstück
auf dem Tisch, in dem auch das kleinste Detail
ganz im Charakter der Zeit ist, oder der Koch,
eine famose, echt Halssche Gestalt, die aber
nicht aus Brouwer kopiert ist, wie Herr Erasmus
meint, sondern an der Brouwer gelernt hat.

Und wie denkt sich denn der Herr die Ent-
stehung dieser „Fälschung“? Das Cocretsche
Bild war schon im Anfang der siebziger Jahre

10
 
Annotationen