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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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4. Heft
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Ausstellungen
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132

Der Cicerone

Heft 4

MÜNCHENER AUSSTELLUNGEN

Im kleinen intimen Oberlichtsaal der Kunst-
handlung Zimmermann gibts diesmal deli-
kate Genüsse. Unter der Devise „Empire und
Romantik“ ist hier mit viel Geschmack und Ver-
ständnis eine anspruchslose, aber äußerst reiz-
volle Kollektion französischer Meister zusam-
mengebracht. Keine großen repräsentativen
Stücke, die galeriereif sind, mehr intime, pikante
Schöpfungen, wie sie der Hmateur liebt. Die
meisten Bilder stammen denn auch aus fran-
zösischem Privatbesitz. Äckermann, Blot, der
Herzog von Ravese (Duc de Rohan) u. a. liehen
ihre Bilder her.

Das Empire ist allerdings gegenüber der
Romantik etwas zu kurz gekommen. Die paar
Arbeiten geben gleichsam nur den Auftakt für
die Romantik, genügen aber, um an die histo-
rische Situation zu erinnern. Von David sieht
man neben dem entzückenden Dauphinporträt,
das mit seinen aparten kühlen Tönen und sei-
nen feinen Valeurs so ganz besonders in der
Erinnerung haftet, noch die kleine Zeichnung
mit dem Porträt der Madame Recamier.
Proud’hon ist mit einem Ephebenkopf von
luinesker Zartheit, Ingres etwas karg mit zwei
nicht sehr bezeichnenden Frauenköpfen ver-
treten.

Dann sind wir schon gleich in der Romantik
und bei dem Schwerpunkt der Ausstellung: bei
Gericault, von dessen Erscheinung neun Bilder
von teilweise erster Qualität einen guten Aus-
schnitt geben. Das Hauptstück „Der Narr“
(Monomaine du commandement militaire) aus
der bekannten Serie der sechs Irrenstudien, so-
wie einige andere Stücke sind von der Berliner
Gericault-Äusstellung 1907 noch in Erinnerung,
neu sind der aus der Vente Laurent stammende
Tamerlan (Napoleons Hengst), dann ein Karren-
gaulbild von van Goghscher Visionskraft und
eine feine merkwürdige Montmartre-Landschaft.
Auch von den Delacroix der Kollektion sind
einige schon von der Berliner Ausstellung her
bekannt, so „Der barmherzige Samariter“ aus
dem Jahre 1850 und die beiden köstlichen, zarten,
marokkanischen Skizzen. Neu sind aber die
drei prächtigen, auf Zelttuch gemalten Pferde-
köpfe und die Äriost-Szene „Marphise“. Dem
Außenstehenden werden diese wenigen Beispiele
aus dem ungeheuren Oeuvre des Meisters nicht
viel sagen, dem Kenner aber genügend sein,
um die Erscheinung Delacroix’ in ihrer ganzen
Breite zu rekonstruieren.

Eine besondere Freude der Ausstellung sind
die drei Coutures, ein prachtvoller, mit hin-
reißender Verve hingemalter männlicher Akt,

der aus der Vente Cheremeteff stammt, eine
pikante Studie zur „Decadence des Romains“
und die aus der Sammlung Cheramy bekannte
Porträtskizze der Prinzessin Mathilde Bonaparte,
die für das nie ausgeführte große Bild „Bap-
teme du prince imperial“ bestimmt war. —
Vom janusköpfigen Chasseriau gibts einige Äp-
petitbrocken. Man weiß, daß die meisten sei-
ner Werke im Besitz seines Neffen und in an-
derem Privatbesitz versteckt sind, und freut sich
darum dieses wenigen. In der „Haremsdame“
lernt man den orientalischen, malerischen Chas-
seriau kennen, im „schlafenden Jüngling“ aber
rauschen die Orgeltöne einer Rhythmik, die an
Feuerbach gemahnt.

Mit einer größeren Kollektion ist noch Dau-
mier vertreten, und zwar qualitativ gut. Es
seien nur der kostbare, aus Klossowskis Dau-
mierbuch in der Illustration bekannte Entwurf
zu „Der Müller, sein Sohn und der Esel“ (das
Hauptbild ist verschollen) und die geistreiche
Szene „Im Waggon III. Kl.“ genannt.

Sonst sind noch Millet, Corot (zwei deli-
kate Stücke), Diaz, Dore, Charles Jacques, Jong-
kind, Regnault, Tassaert, Gill, Courbet und van
Gogh (Blumenstücke der Frühzeit) mit einzelnen
Werken interessant vertreten.

Besonders hingewiesen sei auf das Frühbild
Millets, das lebensgroße Porträt der Madame
Valmont, das den ganzen Saal beherrscht und
das trotz seiner noch etwas konventionellen
Befangenheit doch durch die diskrete Feinheit
der Charakteristik und durch den vornehmen
ruhigen Vortrag einen ungemein starken Ein-
druck hinterläßt. Ein interessantes Gegenstück
ist ein anderes überlebensgroßes Porträt: Andre
Gills Porträt des Schriftstellers Janin, das durch
ganz andere Mittel wirkt, nämlich durch eine
verblüffende Lebendigkeit und einen geradezu
unerhörten Schmiß des Vortrags. Ein Bild, das
man nie mehr vergißt.

Zum Schluß seien noch die guten Courbets
der Kollektion erwähnt, vor allem das ein-
drucksvolle Porträt des Maire von Brüssel und
„Die Spinnerin“ aus der Vente Gerard, die zwar
in ihrer Farbenfreudigkeit etwas unvermittelt
bunt anmutet, aber durch die weiche, flächige,
leibi-artige Modellierung des Gesichtes lebhaftes
Interesse erregt.

In der Modernen Kunsthandlung haben
die Graphiker das Wort. Den größten Raum
beansprucht Willi Geiger, der hier sein ganzes
graphisches Oeuvre vereinigt hat. Bei allen Ein-
wendungen steht man doch wieder verbüfft vor
der imposanten Kraftäußerung des nun Dreißig-
jährigen, dessen Temperament, das erst etwas
literarisch fragwürdig erschien, sich in einem
 
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