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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0178

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164

Der Cicerone

Heft 5

in den italienischen Räumen ist nach ähnlichen
Prinzipien verändert worden. Fast durchge-
hends hat man die Säle durch Weißung der
Decken und Bespannung der Wände mit hellem
Rupfen aufgelichtet.

Die Nachbildungen sind jetzt von den Ori-
ginalwerken getrennt und in zwei besonderen
Räumen vereinigt worden. Ebenso ist den
früher in verschiedenen Äbteilungen verstreuten
Erzeugnissen des modernen Kunstgewerbes ein
eigener Saal eingeräumt worden.

Von den Sälen des oberen Stockes sind die
beidseitig an den Majolikaraum stoßenden neu-
geordnet und enthalten jetzt in methodischer
Anordnung das türkische* arabische und persische
Kunstgewerbe, insbesondere Majoliken und
Teppiche. Die Äbteilung der älteren Fliesen
ward um ein interessantes Stück bereichert,
eine „Anbetung des Kindes“ aus der Nachfolge
des jüngeren Holbein. Eine Umordnung der
Porzellansammlung steht bevor.

In den ehemaligen Bibliotheksräumen des
Erdgeschosses wird in kurzem die japanische
Sammlung des Consuls Mosle aus Leipzig
öffentlich ausgestellt werden. Wir kommen auf
diese Ausstellung, die mit ungewöhnlichem Ge-
schmack und weitgehender Anpassung an den
Stil japanischer Wohnräume durch Herrn Mosle
angeordnet wird, s. Z. ausführlicher zurück.

H. V.
S

BUDAPEST -

Museum der bildenden Künste. Es
wird wohl alle Freunde der modernen deutschen
Kunst interessieren, daß Uhdes „Verkündigung
an die Hirten“ seinen ständigen Platz in der
größten öffentlichen Galerie Ungarns gefunden
hat. Das 1892 gemalte Bild, das zuerst in
München und später auch auf der Weltausstellung
von Chicago ausgestellt war, gelangte seinerzeit
nach Nagyvärad, in den Besitz des Bischofs
Paul v. Szmrecsänyi. Der im August des Jahres
1908 gestorbene Kirchenfürst vermachte es dem
ungarischen Staate und auf diese Weise kam
das in großen Dimensionen geschaffene Ölbild,
eines der Hauptwerke des Meisters in die mo-
derne Galerie des Museums der Bildenden
Künste. T.

s

FRANKFURT a. M. - --

Die Tiepolo-Ausstellung im Städel-
schen Kunstinstitut. Um anläßlich der Neu-
erwerbung des Städelschen Kunstinstituts ver-
suchsweise einen Begriff von dem Schaffen

Giovanni Battista Tiepolos zu geben, ist in den
Ausstellungsräumen des Instituts eine Tiepolo-
Äusstellung unternommen worden.

Neben Photographien nach den hervor-
ragendsten Malereien des Meisters und neben
Radierungen seines Sohnes Domenico stehen
die eigenhändig radierten Schöpfungen Giam-
battistas und eine Sammlung von zirka 50 seiner
Handzeichnungen im Vordergrund des Interesses;
der Gesamtbestand wurde durch die Schätze
eines Privatsammlers aufs glücklichste ergänzt.

Ungefähr 40—50 Blatt werden dem Graphi-
ker Tiepolo zugeschrieben; aus dieser kleinen
Anzahl scheint den „scherzi di fantasia“ die
Hauptbedeutung zuzukommen. In dem von
dem Meister selbst gewählten Titel mag man
am besten das Entscheidende für den Inhalt
der Darstellungen finden; denn nicht mehr als
Einfälle und Motive einer leicht reizbaren und
reichen Einbildungskraft gelangen zum Ausdruck.
Immer wieder findet sie neue Möglichkeiten
der völlig ungezwungen scheinenden Gruppen-
bildung. Alles scheint frei geworden, was im
Cinquecento und seiner Kunst so oft als Ab-
sicht erkennbar ist und uns leicht verstimmen
könnte, wenn wir außerhalb des historischen
Maßstabes werten wollten. Eine große Tra-
dition feiert hier ihre letzten sicheren Triumphe.

Auch technisch sind die scherzi Perlen der
Radierkunst. Der von dem Künstler bevorzugte
undulierende Strich, das möglichste Vermeiden
von gekreuzten Lagen, und die häufigen aus-
gesparten weißen Flächen geben den Blättern
ihre Kraft und ihr strahlendes Licht. Hier
steht Tiepolo im Kontrast zu Rembrandt, bei
dem alles sich erst aus Dunkelheiten zum Licht
entwirrt.

In der Ausstellung der Handzeichnungen
wird es dem Beschauer vergönnt, sich noch
intimer der Künstlerpersönlichkeit zu nähern.
Zwei Techniken scheint Tiepolo zu bevorzugen.
Bei größeren Kompositionen ist es die mit
Bister leicht verwaschene Federzeichnung, die
dominiert und bei der einzelnen Studie Rötel
oder schwarze Kreide weiß gehöht auf blauem
Papier.

In den Entwürfen zu Ältarblättern oder
Dekorationen frappiert die große Sicherheit,
mit der der Aufbau klassisch konzentriert ist
und doch in den hingeworfenen Massen klar
wirkt. Selbst eine trockene Allegorie wie „die
Zeit raubt die Jugend“ wird durch die gewal-
tige Kraft, in Formen zu gestalten, genießbar.
Die Detailstudien von Köpfen und Händen zei-
gen Tiepolo in seinem zeichnerischen Fleiß und
im Besitz einer erstaunlichen zeichnerischen
Begabung. E. Ä. B.
 
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