Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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5. Heft
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Institute und Vereine
171
Stecher aus der Schule Marcantons nach der
Zeichnung des Kindermordes von Baccio Bandi-
nelli. Mit Raphaels Namen werden im ganzen
130 Abzüge verschiedener Zeichnungen auf-
geführt, doch ist bei keinem Blatt die Darstellung
näher bezeichnet. Äm meisten Interesse bean-
spruchen die] „forme“ aus Holz, Kupfer, Messing
und Zinn; die Verwendung der beiden letzten
Materialien für die Platten ist besonders be-
achtenswert, ebenso die Tatsache, daß sowohl
Holzstöcke als Metallplatten mehrfach auf beiden
Seiten benutzt werden. Von den Kupfer- und
sonstigen Metallplatten hat der Vortragende nun
eine ganze Reihe mit noch existierenden meist
mit dem Stechernamen des Baccio Baldini ge-
tauften Stichen in Verbindung bringen können,
und zwar sind diese letzteren in den Publi-
kationen der Internationalen Chalkographischen
Gesellschaft reproduziert. Ein Beispiel der dop-
pelten Verwertung der Platte ist „1 Giudizio di
un foglio reale e ’l Monte di pietä“, identisch
mit den Stichen Chalk. Ges. 1890, Nr. 6 u. 7).
Ferner werden folgende Tafeln der genannten
Publikation erkannt: Chalk. Ges. 1890, 5 — di-
luvio (foglio reale); 1889, 5 — storie di Moise;
1889, 8 — tempio di Salomone (Rückseite vom
Diluvio); 1886 und 1891 — sibilie e profeti;
1887, 5 — Ängelo Raffaello di stagno (das Blatt
ist also von einer Zinnplatte gedruckt); 1886 —
tempio di Pilado (2 fogli reali); 1890, 6 —
giudizio finale; 1889, 3 — San Paolo; 1892, 4 —
S. Georgio; 1889, 4 — Fregio.
Die Namen von Stechern und Zeichnern er-
geben sich aus dem Inventar leider nicht. Immer-
hin ist jetzt, wo man durch die Feststellung des
Verlages erfahren hat, in welcher Richtung
dokumentarische Forschungen sich zu bewegen
haben, die Möglichkeit gegeben mit Aussicht
auf Erfolg, die Archive um jene Künstlernamen
zu befragen. Ä. G.
s
MÜNCHEN- --
Kunstwissenschaftliche Gesellschaft,
ln der Sitzung vom 11. Januar sprach Herr
Arndt unter Vorlage einer Terrakotte, die einen
sitzenden Äffen darstellt, und einer Vase über
Fälschungen von Antiken. Die Terrakotte ge-
hört zu einer Gruppe sehr geschickt ausgeführter
Figuren, denen der Fälscher mehrfach die Künst-
lersignatur Polon eingeritzt hat. Die Vase ist
nach der Publikation von Micali, Antichi monu-
menti Taf. 98. 2 und 3 angefertigt. — Herr
Bassermann-Jordan äußerte sich über einen kürz-
lich aufgedeckten Türsturz in Rüssingen in der
Rheinpfalz. Die dargestellten Tiere: Taube,
Pfau, Eidechse und Embleme sind nach dem
Phgsiologus zu interpretieren als Symbole der
verschiedenen Zustände der christlichen Seele.
Im Zusammenhalt mit dem Portal zu Remagen
bei Bonn und dem Portal auf Burg Tirol dürfte
der in künstlerisch primitivem, sehr flachem Re-
lief gehaltene Stein der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts angehören. — Herr F. Burger
zeigte an einer Reihe von Originalzeichnungen
und von Aufnahmen fertiger Bauten, von Villen
der Terra ferma, daß Palladio sich in seiner
Publikation nicht an die ausgeführten Bauten
hielt. Die Entwicklung seines Villentyps geht
von dem spätmittelalterlichen Kastelle aus und
steht unter dem Einfluß der Thermen des Cara-
calla in Rom, der antiken Villa in Präneste und
dem Hausschema desVitruv. An der berühmten
Rotonde dürfte sich ursprünglich eine Terrasse
an Stelle des jetzigen zweiten Geschosses be-
funden haben. — Herr G. Habich wies auf den
von italienischer Renaissance noch unberührten
Charakter zweier französischer Medaillen von
1499 und 1518 hin, die übrigens von Lyoner
Holzbildhauern entworfen sind. Unter anderem
ist eine mit H. S. bezeichnete Medaille von 1522
durch das Porträt Dürers interessant. Im k.
Münzkabinett sind neuerdings eine Reihe echter
und sehr schöner Plaketten Peter Flötners auf-
gefunden worden. Eine im Handel befindliche
spätgotische Holzfigur aus der Gegend von
Peissenberg stellt sich an die Seite des Altars
von Untermenzing. Der Referent vermutet hier
die Tätigkeit eines schwäbischen Meisters für
den Münchner Herzog Sigmund. — Interessant
war auch eine aus dem Peloponnes stammende
archaische Bronze durch den quer über den
Helm laufenden Kamm bezw. Busch. — Herr
Weiß legte eine Notariatsurkunde vor über den
Streit, den der Pfarrer von Bacharach Wynand
Ort von Steg wegen der Zollfreiheit seines
Weines mit der Stadt Köln hatte. Das Libell
enthält die sehr charakteristisch gehaltenen Por-
träts der Richter und Gutachter in dieser Streit-
sache, so des Kaisers Sigmund, des Kardinals
Nikolaus von Cusa und anderer. Die vatikanische
Bibliothek enthält gleichfalls einige illustrierte
Werke des Wynand, der 1394 in Heidelberg
immatrikuliert, 1419 Sekretär des Kaisers Sig-
mund wird und 1443 stirbt, so: Mons quattuor
fluvialium undÄdamas colluctantium aquilarum.—
Herr Wolters zeigt an einer griechischen Grab-
stele, eine Lutrophoros in Relief darstellend,
wie die antike Bemalung (vermutlich enkausti-
sche Wachsmalerei) den Marmor vor Verwitte-
rung schützte und dadurch sowohl die Zeichnung
der alten Ornamentik erhalten hat, wie auch
die Feststellung der Bemalung in Rot und ver-
171
Stecher aus der Schule Marcantons nach der
Zeichnung des Kindermordes von Baccio Bandi-
nelli. Mit Raphaels Namen werden im ganzen
130 Abzüge verschiedener Zeichnungen auf-
geführt, doch ist bei keinem Blatt die Darstellung
näher bezeichnet. Äm meisten Interesse bean-
spruchen die] „forme“ aus Holz, Kupfer, Messing
und Zinn; die Verwendung der beiden letzten
Materialien für die Platten ist besonders be-
achtenswert, ebenso die Tatsache, daß sowohl
Holzstöcke als Metallplatten mehrfach auf beiden
Seiten benutzt werden. Von den Kupfer- und
sonstigen Metallplatten hat der Vortragende nun
eine ganze Reihe mit noch existierenden meist
mit dem Stechernamen des Baccio Baldini ge-
tauften Stichen in Verbindung bringen können,
und zwar sind diese letzteren in den Publi-
kationen der Internationalen Chalkographischen
Gesellschaft reproduziert. Ein Beispiel der dop-
pelten Verwertung der Platte ist „1 Giudizio di
un foglio reale e ’l Monte di pietä“, identisch
mit den Stichen Chalk. Ges. 1890, Nr. 6 u. 7).
Ferner werden folgende Tafeln der genannten
Publikation erkannt: Chalk. Ges. 1890, 5 — di-
luvio (foglio reale); 1889, 5 — storie di Moise;
1889, 8 — tempio di Salomone (Rückseite vom
Diluvio); 1886 und 1891 — sibilie e profeti;
1887, 5 — Ängelo Raffaello di stagno (das Blatt
ist also von einer Zinnplatte gedruckt); 1886 —
tempio di Pilado (2 fogli reali); 1890, 6 —
giudizio finale; 1889, 3 — San Paolo; 1892, 4 —
S. Georgio; 1889, 4 — Fregio.
Die Namen von Stechern und Zeichnern er-
geben sich aus dem Inventar leider nicht. Immer-
hin ist jetzt, wo man durch die Feststellung des
Verlages erfahren hat, in welcher Richtung
dokumentarische Forschungen sich zu bewegen
haben, die Möglichkeit gegeben mit Aussicht
auf Erfolg, die Archive um jene Künstlernamen
zu befragen. Ä. G.
s
MÜNCHEN- --
Kunstwissenschaftliche Gesellschaft,
ln der Sitzung vom 11. Januar sprach Herr
Arndt unter Vorlage einer Terrakotte, die einen
sitzenden Äffen darstellt, und einer Vase über
Fälschungen von Antiken. Die Terrakotte ge-
hört zu einer Gruppe sehr geschickt ausgeführter
Figuren, denen der Fälscher mehrfach die Künst-
lersignatur Polon eingeritzt hat. Die Vase ist
nach der Publikation von Micali, Antichi monu-
menti Taf. 98. 2 und 3 angefertigt. — Herr
Bassermann-Jordan äußerte sich über einen kürz-
lich aufgedeckten Türsturz in Rüssingen in der
Rheinpfalz. Die dargestellten Tiere: Taube,
Pfau, Eidechse und Embleme sind nach dem
Phgsiologus zu interpretieren als Symbole der
verschiedenen Zustände der christlichen Seele.
Im Zusammenhalt mit dem Portal zu Remagen
bei Bonn und dem Portal auf Burg Tirol dürfte
der in künstlerisch primitivem, sehr flachem Re-
lief gehaltene Stein der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts angehören. — Herr F. Burger
zeigte an einer Reihe von Originalzeichnungen
und von Aufnahmen fertiger Bauten, von Villen
der Terra ferma, daß Palladio sich in seiner
Publikation nicht an die ausgeführten Bauten
hielt. Die Entwicklung seines Villentyps geht
von dem spätmittelalterlichen Kastelle aus und
steht unter dem Einfluß der Thermen des Cara-
calla in Rom, der antiken Villa in Präneste und
dem Hausschema desVitruv. An der berühmten
Rotonde dürfte sich ursprünglich eine Terrasse
an Stelle des jetzigen zweiten Geschosses be-
funden haben. — Herr G. Habich wies auf den
von italienischer Renaissance noch unberührten
Charakter zweier französischer Medaillen von
1499 und 1518 hin, die übrigens von Lyoner
Holzbildhauern entworfen sind. Unter anderem
ist eine mit H. S. bezeichnete Medaille von 1522
durch das Porträt Dürers interessant. Im k.
Münzkabinett sind neuerdings eine Reihe echter
und sehr schöner Plaketten Peter Flötners auf-
gefunden worden. Eine im Handel befindliche
spätgotische Holzfigur aus der Gegend von
Peissenberg stellt sich an die Seite des Altars
von Untermenzing. Der Referent vermutet hier
die Tätigkeit eines schwäbischen Meisters für
den Münchner Herzog Sigmund. — Interessant
war auch eine aus dem Peloponnes stammende
archaische Bronze durch den quer über den
Helm laufenden Kamm bezw. Busch. — Herr
Weiß legte eine Notariatsurkunde vor über den
Streit, den der Pfarrer von Bacharach Wynand
Ort von Steg wegen der Zollfreiheit seines
Weines mit der Stadt Köln hatte. Das Libell
enthält die sehr charakteristisch gehaltenen Por-
träts der Richter und Gutachter in dieser Streit-
sache, so des Kaisers Sigmund, des Kardinals
Nikolaus von Cusa und anderer. Die vatikanische
Bibliothek enthält gleichfalls einige illustrierte
Werke des Wynand, der 1394 in Heidelberg
immatrikuliert, 1419 Sekretär des Kaisers Sig-
mund wird und 1443 stirbt, so: Mons quattuor
fluvialium undÄdamas colluctantium aquilarum.—
Herr Wolters zeigt an einer griechischen Grab-
stele, eine Lutrophoros in Relief darstellend,
wie die antike Bemalung (vermutlich enkausti-
sche Wachsmalerei) den Marmor vor Verwitte-
rung schützte und dadurch sowohl die Zeichnung
der alten Ornamentik erhalten hat, wie auch
die Feststellung der Bemalung in Rot und ver-