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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0211

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Fortleben alter Formen neben den neu auf-
tretenden betreffen wird, doch die allgemeinen
Prinzipien europäischer Kunstgeschichtsschrei-
bung, die sich auf den Gedanken der Entwick-
lung gründen, auch auf die japanische Kunst-
geschichte anwendbar sind. Denn es ist wohl
denkbar, daß die Auffassung der Kunstgeschichte
als Geschichte von Kunstschulen, deren jeweils
bedeutendster Meister am Anfang steht, viel-
mehr auf die allgemeine Weltanschanung, die
durchaus unteleologische Geistesrichtung der
Japaner sich gründet als auf tatsächliche Ver-
hältnisse. Die Geringschätzung der neuzeitlichen
Kunst, die völlige Verachtung, die ein gesin-
nungstüchtiger Japaner für den Holzschnitt als
Kunstgattung überhaupt hegt, gehören mit auf
dieses Blatt und sind für unser Empfinden
völlig unbegreiflich. Man soll nicht die japani-
sche Malerei allein nach der Kunst der zwei
letzten Jahrhunderte und den Holzschnitten be-
urteilen, aber eine gewählte Sammlung von
Holzschnitten wie die Moslesche wird immer
ihren Wert behalten.

Es kann nicht die Absicht sein, in einem
kurzen Bericht auf Einzelheiten einer Sammlung,
die weit über 2000 Stücke zählt (die übrigens
nur zum Teil ausgestellt werden konnten), ein-
zugehen, zumal der vortreffliche Katalog, der
namentlich für die Schwertzieraten eine ganze
Geschichte dieses Kunstzweiges repräsentiert,
alle wünschenswerten Angaben enthält. Nur
ein Wort noch von der Aufstellung der Samm-
lung, auf die eine ungewöhnliche Sorgfalt ver-
wendet ist. Durchgehends sind die Decken
niedriger gelegt, den Raumverhältnissen des
japanischen Hauses entsprechend. Die Wände
sind mit einem graugrünen Rupfen bespannt
und mit ungefärbten Holzleisten gefaßt. An
zwei Stellen sind ganze Zimmerwände auf
japanische Art hergestellt, mit dem Tokonoma
„dem erhöhten Teil und Ehrenplatz eines japa-
nischen Zimmers mit Nische“. Leider nur sind
die Kakemonos, die zum Schmuck der Wände
verwendet sind, bei weitem nicht auf der Höhe
der kunstgewerblichen Arbeiten der Sammlung.
Außerordentlich wirkungsvoll sind die phanta-
stischen Rüstungen in sitzender Haltung vor
einem O-maku aufgestellt, einem großen Vor-
hang zum Äbsperren der Turnierplätze aus
Seidendamast, in dessen violetter Färbung fünf
mächtige Päonienwappen weiß ausgespart sind.

Vorbildlich vor allem verdient diese liebe-
volle Sorgfalt genannt zu werden, mit der der
Japansammler seinen Besitz umgibt. Mit den
Dingen selbst scheint etwas von dem gewählten
Geschmack und der peinlichen Exaktheit der
Arbeit, der die winzigen Teile eines Inro inein-

anderfügt, daß nirgends eine Fuge sichtbar
bleibt, auf den Besitzer übergegangen. Auf-
stellung und Katalog der Moslesammlung geben
Zeugnis hiervon. Für beides wird man nicht
leicht in Sammlungen europäischen Kunstge-
werbes ein Gegenbeispiel finden.

Curt Glaser.

s

MÜNCHEN-GLÄDBÄCH -

Das städtische Museum hat im vergangenen
Jahre durch den Ankauf eines Teiles der Samm-
lung Arnold Kramer in Kempen einen sehr be-
merkenswerten Zuwachs an Skulpturen, Möbeln
und kunstgewerblichen Gegenständen des Nieder-
rheins erhalten. Unter den wenigen Gemälden
ist das hier zum erstenmal abgebildete1) das
bedeutendste; Clemen zeichnete es 1891 bei der
Besprechung der Sammlung Kramer durch eine
eingehende Besprechung aus. (Die Kunstdenk-
mäler des Kreises Kempen. Düsseldorf. S. 102.)
Man schrieb die Tafel bisher einem kölnischen
Maler um 1480 zu und in der Tat erinnert ja
die Komposition an den Meister des Marien-
lebens. Aber nur die Komposition. Die Typen
der Trauernden und das Kolorit sind durchaus
niederländisch, in der mit großer Vorliebe be-
handelten hl. Magdalena ist sogar ein be-
stimmter Änklang an die archaisierenden Mei-
ster der „Bles“-Gruppe festzustellen. An diese
erinnert audi Einiges in der Farbengebung, in
der ein helles Blau und ein helles Rosarot vor-
herrschend sind. Ich glaube, man darf die Da-
tierung um zwanzig Jahre herunterrücken und in
dem recht gut erhaltenen Gemälde (Eichenholz,
h. 1,00 br. 0,71) das durch die vergleichsweise
seltene Darstellung der beiden Schächer auch
ikonographisch interessante Werk eines archa-
isierenden niederländischen Meisters um 1500
sehen. In der Gruppe des die Jungfrau stützenden
Johannes schließt er sich augenscheinlich an Ro-
gier van der Weyden an. (Vgl. u. a. das Bild
der sieben Sakramente in Antwerpen.)

Das unter der Leitung des Herrn Prof. Schurz
stehende Gladbacher Museum gehört zu den
kleineren rheinischen Sammlungen, denen die
wachsende Kunstliebe unserer Industriebezirke
eine immer größere Bedeutung, nicht nur für
die Einheimischen, gibt. Es ist noch nicht lange
her, daß das Krefelder Museum für sich allein
dastand, neuerdings ist neben Elberfeld und
Essen auch Barmen mit nicht geringem Erfolge
in diesen rühmlichen Wettbewerb eingetreten.

J) Die Photographie verdanke ich der Güte des Herrn
Dr. K. Westendorp in Remagen.

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