Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0231
DOI Heft:
7. Heft
DOI Artikel:Glaser, Curt: Ostasiatische Kunst: die Neuerwerbungen der königlichen Museen zu Berlin
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DEfcOCERONE
Hälbavonats s chrift
FURDIE-INTERES S EN -DES
Kunstforschers & Sammlers
I. Jahrgang 7. Heft 1909
Ostasiatische Kunst
Die Neuerwerbungen der königlichen Museen zu Berlin
Von Curt Glaser
Im Schliemannsaal des Völkerkundemuseums zu Berlin sind die Erwerbungen
des preußischen Staates für das zu gründende ostasiatische Museum zu einer großen
Gesamtausstellung vereinigt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Es
sind drei parallel laufende Erwerbungsreihen, die in der kurzen Zeit weniger Jahre
vereint ein erstaunlich reiches und umfassendes Material zur Geschichte der ost-
asiatischen Kunst zusammengebracht haben. Die Turfan-Expedition unter Führung
Lecoqs hat neben einzelnen plastischen Bruchstücken und Resten von Stoffen und
Handschriften als Hauptergebnis gewaltige Fresken, ganze Wände buddhistischer Höhlen-
tempel heimgebracht. Die Sammeltätigkeit Professor Adolf Fischers war im wesent-
lichen auf die älteste buddhistische Kunst Ostasiens gerichtet. Und endlich an Wert
diese letztere weit überragend und noch jetzt in der Entwicklung begriffen ist die
dritte Sammlung, um deren Erwerb sich Dr. Otto Kümmel, der Leiter der ostasiatischen
Kunstsammlungen an den königlichen Museen zu Berlin, und Professor E. Große,
der noch zurzeit in Tokio weilt, verdient gemacht haben, eine Sammlung, die
von einem rein ästhetischen Standpunkt angelegt alle Kunst- und Stilarten Ost-
asiens berücksichtigt, die originale künstlerische Bedeutung für sich zu beanspruchen
vermögen.
Die Fresken aus den Grottentempeln der Ruinen von Bäzäklik bei Murtuq im
Bezirk von Turfan (ca. 600—900 n. Chr.), die sich durch vorzügliche Erhaltung und
erstaunliche Frische der Farben besonders auszeichnen, sind kunstgeschichtlich vor
allem wichtig als Bindeglied der europäischen und vorderasiatischen Kunst einerseits
mit der des fernen Ostens andererseits. Man wird zwar abzuwarten haben, bis größere
Klarheit in den allgemeinen Fragen der Entstehung des Ornamentes überhaupt erzielt
ist, ehe man aus dem Vorkommen etwa einer Wellenranke oder einer Form wie der
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Hälbavonats s chrift
FURDIE-INTERES S EN -DES
Kunstforschers & Sammlers
I. Jahrgang 7. Heft 1909
Ostasiatische Kunst
Die Neuerwerbungen der königlichen Museen zu Berlin
Von Curt Glaser
Im Schliemannsaal des Völkerkundemuseums zu Berlin sind die Erwerbungen
des preußischen Staates für das zu gründende ostasiatische Museum zu einer großen
Gesamtausstellung vereinigt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Es
sind drei parallel laufende Erwerbungsreihen, die in der kurzen Zeit weniger Jahre
vereint ein erstaunlich reiches und umfassendes Material zur Geschichte der ost-
asiatischen Kunst zusammengebracht haben. Die Turfan-Expedition unter Führung
Lecoqs hat neben einzelnen plastischen Bruchstücken und Resten von Stoffen und
Handschriften als Hauptergebnis gewaltige Fresken, ganze Wände buddhistischer Höhlen-
tempel heimgebracht. Die Sammeltätigkeit Professor Adolf Fischers war im wesent-
lichen auf die älteste buddhistische Kunst Ostasiens gerichtet. Und endlich an Wert
diese letztere weit überragend und noch jetzt in der Entwicklung begriffen ist die
dritte Sammlung, um deren Erwerb sich Dr. Otto Kümmel, der Leiter der ostasiatischen
Kunstsammlungen an den königlichen Museen zu Berlin, und Professor E. Große,
der noch zurzeit in Tokio weilt, verdient gemacht haben, eine Sammlung, die
von einem rein ästhetischen Standpunkt angelegt alle Kunst- und Stilarten Ost-
asiens berücksichtigt, die originale künstlerische Bedeutung für sich zu beanspruchen
vermögen.
Die Fresken aus den Grottentempeln der Ruinen von Bäzäklik bei Murtuq im
Bezirk von Turfan (ca. 600—900 n. Chr.), die sich durch vorzügliche Erhaltung und
erstaunliche Frische der Farben besonders auszeichnen, sind kunstgeschichtlich vor
allem wichtig als Bindeglied der europäischen und vorderasiatischen Kunst einerseits
mit der des fernen Ostens andererseits. Man wird zwar abzuwarten haben, bis größere
Klarheit in den allgemeinen Fragen der Entstehung des Ornamentes überhaupt erzielt
ist, ehe man aus dem Vorkommen etwa einer Wellenranke oder einer Form wie der
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