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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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10. Heft
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Tietze, Hans: Bilder aus Wiener Privatbesitz: I. Tizians Mater dolorosa
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0332

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Der Cicerone

Heft 10

Doktors Arthur de Noe Walker an die Uffizien gekommen und als Werkstattbild im
III. Band der Klassiker der Kunst (S. 173) publiziert ist. Das Wiener Bild ist dem
Florentiner qualitativ außerordentlich überlegen, denn sein harmonisches Kolorit, die
bei größter Zurückhaltung wundervolle Leuchtkraft der Farben sind bei diesem zu
bedenklicher Roheit und unharmonischer Farbengrellheit geworden; der Zusammen-
hang des Bildes der Uffizien mit Tizians Werkstatt ist nur ein sehr loser.

Das Bild bei Herrn von Peez aber zeigt dieselbe vortreffliche technische Durch-
führung wie die Madonna der Sammlung Carvallo, dasselbe körnige Inkarnat und die
gleiche Wärme, dieselbe Tendenz zu großen Flächen zu vereinfachen und dieselbe Ab-
rundung der Formen. Eine solche Übersetzung aus dem persönlich Erlebten in ein
allgemein Ansprechendes, der sogar ein Stich ins Konventionelle anzumerken ist, bei
Aufrechterhaltung der hohen technischen Qualität, scheint mir gerade ein Merkmal
dessen zu sein, was ich im engern Sinn des Wortes eine Werkstattarbeit nennen
möchte. Eine solche führt auf das künstlerische Grenzgebiet, auf dem die objektiven
Kriterien versagen und die Empfindung ihr Qualitätsurteil spricht. So könnte vielleicht
ein nachsichtiger Betrachter in den Bildern der Herren Carvallo und von Peez, dort
wo ich die unfreie Ängstlichkeit der Werkstatt sehe, nur die gehemmte Schwungkraft
erkennen, die auch die Hand des Meisters selber bei einer zweiten Wiederholung des-
selben Gegenstandes lähmt.
 
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