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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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10. Heft
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Erasmus, Kurt: Nochmals das "Frühwerk von Frans Hals"
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0342

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326

Der Cicerone

Heft 10

das Cocretsche Bild sei wirklich das primäre, so
hätte Dirck Hals nach meiner Ansicht die Dar-
stellung deshalb abgeändert, weil diese ge-
meine Szene in sein vornehmes Gartenfest nicht
hineinpaßte. Dirck Hals soll das Bild aber
auch verschlechtbessert haben. Was hat
Dirck Hals getan? Er gibt der rechten Hand
des Mannes rechts, deren Geste ganz unerklär-
lich ist — auf dies Hauptargument von
mir gehtBode garnicht ein — einen Geigen-
bogen und der linken Hand, die auf unmögliche
Art und Weise eine „Flöte“ hält, eine Geige zu
halten. Der Galan erhält zum Zechen auch ein
Glas in die Rechte. Der Koch fällt ganz fort,
weil er zu sehr an Brouwer erinnert. Der ein-
fache Holztisch mit den gemeinen Nahrungs-
mitteln wird durch eine weißgedeckte Tafel
mit feinen Pasteten ersetzt, was zu den ele-
ganten Kostümen besser paßt. Durch diese Ab-
änderungen hat Dirck Hals das Cocretsche Bild
meines Erachtens nicht verschlechtbessert, son-
dern verbessert und eine gekünstelte Deutung
der Darstellung überflüssig gemacht. Sie hat
der ganz einfachen Erklärung (vergl. Heft 2,
Seite 52, zweite Spalte) des Louvrebildes weichen
müssen, das keine Mißverständnisse zuläßt.
Das Bild ist eben ohne Kenntnis des Cocret-
schen gemacht, und die inhaltlichen Unklarheiten
auf dem angeblichen Frans Hals haben ihren
anderen Grund.

Speziell zum Koch: Bode gibt 1. zu, daß
dieser Kopf sich stilistisch von den anderen Typen
von Frans Hals unterscheidet und 2. daß er stark
an Brouwer erinnert; denn sonstbrauchtenichther-
vorgehoben zu werden, daß Brouwer gerade an
diesem Kopfe gelernt hat. Wenn sich aber in einem
Bilde eine bestimmte Stelle stilistisch vom übri-
gen Bilde unterscheidet und zweitens an einen
bestimmten anderen Maler erinnert, so ist wohl
der zunächst liegende Schluß der, daß man sagt,
jener bestimmte Maler hat diese betreffende
Stelle beeinflußt, und unzuläßlich ist der Schluß,
daß diese betreffende Stelle jenen Maler be-
einflußt hat. Auf unseren Fall angewandt müssen
wir aus dem Kopfe links in der Ecke schließen,
daß dieser von Brouwer mindestens stark beein-
flußt ist. Da wir aber bei einem derartigen
Meister wie Frans Hals nicht annehmen können,
daß er beim Malen eines sogar sehr flott hin-
geworfenen Gemäldes mit einem Male bei diesem
einen Kopfe — denn diesen Typus treffen wir
in keinem Bilde von Frans Hals wieder — so
stark unter den Einfluß von Brouwer kommt,
daß er einen ganz Brouwerschen Kopf auf die
Leinwand bringt, so müssen wir zu dem Schluß
kommen, zu dem ich gekommen bin, daß dieser
Kopf aus einem Brouwerschen Bilde kopiert ist;

besonders noch dann, wenn ich ein Bild von
Brouwer nennen kann, aus dem dieser Kopf ent-
nommen sein könnte. Man vergleiche die Abbil-
dung in Heft 4 mit dem von mir (vergl. Heft 2,
Seite 52, zweite Spalte) angegebenen Bilde von
Brouwer; ich glaube, dem Eindruck wird sich
kaum jemand entziehen können, daß der Cocret-
sche Kopf einen sehr charakteristischen Brouwer-
typus zeigt. Dann versuche man die Finger-
haltung der linken Hand selber nachzumachen.
Man wird dann erfahren, daß dies eine recht
gezwungene Geste ist, die aber durch einen
Gegenstand, z. B. das Glas auf dem Brouwer-
schen Bilde, nicht nur sehr erleichtert wird,
sondern gar keine Anstrengung mehr erfordert.

Zur Gelegenheit für die Fälschung:
Gerade der Umstand, daß der Dirck Hals erst
Ende der 70 er Jahre in die Sammlung Wilson
und 1881 in den Louvre kam und sich vorher
in einer „kleinen unbedeutenden Privatsammlung“
befand, kommt meiner Ansicht zugute. Denn
nur so brauchte der Fälscher nicht zu fürchten,
daß seine Vorlage schnell bekannt werden würde,
und jemand kommen könnte, um einen für seinen
„frühen“ Frans Hals interessierten Liebhaber vor
den Dirck Hals zu führen und sein Bild sofort
als Fälschung „auszuposaunen“.

Der Gedanke, einen Frans Hals zu fäl-
schen, lag nach dem Jahre 1865 nicht allzu
fern, nachdem auf der Versteigerung Comte de
Pourtales-Gorgier in Paris am 27. März für den
bekannten Offizier (jetzt im Wallace - Museum)
50000 frcs. gezahlt waren, wenn dies auch kein
Genrebild, sondern ein genreartiges Porträt ist.
Daß aber Originale „der Art“, wie das Cocret-
sche Bild, also Genrebilder mit mehreren lebens-
großen Figuren — denn nur auf diese kommt
es an, nicht aber auf die Genrebilder von Frans
Hals überhaupt — für 1000—2000 frcs. damals
zu haben waren, davon kann wohl kaum die
Rede sein, da man noch heute außer dem
Cocretschen Bilde nur zwei Originale kennt,
nämlich das lustige Trio und den Junker Ramp
und seine Liebste.

Völlig unberücksichtigt geblieben ist
von Bode außer der unerklärbaren Geste der
rechten Hand des Mannes rechts — worauf ich
bereits hinwies — auch die aus den beiden
kleinen, unverbundenen Buchstaben fh be-
stehende Signatur.

Für die Unechtheit und garnicht sehr gute
Qualität des Bildes spricht auch noch die linke
Faust der Dirne, auf die ich noch nicht hinge-
wiesen habe. Diese Faust, bei der der Daumen
viel zu lang ist, liegt weder auf der Tischplatte
wie bei Dirck Hals, noch auf dem Schüsselrande,
was man nach der Abbildung in Heft 4 vielleicht
 
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