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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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11. Heft
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Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0376

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Der Cicerone

Heft 11

der Formerei des Trocadero wurden erworben:
Äbgüsse von Bildwerken der französischen Gotik,
unter ihnen solche aus den Kathedralen von
Chartres, Amiens, Beauvais, St. Denis und Paris,
ferner von Bildwerken der französischen Re-
naissance; u. a. wurden hier wertvolle Arbeiten
von Colombe und Pilon der Sammlung zuge-
führt. Die späteren Jahrhunderte sind durch
ausgezeichnete Bildnisbüsten von Cogsevox, De-
ferneix, Caffieri, Houdon und Rüde vertreten.
Durch Dr. Müller, der an der Wiederentdeckung
der Heimat Nestors durch Prof. Dörpfeld tätigen
Anteil genommen hat, wurde der Sammlung der
galvanoplastische Abdruck eines Kröten-Ämu-
letts aus einem Grabe des nestorischen Pglos
zugewiesen; die von Herrn von Klukaric unter-
nommene Sammlung von Werken Peter Flöt-
ners konnte um 95 neue galvanoplastische Pla-
ketten-Nachbildungen vervollständigt werden.
Von neueren deutschen Bildwerken wurde der
Halbakt eines Knaben von Sascha Schneider
erworben; Prof. Georg Wrba-Dresden stiftete
der Sammlung die Originalmodelle einiger seiner
Arbeiten, und aus dem Nachlasse des verstor-
benen Bildhauers August Hudler wurden mehrere
Originalmodelle angekauft; die Sammlung be-
sitzt nunmehr vollständig den Modellnachlaß
dieses Künstlers.

In der Porzellansammlung konnte die
ostasiatische Abteilung reicher mit Neuerwer-
bungen versehen werden, als die Abteilung,
welche der Entwicklung des Meißener Porzellans
gilt. Die enorme Höhe der Preise, welche heute
für Meißener Porzellane des XVIII. Jahrhunderts
gezahlt werden, hindert die mit mäßigen Mitteln
ausgestattete Porzellansammlung an der Er-
werbung wirklicher Kostbarkeiten, vor allem an
der Erwerbung vonStücken aus der Rokokoperiode
(seit etwa 1740) der Meißener Manufaktur. Im
Jahre 1908 konnte nur ein wertvolles Stück dieser
Zeit erworben werden: eine aus der Mitte des
XVIII. Jahrhunderts stammende bemalte Terrine.
Eine für die Erfindungsgeschichte des Meißener
Porzellans sehr wertvolle Erwerbung machte
die Sammlung mit einer aus einer porzellan-
artigen Masse hergestellten, nicht glasierten,
sondern geschliffenen und mit dem Porträt und
der Krönung Augusts des Starken zum König
von Polen in Glasschnitt geschmückten Dose.
Man darf in der Arbeit — nach dem Urteile
Ernst Zimmermanns — eine jener Glasfritten
des Physikers Ehrenfried Walther von Tschirn-
hausen erkennen, die dieser, der Vorläufer Bött-
gers auf dem Gebiete der Porzellanerfindung,
in der irrtümlichen Auffassung herstellte, er habe
damit ein dem ostasiatischen gleichwertiges
Hartporzellan erzeugt. Sehr wertvoll konnte

die ostasiatische Abteilung der Sammlung ver-
mehrt werden. Es wurden ihr u. a. mehrere
chinesische Stücke zugeführt, die aus der Zeit
vor Begründung der Sammlung, d. h. vor der
Wende des XVII. Jahrhunderts stammen, so ein
Stück aus der Zeit der Sungdynastie (907—1279),
eine seladongrün glasierte Schale mit doppeltem
Boden, deren seltsame Form auf eine chinesische
Legende zurückzuführen ist. Ferner ist hier zu
erwähnen ein großes, flaschenartiges Gefäß (aus
der Zeit der Mingdynastie, 1366—1644), das in
Blaumalerei den Gott Laotse mit seinen Schülern,
den acht Unsterblichen, auf Wellengrund, sowie
das Zeichen des langen Lebens zeigt, sodann
eine mit dem Nienhao des Kaisers Wan-li (1573
bis 1620) versehene große, flache Deckeldose,
die auf dem Deckel die in Blau ausgeführte
Darstellung einer chinesischen Kinderschule trägt.
Auch mehrere frühe mehrfarbig ornamentierte
Porzellane gelangten in die Sammlung, u. a.
eine mit der Marke des Kaisers Kia-tsing (1522
bis 1567) versehene Vase in Form eines Flaschen-
kürbisses und eine reich in den sogenannten
„Fünffarben“ bemalte Schale aus der Zeit des
schon erwähnten Wan-li. Auch die japanische
Abteilung der Sammlung konnte um mehrere
charakteristische Stücke vermehrt werden; her-
vorzuheben sind hier Schalen aus der zu An-
fang des XVIII. Jahrhunderts vom Fürsten von
Nabeshima zu Okawaji gegründeten Porzellan-
manufaktur.

Von den Neuerwerbungen endlich, welche
das grüne Gewölbe machte, ist hinzuweisen
auf eine kleine, aus vergoldeter Bronze herge-
stellte und mit Pierres de Straß verzierte, zwei-
spännige Karosse mit Insassen im Stile des
XVIII. Jahrhunderts, die durch ein Federtrieb-
werk in Bewegung zu setzen war. Das Werk
kam an die Sammlung als Vermächtnis der
Königin Carola von Sachsen. Ein zweites wert-
volles Geschenk wurde der Sammlung durch
Frau von Metzsch in Stößitz bei Stauchitz und
ihre Schwester Frl. Marie von Damnitz in Dres-
den gemacht. Es ist ein großer, ausgezeichnet
erhaltener silberner und vergoldeter Münz-
humpen aus der zweiten Hälfte des XVII. Jahr-
hunderts, eine Arbeit des Leipziger Silber-
schmieds Balthasar Lauch. Das Stück ist eines
der größten und schönsten seiner Art. wd.

S

BRÜSSEL = ---=-

Es ist gelungen, den im Besitz König Leopolds
befindlichen schönen Van Dyck, den Bildhauer
Duquesnoy darstellend, um den Preis von
 
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