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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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13. Heft
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0445

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Denkmalpflege

429

LONDON =■■ -

Statt des geplanten großen Shakespeare-
Monumentes wird nun in der Tat ein Shake-
speare-Nationaltheater errichtet werden, das
hoffentlich auch architektonisch als würdiges
Monument sich repräsentieren wird. Ein un-
bekannter Donor hat bereits £ 70 000 dafür
gezeichnet, aber 1/a Million Pfund sind nötig.
Jedoch möchte man Shakespeare wenigstens in
„seiner“ Londoner Kirche, der jetzigen Southwark
Cathedral, ehemaligen St. Saviour’s Church, ein
Grabmonument errichten, eine ruhende Figur
des Dichters in Alabaster unter gotischem
Baldachin, und hofft dafür £ 650 zusammen-
zubringen, vielleicht von solchen, „die stolz
sind, daß der größte Name der Literatur einem
Landsmanne angehört, die aber im Zweifel
sind, ob gerade ein Theater das beste Mo-
nument für ihn sei“. O Puritaner! —

Auch eine ganze Stadt kann ein Denkmal
darstellen; und wie es barbarisch ist, einem
solchen eine Nase oder ein Ohr abzuschlagen,
so einer solchen ohne triftigsten Grund die
architektonische Harmonie zu zerstören. Bath,
dem fashionablen Badeorte des Englands des
XV111. Jahrhunderts, dem Orte, der für immer
mit Gainsboroughs Namen aufs innigste ver-
knüpft bleibt, steht ein solcher Vandalismus
bevor. Es soll nämlich ein Teil der Bath
Street zerstört werden, die das künstlerische
wie historische Charakteristikum von Bath
darstellt. Es ist eine Straße mit Kolonnaden
auf beiden Seiten, die an beiden Enden halb-
mondförmig abschließt und so ein architekto-
nisches Ganze bildet und als solches auch natür-
lich geplant und durchgeführt worden war.
Eines Hotelneubaues wegen sollen nun die
Kolonnaden der einen Seite ganz fallen und
dadurch die Straße erweitert werden; auch soll
der Neubau einige Stockwerke höher geführt
werden als die alten Gebäude der Straße. Alle
Proportionen also und die ganze Harmonie
dieser einzigen Straße würden damit völlig ver-
nichtet werden. Schon hat der Magistrat der
Stadt der Änderung zugestimmt. Prebendary
Boyd, der erste Geistliche der Stadt, aber hat
erfreulicherweise eine Agitation dagegen ins
Leben gerufen und eine eigne Gesellschaft, die
Old Bath Preservation Society gegründet, die
von nun an über das Schicksal der alten Stadt
wachen soll. Ob es ihr allerdings noch ge-
lingen wird, in diesem Falle das Schlimmste ab-
zuwehren, ist leider zweifelhaft. F.

8

PÄRIS ~^= —

Immer und immer wieder werden Klagen
laut über die Rücksichtslosigkeit, mit der das
alte Paris durch gewissenlose Geschäftsleute
und Bauunternehmer geschändet wird. Kürzlich
wieder demolierte ein Geschäft für Sportartikel
an der Ecke des Boulevard de la Madeleine und
der rue de Caumartin zwei reizende lebensgroße
Relieffiguren aus der Zeit Ludwigs XVI., ohne
daß man den Zweck dieser Verwüstung ein-
sehen konnte. Der Etoile und die Place des
Victoires sind bereits überwuchert, der Opern-
platz ist bedroht, die einheitliche Fassade des
quai d’Orsay ruiniert, mit Mühe konnte der
Pavillon de Hanovre auf den Boulevards vor
sinnloser Zerstörung gerettet werden. Emile
Massard, ein Mitglied des Munizipalrates, hat
jetzt dieser Körperschaft einen Vorschlag unter-
breitet, nach dem die Bestimmungen der Bau-
polizei verschärft werden und die wichtigsten
Pariser Straßenzüge in ihrer Gesamtheit als
historische Monumente klassiert werden sollen.
Es bleibt abzuwarten, ob es gelingen wird,
durch gesetzliche Vorschriften dem „Fortschritt“
Einhalt zu gebieten.

Einer der letzten Ministerräte hat darüber
beraten, wie man den zahlreichen Atten-
taten Einhalt gebieten könne, die heute allzu
zahlreich gegen die Schönheit des alten Paris
begangen werden. Bisher sind es drei ver-
schiedene Kommissionen gewesen, die über
die Erhaltung der alten Baudenkmäler wachten.
Diese drei Kommissionen hingen wiederum von
drei verschiedenen Ministerien ab. Es soll nun-
mehr versucht werden, alle um die Erhaltung
des alten Paris besorgten Behörden in einer
Kommission zu zentralisieren. Inzwischen geht
das Werk der Zerstörung seinen Weg weiter.
Es wird berichtet, daß das berühmte, am Boule-
vard des Invalides gelegene Kloster du Sacre
Coeur, das durch das Trennungsgesetz säkulari-
siert wurde, verkauft werden soll. Dieses alte
Kloster ist ein Adelshotel mit Gärten, das von
Gabriel und Aubert gebaut wurde. Es ist ein
Meisterwerk der Architektur des XVIII. Jahr-
hunderts, das nur schwer zu retten sein wird,
denn die Bauspekulanten haben natürlich ihr
Äuge auf diese wertvollen Grundstücke ge-
worfen. Das Werk der Zerstörung hat bereits
mit dem Wegzuge der Nonnen angefangen, die
alles, was nicht niet- und nagelfest war, zu
veräußern versuchten. So soll sich unter anderem
ein großes schmiedeeisernes Gitter bereits im
Kensingtonmuseum zu London befinden. Es
hat sich ein Komitee gebildet, welches Grund-
stück und Bauwerk retten will, wenn sich ge-
 
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