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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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16. Heft
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Schaeffer, Emil: Kunsthistoriker und Verleger: Glossen
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Heft 16

Kunsthistoriker und Verleger

507

Die Kunsthistoriker mit literarischen Fähig-
keiten waren jedoch in Deutschland vor fünf-
zehn Jahren noch ziemlich dünn gesät, und so
kamen die Herren Velhagen und Klasing, an-
geregt vielleicht durch das Erscheinen des
„klassischen Bilderschatzes“ auf den frucht-
bringenden Gedanken, weniger den Gelehrten
als den Photographen zu vertrauen, mit ande-
ren Worten, Künstler-Monographien herauszu-
geben, bei denen der Hauptakzent auf die
illustrative Ausgestaltung des Buches gelegt
werden sollte. Immerhin konnte ein Äutor hier
seinen Namen zwar nicht mehr auf dem Rücken
des Buches, aber doch auf dem Einband lesen
und sich schmeicheln, sein Text werde vom
Verleger als den Reproduktionen gleichwertig
erachtet. Ein Mitarbeiter an der uns so un-
entbehrlichen Serie der „Klassiker der Kunst“1)
darf sich solchem Wahne schon darum nicht
hingeben, weil er vom Verleger dem Publikum
nur als „Herausgeber“ vorgestellt wird. Und
doch ist seine Tätigkeit von der eines Heraus-
gebers literarischer oder musikalischer Werke
gründlich verschieden; denn die Arbeit des
Kunsthistorikers geht hier über das bloße An-
ordnen uud Erläutern weit hinaus, weil er
ja vom Oeuvre eines Künstlers erst den Ka-
talog aufstellen und sein Verhalten zu Fragen
der Echtheit und Chronologie durch Anmer-
kungen, die bisweilen kleinen Aufsätzen gleichen,
in jedem besonderen Falle vor der wissenschaft-
lichen Kritik zu rechtfertigen hat; dann muß er eine
Monographie schreiben, deren Umfang an den
eines Bändchens der Muther-Kollektion gewiß
heranreicht; kurz, wenn irgendwo, so hätte hier
der „Herausgeber“ das Recht,'sich als Äutor zu
gebärden. Trotzdem gewährt ihm die deutsche
Verlagsanstalt weder auf dem Rücken des Bu-
ches, wo man ihre Firma liest, geschweige denn
auf der Vorderseite des Einbandes einen Platz
für seinen Namen, den wir erst auf der sieben-
ten Seite in schwarzen dünnen Lettern gedruckt
finden, während der Verlag dem Künstler und
sich selber rote Typen vorbehielt. Auch auf

') Man verarge es mir nicht als Wichtigtuerei, wenn
ich die Frage, warum ich bei diesen Anschauungen doch
selbst einen Band für die „Klassiker der Kunst“ bear-
beitet habe, gern beantworten möchte. Weil diese Publi-
kationen, die sich zwar zunächst an weitere Kreise
wenden, doch auch wegen der in ihren Anmerkungen
enthaltenen Literaturnachweise und vor allem wegen
der*Fülle des kritisdi gesiditeten Abbildungsmateriales
audi für uns Kunsthistoriker von allergrößtem Nutzen
sind. Natürlich — und darin werden sich wohl alle Mit-
arbeiter an den „Klassikern der Kunst“ mit mir eins
fühlen — würde ich meine bescheidenen Kräfte tausend-
mal lieber in den Dienst eines uns so notwendigen Unter-
nehmens stellen, wenn sich die deutsdie Verlagsanstalt
entschließen könnte, von ihrem bisher geübten Brauche
abzugehen und dem Autor zu geben, was des Autors ist.

der zweiten Seite, wo die Meister verzeichnet
sind, denen bisher Bände gewidmet wurden,
ist von ihren Verfassern oder meinetwegen
den Herausgebern nicht die Rede; ihre Namen
werden verschwiegen, obschon es gewiß
nicht gleichgültig ist, wer z. B. den „Raffael“
publizierte, ob Adolf Rosenberg oder Georg
Gronau; man braucht, des zum Beweise, ja nur
die erste und letzte Auflage dieses Bandes mit-
einander zu vergleichen. Die Verleger jener
großen und kleinen Reproduktionswerke, die
nun beinahe schon allwöchentlich auf den Markt
geworfen werden, schweigen zwar die Namen
„ihrer“ Autoren nicht tot; ob sie darum vor der
Leistung eines Kunsthistorikers jedoch mehr
Ächtung hegen, bleibe billig dahingestellt. Und
warum sollten sie uns auch sonderlich respek-
tieren? Zuweilen kommt ja das Anerbieten eines
Verlegers unseren eigensten Plänen entgegen.
Die Regel aber bleibt doch, daß der Äutor
gestern noch nicht wußte, an welches Thema
er morgen gehen wird; denn heute erst bekam
er vom Verleger den Antrag, der seinem
Schaffen für Monate die Bahn wies. Aber
wenn irgend etwas die Tätigkeit des Künstlers
oder des Gelehrten — und der Kunsthistoriker
muß beides zugleich sein — von einer ge-
wöhnlichen Hantierung unterscheidet, so ist
es jener geheimnisvolle Zwang, vor dem es
kein Entrinnen gibt, der uns ein Problem
geradezu aufdrängt, mit dem wir ringen,
das wir zwingen müssen. Und nur Arbeiten,
die uns selber einen Kampf, einen frohlocken-
den Sieg über unseren heimlichen Zweifel an
der eigenen Kraft bedeuten, können ins Weite
wirken; die anderen werden, je nach der Ge-
schicklichkeit ihres Schöpfers, anständiger oder
schlechter Kitsch sein. Aber gerade die Vermitteler
zwischen den Konsumenten und Produzenten
des Geistes, die Verleger erkennen mit selten trü-
gendem Instinkt, ob einer den Arm nach hoch-
hängenden Lorbeerzweigen reckte oder raschen
Gewinn sucht. Der Äutor, der sich selber das
Ziel setzte, wird von ihnen stets mit unge-
heuchelter Achtung behandelt, den Lohnarbeiter
hingegen bittet man, den Text nicht allzu
wissenschaftlich zu gestalten und bei der Auswahl
der Illustrationen, wenn ihm diese überhaupt ge-
stattet wird, auch an die jungen Mädchen zu
denken, denen das Buch eine „willkommene
Gabe für den Weihnachtstisch“ bedeuten soll.
Vielleicht bedauert Dr. H., solchen Wünschen
nicht Rechnung tragen zu können, dann erklärt
sich gewiß Dr. Y. gern dazu bereit und dem
Verleger, ist der eine so lieb, d. h. so gleich-
gültig wie der andere, denn nicht um eine be-
stimmte Persönlichkeit handelt es sich für ihn,
 
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