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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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17. Heft
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Kühnel, Ernst: Kunsthistoriker und Verleger, [2]: Emil Schaeffers Vorschlag und der Fall "Original und Reproduktion"
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0566

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542

Der Cicerone

Heft 17

historiker derartige Pseudo-Nekrologe ein; wir
werden ihm dafür sehr dankbar sein und alle
seine Ungeheuerlichkeiten mit Lammsgeduld
ertragen müssen.

Der „Clou“ der Nummer ist ein Äufsatz von
Karl Voll über die Frage der Wickenmadonna,
dessen ruhige und leidenschaftslose Sachlichkeit
man beinahe bedauert, weil er unangenehm
ergänzt wird durch eine unqualifizierbare Ex-
pektoration des Herausgebers, der außerdem
die „Prostitution persönlicher Beziehungen“ und
eine „ ernsterwägte Verkaufsmöglichkeit“ als
eigenartige Stilblüten verzapft.

Für eine Zusammenstellung von „Otto Fischers
graphischen Werken 1901 bis 1909“, die zwölf
Seiten einnimmt, mag es auch unter den Käuzen
unserer Zunft Liebhaber geben, aber wer in
aller Welt interessiert sidi für „Monogramme
neuerer Künstler“ oder für ein „Verzeichnis der
Künstlerporträts auf der großen Berliner Kunst-
ausstellung?“ Die Kollegen Hans W. Singer
und W. Kaesbach, die diese Listen mühsam
zusammengebracht haben, müssen über eine er-
staunliche Fülle überschüssiger Rrbeitskraft ver-
fügen. Äus der Liste der „Ernennungen und
Auszeichnungen “ — Hans Loose scheint die
Speisekarte als Ideal aller Systematik vorzu-
schweben — sei nur eine hübsche Notiz hervor-
gehoben:

„Latouche, Gaston, nomme officier de la
legion d’honneur. — Gaston Latouche est
un peintre delicieux, un peintre des fetes
galantes.“

Die Charakteristik ist treffend; sie erinnert an
die „Nouvelles en trois lignes“ des „Matin“.

Unter „Rechtsprechung“ findet man ein Fran-
zösisches Gesetz über das gewerbliche Eigen-
tum in Hinterindien — Herr Loose denkt an
alles. Seine Sympathie für Frankreich scheint
überhaupt riesig zu sein; sie fängt aber an
peinlich zu werden, wenn er den nachbarlichen
Generalinspektor der Kunstschulen, Herrn Jules
Comte, leibhaftig abbildet und das Resultat
seiner Wahl ins „Institut de France“ in extenso
abdruckt, alles in wohlklingenden französischen
Lauten und beinahe ohne orthographische Fehler.
Er ist imstande, diese für uns alle kompromit-
tierende Lobhudelei verwegenster Ärt an den
betreffenden Herrn zu schicken, der sie dann
wahrscheinlich einem Witzblatt zur Verfügung
stellen wird.

Ruf der Mitarbeiterliste dieses „Organs“
stehen die Namen: Goldschmidt, Langa, Lehrs,
Lichtwark, Pauli, Tschudi, Woermann. Sie
haben es sich gefallen lassen, in solcher Um-
gebung zu erscheinen. Sie werden sich nun
vermutlich beeilen, dem Herausgeber die Über-
lassung ihres Namens zu kündigen, aber das
traurige Faktum an sich bleibt bestehen.

Daß solche Unternehmen wie „Original und
Reproduktion“, die nichts als ein unsauberes Ge-
schäft mit der Wissenschaft bedeuten, bei uns
möglich geworden sind, daß ein derartiger
Zauber erst an den Pranger gestellt werden
kann, nachdem ihm der Weltruf deutscher Ge-
lehrter zur Reklame gedient hat, das ist
Kartellsache. In diesem Sinne wünsche - 'ich
Emil Schaeffers Vorschlag zu erneuern.

Ernst Kühnei.
 
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