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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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19. Heft
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Zimmermann, Ernst: Worauf stützt sich unsere Kenntnis der Geschichte des chinesischen Porzellans?
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0629

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Worauf stützt sich unsere Kenntnis der Geschichte des chinesischen Porzellans? 601

nun selber alles aus den historischen Quellen schöpfen, aus ihnen selber uns mit Hilfe
unserer historischen Methoden die Geschichte dieses Kunstgebietes aufbauen können.
Damit ist dann aber auch die historische Grundlage für dies Gebiet gegeben.

Freilich so leicht und sicher, wie für ein Gebiet der europäischen Kunst hat sich
hier diese Grundlage doch nicht legen lassen. An die Quellen chinesischen Wissens
dringt niemand so leicht und einfach. Irren ist hier noch menschlicher als anderswo,
und Irrtümer und Mißverstände sind daher hier meist der Anfang des Wissens. Zu
schwierig, zu verwickelt, zu vieldeutig ist bekanntlich die seltsame Schriftsprache der
Chinesen, oft mehr gemacht, die Gedanken zu verbergen, als auszusprechen. Wenn
dann gar auf einem Gebiet, das, wie das keramische, ein recht kompliziertes und meist
wenig bekanntes ist, der Übertrager derselben ein völliger Laie ist, dann können diese
Irrtümer und Mißverständnisse nicht ausbleiben, ja, es wäre ein ganz unverhofftes
Glück, wenn sie hier ausblieben. Diese Sachlage hat die Festsetzung der Geschichte
des chinesischen Porzellans stark erschwert, sie ist mehrfach Ursache gewesen, das wir
hier Gegenstände und Überlieferungen nicht miteinander haben in Einklang setzen
können und dies z. T. noch immer nicht vermögen.

Allzu lange freilich ist es nicht her, daß wir überhaupt etwas wirklich Sicheres,
Positives von der Geschichte des chinesischen Porzellans wissen: nicht vor dem Jahre
1856, in welchem der für diese so hochverdiente französische Sinologe Stanislaus
Julien zum ersten Male eine Übersetzung chinesischer Quellen über dies Gebiet im Auf-
träge der französischen Regierung anfertigte. Was man vor jener Zeit von diesem
wußte, war einfach so gut, wie gar nichts, nicht einmal Verkehrtes. Man hatte sich
damals überhaupt noch gar nicht bemüht, hier irgend etwas zu behaupten und auf-
zustellen, eben weil man dazu auch nicht das geringste Material besaß. Das erste
Positive, das Europa nach den reinen Fabeleien des Mittelalters und der Renaissance
über dieses merkwürdige Produkt erfahren hat, ist ihm, von den wenigen ganz kurzen
sachlichen Bemerkungen Marco Polos abgesehen, bekanntlich durch die beiden im
Jahre 1712 und 1722 von dem längere Zeit in China anwesenden und tief in das-
selbe eingedrungenen Jesuitenpater Pere d’Entrecolles geschriebenen längeren Briefen
über diesen Gegenstand übermittelt worden, die dann im Jahre 1717 und 1724 in den
Lettres curieuses et edifiantes in Paris abgedruckt worden sind. Diese Briefe waren
ganz erstaunlich inhaltsreich und richtig. Sie haben auch heute für uns noch den
allergrößten Wert; aber in historischer Beziehung gaben sie, von einigen gelegentlichen
Bemerkungen abgesehen, so gut wie gar nichts. Wenn sie trotzdem für uns heute
einen großen historischen Wert besitzen, so liegt dies vor allem daran, daß sie so
ausführlich von einer Zelt handeln, die nun schon wieder fast zweihundert Jahre
zurückliegt, und die, was nicht gering angeschlagen werden darf, anerkanntermaßen
die Blütezeit des chinesischen Porzellans gewesen ist. Wir sind über diese daher heute
ganz ungewöhnlich gut unterrichtet.

Durch Juliens Arbeit aber ist die eigentliche Grundlage für eine Geschichte des
chinesischen Porzellans, die nun keiner mehr, der sich mit dieser beschäftigt, entbehren
kann, dadurch gegeben worden, daß er eins der wichtigsten chinesischen Quellenwerke
übersetzt hat, nämlich die „Geschichte der Porzellane der kaiserlichen Porzellanmanu-
 
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