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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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19. Heft
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Buchheit, Hans: Die Münchener kunstgeschichtlichen Ausstellungen aus Anlaß des kunsthistorischen Kongresses 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0635

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Die Münchener kunstgeschichtlichen Ausstellungen

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immer je zwei Seiten dem Beschauer sich dar-
bieten, ist dieser Versuch sehr gut gelungen,
und bei einzelnen Gruppen der Ausstellung
wurde ein selbst die Kenner überraschender
Eindruck erzielt. Ein von dem Unterzeichneten
verfaßter und für die Teilnehmer des Kongresses
gedruckter Katalog verzeichnete die sämtlichen
ausgestellten Stücke und unterrichtete über ihren
Inhalt, ihre Herkunft und die Ärt der künst-
lerischen Ausschmückung.

In die Geschichte der Miniaturmalerei in
Deutschland führte zunächst eine Anzahl ver-
schiedenartiger, meist in Bayern zur karo-
lingischen Zeit entstandener Handschriften ein.
Gar Manchem wird es hier neu gewesen sein,
zu erfahren, daß die berühmte Handschrift des
„Wessobrunner Gebets“ auch eigenartige, aller-
dings sehr rohe Federzeichnungen enthält. Ein
glanzvolles Bild boten die in einer Gruppe bei-
sammenliegenden Prachtbücher der Reichenauer
Malschule des 10. und 11. Jahrhunderts in der
großartigen Konzeption ihrer Darstellungen und
in ihrer leuchtenden Farbenherrlichkeit. Be-
sonders das berühmte Evangeliarium Kaiser
Ottos III. zog darunter die Blicke auf sich und
fesselte durch die monumentale Größe seiner
Bilder. Im Rahmen anderer hochbedeutender
Erzeugnisse der gleichen Schule kam es zu
wirkungsvoller Geltung. Die Erzeugnisse der
Regensburger Malschule des 11. Jahrhunderts
gruppierten sich ebenfalls zu einem augen-
fälligen schönen Ganzen; mit einem Blick da-
rüber konnte ihr hoher künstlerischer Wert er-
kannt werden. Auch hier stach wieder das
Hauptwerk der Gruppe, das Evangeliarium der
Äbtissin Uta von Niedermünster in Regensburg,
im Glanze seines Bilderschmuckes besonders
hervor. In einem eigenen großen Schrein
waren die bildergeschmückten Bände vereinigt,
welche aus dem Kreise der bayerischen Kloster-
malschule des 11. und 12. Jahrhunderts stammen,
einer Schule, welche man nach ihrem Haupt-
werk, dem eleganten Evangeliarium des Abtes
Ellinger von Tegernsee, wohl am besten mit
Tegernseer Malschule bezeichnet. Hier lagen
eine Anzahl Evangeliarien, von denen immer
die gleichen Bilderseiten aufgeschlagen waren,
so daß der Beschauer deutlich erkennen konnte,
wie immer eines vom andern dieser Pracht-
bücher kopiert war, bald sklavisch, bald mit
künstlerischer Selbständigkeit. Ein Zeitraum
von 150 Jahren der Maltätigkeit eines lokal be-
grenzten Kreises konnte hier bequem überblickt
werden. Nicht leicht eine andere Bibliothek
wird imstande sein, eine ähnliche Zusammen-
stellung zu bieten. Eine weitere eindrucksvolle
Gruppe ergab sich durch die Vereinigung der

Denkmäler der Salzburger Malschule des 11.
und 12. Jahrhunderts. Auch hier wieder konnte
man schon bei flüchtigem Überblick sich über
die charakteristischen Merkmale dieser Mal-
weise klar werden. Die sich anreihenden Hand-
schriften ließen erkennen, wie von der Mitte
des 12. Jahrhunderts bis ins 13. hinein in
Bayern eine Vorliebe für die Verwertung der
Federzeichnung zur Schmückung der Hand-
schriften herrschte, bis in den vielgenannten
Scheyrer Handschriften des 13. Jahrhunderts die
Farbe wieder zu ihrem Recht kommt. Vorzüg-
lich war das 13. Jahrhundert in der Ausstellung
vertreten, sowohl mit kirchlichen Handschriften,
besonders einer farbengiänzenden Würzburger
Gruppe, als auch mit den illustrierten Pracht-
handschriften deutscher Dichtungen. Letztere
setzten sich ins 14. Jahrhundert fort, und neben
ihnen lagen die originellen Bilderzyklen des soge-
nannten typologischen Bilderkreises. Gerade
in dieser Ausstellung wurde offenbar, wie sehr
diese Bilderzyklen, besonders die Biblia pau-
perum, vom 14. bis ins 15. Jahrhundert hinüber
die Anfertigung anderer illustrierter geistlicher
Bücher in den Hintergrund gedrängt haben.
Bei der Menge ihres Besitzes an Handschriften
des 15. Jahrhunderts mit Bilderschmuck stellte
die Bibliothek für diese Zeit nur auswahlsweise
eine Anzahl charakteristischer Stücke aus unter
Bevorzugung solcher von bayrischer Herkunft.
Hier berührte sich diese Miniaturenausstellung
mit der von Dr. Buchheit im Bayerischen
Nationalmuseum arrangierten Ausstellung von
Ältmünchener Tafelgemälden des 15.Jahrhunderts
und mochte manchen Beschauer daran erinnern,
daß die Geschichte der Malerei des Mittelalters
sich noch viel mit der Erforschung der Buch-
malerei beschäftigen muß, um zu weiteren Er-
gebnissen zu gelangen. Wie für das 15. Jahr-
hundert war auch für das 16. Jahrhundert nur
eine Auswahl aus den Miniaturenhandschriften der
Bibliothek getroffen. Wieder konnte man sehen,
wie alle diese Erzeugnisse des Verfalles des
künstlerischen Buchschmucks turmhoch überragt
werden von den genialen Randzeichnungen, mit
denen Albrecht Dürer das Gebetbuch Kaiser
Maximilians geschmückt hat. Den Schluß der
deutschen Miniaturenreihe bildeten die Werke
des phantasievollen Münchener Hofmalers Hans
Mielich, die letzten glanzvollen deutschen Haupt-
werke der Malerei im Buch.

Überraschend viele Bände mit schönen Er-
zeugnissen der französischen Miniaturmalerei
sind in der Münchener Bibliothek auf ver-
schiedenen Wegen zusammengekommen. An
ihrer Spitze steht als Prunkstück der berühmte
Codex aureus Karls des Kahlen, der in der

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