Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

DOI Heft:
19. Heft
DOI Artikel:
Buchheit, Hans: Die Münchener kunstgeschichtlichen Ausstellungen aus Anlaß des kunsthistorischen Kongresses 1909
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0637

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Münchener kunstgeschichtlichen Ausstellungen

609

hiesigen Frauenkirche her, die bis jetzt ziemlich
unbeachtet in einer Seitenkapelle hing.

Die im alten Stil arbeitende Schule Mäless-
kircher war bald zur Seite gedrängt durch eine
in den 80 Jahren emporkommende und bald
ungemein produktive Werkstatt, als deren einen
Meister wir Jan Polack kennen. Von ihm
rührt aus dem Anfang der achtziger Jahre der
für den Meister urkundlich belegte Weihen-
stephaner Ältar her (Galerie Schleißheim), mit
ruhigen Kompositionen ohne das stürmische
Wesen der späteren Arbeiten, bei denen Jan
Polack beteiligt war. Eigenhändige Arbeiten
von ihm waren die Bildnisse der Gründer des
Klosters Benediktbeuren vom Jahre 1484 (Galerie
Schleißheim), die Ältarausstattung aus der
Schloßkapelle in Blutenburg und der unvoll-
ständige Ändreasaltar von 1513 (Frauenkirche).
Seiner Werkstatt entstammte auch der Franzis-
kaneraltar von 1492, aus dem bager. National-
museum, dessen inneres Flügelpaar, z. Z. in der
Burghausener Galerie, wohl bald wieder mit
dem Hauptaltar vereinigt wird.

Die gewaltigste Schöpfung der Münchener
Schule, entstanden um 1480—90, der ehemalige
Hochaltar der Peterskirche, war vollständig zur
Stelle bis auf eine Tafel, die verschollen ist.
Nachdem in der letzten Zeit die Tafeln von
einer dicken Schmutzschicht gänzlich gereinigt
wurden, können wir uns endlich wieder von
seinem ursprünglichen farbenprächtigen Zustand
ein richtiges Bild machen. Es sind sicher
mehrere Künstler an dem umfangreichen, aus
12 Tafeln größten Formats bestehenden Altar-
werk beschäftigt gewesen, manches wurde dabei
handwerklich roh heruntergestrichen, aber im
allgemeinen tritt eine großzügige, originelle
Auffassung des Themas hervor und besonders

die Passionsszenen sind von dramatischer
Wucht, bisweilen aber auch von überschäumen-
der Leidenschaftlichkeit erfüllt. Nur mit dem
Raumproblem konnte die Münchener Schule
dieser Zeit nicht zu Rechte kommen, obwohl
sie ihr Nichtkönnen durch eine bizarre, aber
malerisch sehr fein durchgearbeitete Kulissen-
architektur geschickt zu verdecken wußte.

Ein großes Schutzmantelbild aus der Frauen-
kirche veranschaulichte die in der Münchener
Kunstschule oft vorkommende Form der Votiv-
bilder, eine ähnliche Arbeit war ein Votivbild
des Ritters Wilhelm von Haslang vom Jahre 1504
(National-Museum).

Ein Erbärmerbild von 1489 (Sammlung Sepp),,
das ich auf Grund der Stifterwappen im Katalog
der Münchener Schule zugewiesen habe, möchte
ich jetzt nach näherem Vergleich mit den sicheren
Werken der Münchener Schule und nachdem
das Wappen des Stifters auch ein schwäbisches,
nicht nur ein münchnerisches, sein kann, der
Augsburger Schule zuweisen.

Mit ausgestellt war der Pähler Altar, der
nun nacheinander der böhmischen, bayerischen
und Salzburger Schule zugeschrieben wird, sicher
läßt sich bis jetzt wohl nur an seinem süd-
deutschen Ursprung festhalten. Sehr nahe steht
ihm ein aus der Sammlung Sepp stammendes
Marienbild, aus Benediktbeuren kommend, leider
stark übermalt.

So hat die Ausstellung in erster Linie
klärend gewirkt auf die bisher noch sehr
dunklen Begriffe, die man von der Münchener
Malerschule des XV. Jahrhunderts hatte. Hoffent-
lich wird uns nun auch in nicht allzu weiter
Ferne die Münchener Plastik, die über ein vor-
zügliches, viel reicheres Material verfügt, in ihren
Haupttypen geschlossen vorgeführt.

H. B uchheiL
 
Annotationen