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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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23. Heft
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Reiche, Richart: Das Rheinische Provinzial-Museum zu Bonn
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0752

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724

Der Cicerone

Heft 23

führte, in helle freundliche Räume überführt und einem größeren Kreise zugänglich
gemacht zu werden: Die Gemäldesammlung des kunsthistorischen Instituts
der Universität, die, eine Leihgabe der königl. Museen, aus 74 meist frühen italie-
nischen, auch deutschen und niederländischen Bildern bestand. Vereinigt mit dem
kleinen Bestände des Provinzial-Museums selbst, der unter seinen 25 Gemälden einige
hervorragende Werke rheinischer Frühkunst aufweist, würden diese Schätze ein fast
lückenloses Bild von der Entwicklung der europäischen Malerei im XV., XVI. und
XVII. Jahrhundert entwerfen. Gern gaben da Stadt und Universität ihre Sammlungen und
das Kaiser Friedrich-Museum den Rest der Wesendonk-Galerie her, um sie in dem
von der Provinz gestifteten Neubau mit der Sammlung der Rheinischen Kunstwerke zu
vereinen.

Diese selbst hatte, dank den zehnjährigen Bemühungen des Provinzial-Konser-
vators Prof. Dr. Clemen, aus dem „Fonds für gefährdete Kunstdenkmäler“ inzwischen
einen erfreulichen Zuwachs an guten Stücken mittelalterlicher Bildhauerkunst und so
zusammen mit den frühen rheinischen Miniaturen und Gemälden des Museums den
Grundstock zu einer Abteilung mittelalterlicher Kunst erhalten, die gerade für die
rheinische Kunstgeschichte wahrlich nicht das unwichtigste Glied in der Kette der Ent-
wicklung ist. Bei dem durch die Geschichte dieser Wissenschaft begründeten Vorsprung
der Archäologie vor der modernen Kunstgeschichte ist es nur zu leicht erklärlich, daß die
Sammeltätigkeit im Bonner Provinzial-Museum bisher eine vorwiegend archäologische
war. Neben der erdrückenden Anzahl der römischen Steinmonumente, der Grabdenk-
mäler und Altäre, Meilen- und Inschriftsteine, die Keller- und Erdgeschoß füllten, neben
den Riesenvitrinen mit römischen, vorgeschichtlichen und fränkischen Töpferwaren, Stein-,
Eisen- und Bronzegeräten verschwanden die Werke des Mittelalters und der neueren
Zeit in ein paar kleinen Räumen. Mit umso größerer Freude wird man es begrüßen,
wenn jetzt die Erkenntnis wächst, daß rheinische Kunst und Kultur ihre herrlichsten
und reichsten Blüten im Mittelalter entfalteten und die Brücke der Kunst bis hin
zu den Lebenden geführt werden müsse, das Museum einen neuen Weg ein-
zuschlagen hat, auf welchem die Sammlung zu einer den geschichtlichen Tat-
sachen entsprechenden Vertretung der einzelnen Epochen rheinischer Kunst gelangen
wird. Je mehr gerade die mittelalterliche Abteilung dem Umfang sich nähert, der ihr
zukommt, und den zu erreichen eine der dringendsten Aufgaben des Museums ist, umso
leichter dürfte ein Vergleich den Entschluß machen, manche recht unbedeutende Aus-
grabungsfunde, die jetzt noch das Niveau der archäologischen Abteilung drücken, zu-
gunsten besserer mittelalterlicher Qualität bei Seite zu stellen. Künstlerische Qualität
sollte der oberste Grundsatz auch für die Aufnahme in die Sammlungen eines Museums
sein, das wie das Bonner Provinzial-Museum die Geschichte einer Kulturentwicklung
geben will. Denn schließlich ist doch höchster Ausdruck der Kultur die Kunst. In ihr
ist alle beste Kraft vergangener Geschlechter konzentriert zu immer lebendiger Wirkung,
und sie allein spricht nach Jahrhunderten noch zum Herzen der Menschen, wenn alle
anderen Denkmäler nur historisches Interesse heischen. Daß unter diesem Gesichtspunkt
jetzt die künstlerisch wertvollsten Stücke in den Vordergrund gerückt sind, ist wie die
ganze im übrigen streng historische Neuordnung des Museums das Verdienst des als
 
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