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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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23. Heft
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Reiche, Richart: Das Rheinische Provinzial-Museum zu Bonn
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0756

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728

Der Cicerone

Heft 23

die fränkischen Altertümer, frühchristliche und merowingische Grabsteine, darunter
einer mit den rätselhaften Reliefs eines Kriegers, der sich das Haar kämmt (?) und
auf der Rückseite des Steines noch einmal mit der Lanze, nackt und das Haupt von
einem Strahlenkranz umgeben (in der Verklärung?) dargestellt ist. In z. T. etwas
stark veralteten Vitrinen liegt herb und klar geformter Goldschmuck mit Filigran und
Zellenschmelz, dessen Stilempfinden unserer Zeit verwandt erscheint.

Mit dem letzten Saal 16 des Untergeschosses betreten wir die mittelalter-
liche Abteilung, die der Direktorialassistent Dr. Cohen einrichtete. Mit den hier ver-
einigten Erzeugnissen rheinischer Keramik des Mittelalters und der Neuzeit hat
er eine gute Lehrsammlung des Cöln-Frechener, Siegburger, Raerener und Westerwälder
Steinzeugs zusammengebracht und mit all den Töpfen und Fliesen und besonders mit
den dekorativen bunten Bauerntöpfereien des XVIII. Jahrhunderts aus der Gegend von
Geldern und Crefeld ein überaus geschmackvolles Arrangement erzielt, das diesen Raum
mit seinen frischen grauen Wänden und den sauberen Vitrinen aus hellem Eichenholz zu
einem der intimsten Kabinette des Museums macht. Auf den Emporen (17) sind die
Skulpturen der gotischen Epoche, d e r R en a i s s a n c e und des Barock
aufgestellt, die Prof. Clemen der Gefahr der Verschleppung und Verwahrlosung in der
Provinz entzogen und seit Jahren für diese Abteilung gesammelt hat. Als ältestes Stück
steht hier die bekannte Grabsteinplatte mit dem Mosaikbildnis des 1152 verstorbenen Abtes
Gilbert von Laach. Sehr gut heben sich auf der einen Längswand die meist der
Farbe beraubten gotischen Stein- und Holzskulpturen vor zwei mit grünem Rupfen
bespannten Rahmen ab, die oben ein Fries aus kleinen Renaissance-Holzreliefs (Szenen
aus dem Alten Testament) vom Baldachin eines Chorgestühls aus Emmerich abschließt.
Unter den früh- und hochgotischen Arbeiten ist eine sitzende Madonna mit Kind
hervorzuheben, in den schlanken Proportionen und der lang fließenden Gewandung
ein vornehmes Werk von der Wende des XIII. Jahrhunderts, vom Ende des XIV. die
in ihrer Polychromierung nicht einheitliche Cölnische Hotzstatue der sitzenden Maria
aus Lindern, vor allem dann die aus der Sammlung T h e w a 11 erworbene herr-
liche Steinstatue der stehenden Madonna mit dem Kinde auf dem Arm. Der ge-
schwungene Contur, der raffinierte Kontrapost der hochhüftigen Gestalt, die virtuose
und großzügige Gewandbehandlung mit ihren tiefen Unterschneidungen und der
charakteristischen Raffung des Mantelsaumes an der Hüfte lassen zeitlich und sti-
listisch das Werk mit den Chorstatuen des Kölner Domes (Mitte XIV. Jahrhunderts)
eng verwandt erscheinen, nur daß es von breiterer Massigkeit ist. Ich würde die
Statue, an der übrigens Nase und Hände der Madonna und der Oberkörper des
Kindes ergänzt sind, eher für französisch als für mittelrheinisch ansprechen. Dem
großen Gobelin gegenüber steht vor der hellen Schmalwand der Empore die durch
ihre tadellos erhaltene Polychromierung und den seelischen Ausdruck ihrer Gestalten
ausgezeichnete mittelrheinische Kreuzgruppe in zweidrittel Lebensgröße von Schloß
Renneberg, wahrscheinlich aus der Kirche in Trechtingshausen am Rhein stammend,
um 1480. Von den Renaissancearbeiten sei das Tuffstein-Epitaph Wiltberg des Peter
Osten vom Jahre 1571 erwähnt, aus der Kirche von Alken a. d. Mosel.
 
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