Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

DOI Heft:
24. Heft
DOI Artikel:
Entdeckungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0810

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
780

Der Cicerone

Heft 24

gemacht hat. Unter denen, die sich noch da-
mals gegen das Bild ausgesprochen haben, ge-
hört u. a. Waagen. Heute, wo der Rückkauf
des Gemäldes durch eine der großen deutschen
Galerien nicht zu den Unmöglichkeiten gehört,
wird man die Echtheitsfrage mit einem anderen
Maßstabe messen. Man weiß, daß Dürers
Schöpfungen aus einer bestimmten Periode, d. h.
in den Jahren vor 1520, besonders hart und
verknöchert gewesen sind; es gibt zahlreiche
Beispiele wie die Madonna in Äugsburg u. a.
Das Ännabild, das aus dieser Zeit ist, stimmt
durchaus im Charakter dazu, obwohl es be-
sonders wegen des unsympathischen Annatypus
unangenehm berührt.

Wir kennen die Komposition in zahlreichen
Wiederholungen. Das Dresdener Exemplar darf
zweifellos als die Vorlage angesprochen werden.
Wir verdanken die obigen historischen Notizen
der besonderen Freundlichkeit des Herrn Willy
Bayersdorfer, dem wir für die Überlassung der-
selben lebhaft verpflichtet sind.

FLORENZ

In der Sitzung des Kunsthistorischen Institutes
vom 6. Dezember erhielt zunächst Herr Dr. Bombe
das Wort, um über einen Fund, den er in Pe-
rugia gemacht hatte, eine vorläufige Mitteilung
zu machen. Der Vortragende erzählte zunächst,
daß durch eine Indiskretion des Peruginer Be-
richterstatters des Giornale d’Italia der Öffent-
lichkeit nicht nur früher, als er es gewollt, Nach-
richt von diesem Funde zugegangen sei, sondern
daß auch die Schlüsse, die er aus diesem Fund
gezogen hätte, in dem Zeitungsbericht entstellt
worden seien. Keineswegs sei er der Meinung,
daß die vier „Tageszeiten“ der Mediceerkapelle
von Gehilfen Michelangelos gearbeitet wären
nach jenen Modellen, von denen er die Äbgüsse
in der Akademie zu Perugia gefunden habe.
Nein, auch die Figuren der Sagrestia Nuova
hält Dr. Bombe für eigenhändige Werke Mi-
chelangelos.

Der Vortragende erklärte nun an der Hand
von Photographien der Peruginer Gipse und
der Florentiner Marmi, sowie auf Grund von
Messungen, die an den Figuren in Perugia und
Florenz vorgenommen worden sind, daß die
Gipse keine Abgüsse der Marmorfiguren sein
könnten. Denn nicht nur differieren die Maße,
auch einige Details sind bei den Gipsen anders
gebildet oder fehlen ihnen überhaupt. Aus
diesen Umständen schloß Dr. Bombe, daß die
Abgüsse in Perugia nicht nach den Marmi der
Mediceerkapelle, sondern nach hypothetischen,
verlorenen Originalmodellen Michelangelos her-
gestellt worden seien. Die Form dieser Original-

modelle wäre uns also in den Peruginer Gipsen
erhalten.

DerBildhauer HerrVermehren jun. brachte da-
gegen vor, daß die Oberfläche der Äbgüsse nicht
einheitlichen Charakters sei. Während einige
Partien zeigten, daß der abgeformte Körper
Ton gewesen war, wiesen andere auf Stein.
Meißelschläge seien deutlich erkennbar. Und
zwar wiesen alle wichtigen Partien auf Stein.
Herr Vermehren ließ seinen Beobachtungen die
Erklärung folgen: Die Formen der Peruginer Gipse
seien nach den Marmi gemacht und zwar seien
die wichtigsten Partien von diesen direkt abge-
formt worden. Die Verbindung dieser Formen-
stücke, sowie Nebensächliches sei dann in Ton
modelliert worden. Nhr so sei die Verschieden-
artigkeit der Oberfläche der Gipse zu erklären,
so erkläre sich auch die Maßdifferenz zwischen
Marmi und Gipsen, die noch dazu verhältnis-
mäßig gering (12 cm bei ca. 2 m) sei.

Der Berichterstatter schließt sich der Ansicht
des Herrn Vermehren an. Wofern die Photo-
graphien nicht völlig trügen, ist es ganz un-
glaubhaft, daß die Gipse auf Modelle Michel-
angelos zurückgehen. Der Unterschied zwischen
den Peruginer und den Florentiner Figuren scheint
nicht der zweier Entwicklungsstadien, sondern
der zwischen Original und nachlässiger Nach-
bildung zu sein.

Darauf machte Herr Professor Hülsen inter-
essante Mitteilungen über seine Untersuchungen
des Codex des älteren Giuliano da San Gallo im
Vatikan. Zum Schluß sprach Dr. Corwegh über
den sogenannten kleineren Codex Ghiberti.

Hadeln.

TERNI

Das kleine Kirchlein S. Salvatore bei Via
delle Conche, das sich auf den Fundamenten des
antiken Sonnentempels erhebt, ist kürzlich ge-
schlossen worden. Unter Leitung des Cav. Luigi
Lanzi werden dort mit Unterstützung des Mi-
nisteriums Ausgrabungen veranstaltet, welche
schon einige Reste des antiken Tempels zu
tage gefördert haben. Außerdem sind in der
frühmittelalterlichen Kirche selbst bemerkens-
werte Reste von Fresken des Duecento, darunter
ein Apostel Paulus, und in einer der Kapellen
Malereien des XIV. Jahrhunderts, eine Kreuzi-
gung, eine Madonna mit dem Kinde, die Figur
eines S. Giovanni Battista, Halbfiguren von
Heiligen und am Gewölbe Evangelistensymbole
zum Vorschein gekommen. Die ältesten Teile
des Kirchleins gehen bis in das VII. Jahrhundert
zurück. Anbauten späterer Jahrhunderte haben
den ursprünglichen Charakter des Gebäudes bis
zur Unkenntlichkeit entstellt.
 
Annotationen