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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Graf, Oskar Maria: Heinrich Maria Davringhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0084

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licßkeiten, die in ihrer Schönheit und Weite eine weiche, wunderliche Ruhe ausrtrömen.
Solche Welten begeiftern nicht, reißen nicht mit. Sie machen fanft. Würde diefer
Maler beifpielsweife Italien oder Griechenland, rein dem Landfdjaftlichen nach, erleben
und aus diefen Bereichen zu fchöpfen beginnen, es kämen Bilder von ihm, die fich
(und hier leuchtet eine unverhoffte, ferne Verwandtfchaft auf) neben die Rottmanns
ftellen könnten. Ebenfo heroifd) und etwas ins Prachtmäßige auslaufend, ebenfo
formal gefchloffen, wie bewältigt und gleichfam getragen farbig wären fie. Nicht das
geringfte an gemeifterter Betrachtung würde fehlen — nur eines vermißte man immer
und immer wieder: Das Nahe, das Verbundene mit den Wirklichkeiten der Landfdjaft.
In Heinrich Maria Davringhaufens Landfchaften ift „Friede“, aber keiner, der fröhlich,
erdig, unbefangen und bezwingend leicht macht. In diefen Bildern ift ein müder Bauet)
von Melancholie, ift die Sehnfucht des Städters nach den ruhigeren, feligen Gevierten,
nicht aber die Gewißheit des in folcher Welt Wurzelndem. Aus diefen Werken des Malers
ftrömt kein Daheimfein, ein Betrachten fprid)t daraus. Man möchte faft fagen, die träu-
mende Idee formt und verfinnbildlidr)t Erfetjntes, das fremd und rätfeltjaft und fo lange
beunruhigend im Gefühl auftaucht, bis es letzte Geftalt und endlichen Äbfchluß gefunden hat.
Es ift höchft bezeichnend für die Grundrichtung der Begabung Davringhaufens, wie
er nach folgen Verfudjen allmählich ins Exakte gerät und in zahlreichen, oft fleh
wiederholenden Studien dazu übergeht, mit der Bewältigung des Raumes ins klare zu
kommen. Es gibt einige „Fenfternifchen“ — manchmal noch grell und fpröde in der
Farbe — die als Experimente blitzartig die Art feines Schaffens aufieuchten laffen.
Viel zu aufdringlich Gefügtes ftört ab und zu noch- Einfachheit und wirkliche Be-
wegung dringen erft in den Bildern „Stilleben 1923“ und befonders in dem glänzend
gelöften Werke „Junge mit Seifenblafen“ völlig durch-
Mit einer Wucht und Vehemenz aber, wie fie bei folch abwägenden Begabungen
höchft feiten find, findet Davringhaufen nach diefen Stücken endlich feinen eigenften
Bezirk: Das Porträt, Und dies ift endlicher Durchbruch- Porträt als Anlaß, ein Men-
feßenwefen zu verdeutlichen, war immer eine reizvolle Aufgabe. Und wer zufdjauend
die Entwicklung der jüngften Kunftbeftrebungen verfolgt hat, konnte aus der geradezu
haftigen 3unahme der Bildnismalerei allerhand Symptome aus diefer Catfache feftftellen. Die
Wegrichtung vom Allgemeinen ins Einzelne, vom Abftrakten zum Konkreten war dieEnt-
fcheidung für Viele. Und es gibt Wenige, die gerade durch die Porträtmalerei wieder ins
Weite, ins Gefamte fanden. Die Meiften endeten beim Darftellen der Einzelzufälligkeit,
ihnen ward ein Geficht nie Welt, nie Cyp. Selbft die vielverfprechendften Begabungen find
in diefem Falle in eine Sackgaffe geraten, weil ihnen das abging, was FJeinrich Maria
Davringhaufen geradezu zum Porträtmaler fchlechtweg macht; Die Ideenhaftigkeit.
Denn es kommt nicht darauf an, daß man meinetwegen einen xbeliebigen Fferrn
Soundfo — gleichgültig ob wefenhaft oder nicht — malt. Wer tyeute anfängt und
Bildniffe geftaltet, muß den Mut zum Cypifcßen haben. Gerade dies zeichnet Davring-
haufen aus, daß er abweicht von der 3ufälligkeit diefes oder jenes Antlitzes, daß feine
Porträts Glieder einer Kette find, Stücke aus einem 3yklus, ohne dabei das Menfd}~
liehe zu verlieren. Das ift das Bezeichnende an diefem von einer ganz neuen Ein-
dringlichkeit Befeffenen, daß er mit einer bis zur Reife gekommenen Konfequenz diefe
eben bezeichneten Aufgaben erkannt hat, daß er immer an dem Beifpiel eines Bild-
niffes gleichfam das Geficht eines Ceiles der ganzen heutigen — fagen wir — Menfd)-
haftigkeit aufzeigt. Und dies nicht mit irgendeiner Verkünderabficht, fondern unbe-
ftechlich geftaltet. Geftaltet infofern nämlich, als felbft die Farbe Mittel wird, das
Pfychifche deutlich zu machen, daß der Raum wahrhaft nur für diefen einen Cyp da
zu fein fcheint. Bier hat zum erften Male einer mit einer Waghalfigkeit, wie fie feines-
gleichen fud)t, begonnen und Menfchen in ihren Raum, in ihre Welt geftellt. Eine prin-
zipielle Erkenntnis wurde hier derKunft erobert. Diefer junge Aachener darf fid) zu jenen
rechnen, von denen man gemeiniglich fagt, daß fie das Signal für das Weitere geben . . .

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