Auch die in Nürnberg vorhandene Spannung zwifchen Kopf und Fjand der Mutter
einerfeits und dem Kind andererfeits, ift ftark gedämpft, fcßon indem die Diftanz eine
geringere ift und die Blicke fiel) nicht mehr fdharf gegeneinander drehen. Ob freilich
der etwas ausdruckslos und tief zwifchen den Schultern fifeende Kopf des Regens-
burger Kindes wirklich alt ift, ift in dem gegenwärtigen 3uftande der Figur kaum zu
entfeheiden.
Im einzelnen ift die plaftifche Struktur der Faltenformationen im Sinne des fort-
gefchritteneren 14. Jahrhunderts verändert. Von allen Seiten her haben große konkave
Mulden die taftbaren Einzelfalten, etwa der vor der Schoßpartie hängenden Schöffeln
des Mantels, angezehrt. Das Konkave hat Übergewicht über das Konvexe erlangt. Die
Fühlungen in und zwifchen den Falten wirken ftärker als die Falten felbft. Die in
Nürnberg breit auseinanderwallenden Röhren an der Standbeinfeite find enger und
kleinlicher gelegt, ßäufung der Saumüberfchläge dient nur dazu, die blickführende
Kraft der durchgehenden vertikalen Parallelzüge zu betonen. Man läßt die Stoff-
feßießten eng aneinander kleben, um fiel) neuer linearer Ordnungen der Fläche zu
erfreuen.
(Her wollte leugnen, daß die Qualität der fpäteren Figur eine geringere ift! Man
fühlt den Widerfprucß zwifchen der im Kern noch vorhandenen alten Lebendigkeit
eines urfprünglicß plaftifcß und mimifch empfindenden Stiles und den modernen Forde-
rungen, die doch nur von außen an den Meifter herangetreten zu fein feßeinen. Er
hat fiel) angepaßt, fo gut er konnte, hat Konzefßonen gemacht an das, was ißn an
Kunft von jüngeren Kräften umgab, im übrigen ift er dem alten Empfinden treu ge-
blieben. Die Nürnberger Madonna ftand noch auf der F)öhe des ißrem Meifter in
Fleifcß und Blut gewaeßfenen Stils, war reife Leiftung feiner Mannesjaßre. Die Regens-
burger ift die Scßöpfung eines Ältgewordenen. Etwa in den 1260 er Jahren mag er
geboren fein. Dann wäre die Scßottenmadonna vielleicht das Werk eines 60 bis
70jäßrigen.
3. Madonna im Chor von Niedermünfter, Regensburg
3eitlid) zwifchen Lorenzer und Scßottenmadonna dürfte die überlebensgroße Mutter-
gottes entftanden fein, die an der füdlicßen Cßorwand des Regensburger Niedermünfters
auf einer feßönen, woßl fpäteren Konfole fteßt. Sie feßeint die Lorenzer oder eine
ganz ähnliche Figur vorauszufefeen, ift aber von anderer, etwas jüngerer Fjand. Die
bisßer übliche Datierung um 13501 füllte fiel) feßon im Fjinblick auf die recht äßnlicße
Madonna der Königsanbetung im Würzburger JDom verbieten, die Pinder2, nachdem
fie vorßer ebenfalls als fpäter galt, um 1305 — 1310 angefefet hat. Die Würzburgerin
fteßt zeitlich woßl zwifchen der Lorenzer und der Niedermünftermadonna, mit denen
fie in mancher Beziehung eine gefcßloffene Gruppe bildet, die, wenn es fiel) aud)
gewiß nicht um Arbeiten gleicher Meifter handelt, keinesfalls in ganz verfeßiedene
Menfcßenalter auseinandergeriffen werden darf.
3eigte die Scßottenmadonna, wie die Lorenzer von ißrem eigenen Meifter in einem
fpäteren Jaßrzeßnt korrigiert wird, fo gibt die Niedermünftermadonna uns Anfcßauung
von der Umformung, die ein anderer und jüngerer vornimmt. Man fießt fofort die
außerordentliche Verfcßiedenßeit in der perfönlicßen Stimmung, in der fieß zugleich eine
Wandlung des Lebensgefüßls der Generationen ausfprießt. Fjier erfolgt die Dämpfung
des aktiven wachen Sicßfüßlens der Lorenzer nicht wie bei der Scßottenmadonna von
außen her, macht pcß nicht bloß an der geiftigen Peripherie der Figur geltend, fondern
kommt aus dem 3entrum. Jefei ift es ein träumerifeßes Vergleiten in erfcßlaffendem
1 H. Seyler: (Die mittelalterliche Plaftik Regensburgs, München 1£05 S. 76), datiert pe ans Ende,
Schinnerer (a. a. O. S. 68) ins zweite Drittel des 14 Jahrhunderts. Ebenfo ß. Riehl (a. a. O.).
2 01. Pinder: Mittelalterliche Plaftik Olürzburgs 1911, S. 44 ff.
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einerfeits und dem Kind andererfeits, ift ftark gedämpft, fcßon indem die Diftanz eine
geringere ift und die Blicke fiel) nicht mehr fdharf gegeneinander drehen. Ob freilich
der etwas ausdruckslos und tief zwifchen den Schultern fifeende Kopf des Regens-
burger Kindes wirklich alt ift, ift in dem gegenwärtigen 3uftande der Figur kaum zu
entfeheiden.
Im einzelnen ift die plaftifche Struktur der Faltenformationen im Sinne des fort-
gefchritteneren 14. Jahrhunderts verändert. Von allen Seiten her haben große konkave
Mulden die taftbaren Einzelfalten, etwa der vor der Schoßpartie hängenden Schöffeln
des Mantels, angezehrt. Das Konkave hat Übergewicht über das Konvexe erlangt. Die
Fühlungen in und zwifchen den Falten wirken ftärker als die Falten felbft. Die in
Nürnberg breit auseinanderwallenden Röhren an der Standbeinfeite find enger und
kleinlicher gelegt, ßäufung der Saumüberfchläge dient nur dazu, die blickführende
Kraft der durchgehenden vertikalen Parallelzüge zu betonen. Man läßt die Stoff-
feßießten eng aneinander kleben, um fiel) neuer linearer Ordnungen der Fläche zu
erfreuen.
(Her wollte leugnen, daß die Qualität der fpäteren Figur eine geringere ift! Man
fühlt den Widerfprucß zwifchen der im Kern noch vorhandenen alten Lebendigkeit
eines urfprünglicß plaftifcß und mimifch empfindenden Stiles und den modernen Forde-
rungen, die doch nur von außen an den Meifter herangetreten zu fein feßeinen. Er
hat fiel) angepaßt, fo gut er konnte, hat Konzefßonen gemacht an das, was ißn an
Kunft von jüngeren Kräften umgab, im übrigen ift er dem alten Empfinden treu ge-
blieben. Die Nürnberger Madonna ftand noch auf der F)öhe des ißrem Meifter in
Fleifcß und Blut gewaeßfenen Stils, war reife Leiftung feiner Mannesjaßre. Die Regens-
burger ift die Scßöpfung eines Ältgewordenen. Etwa in den 1260 er Jahren mag er
geboren fein. Dann wäre die Scßottenmadonna vielleicht das Werk eines 60 bis
70jäßrigen.
3. Madonna im Chor von Niedermünfter, Regensburg
3eitlid) zwifchen Lorenzer und Scßottenmadonna dürfte die überlebensgroße Mutter-
gottes entftanden fein, die an der füdlicßen Cßorwand des Regensburger Niedermünfters
auf einer feßönen, woßl fpäteren Konfole fteßt. Sie feßeint die Lorenzer oder eine
ganz ähnliche Figur vorauszufefeen, ift aber von anderer, etwas jüngerer Fjand. Die
bisßer übliche Datierung um 13501 füllte fiel) feßon im Fjinblick auf die recht äßnlicße
Madonna der Königsanbetung im Würzburger JDom verbieten, die Pinder2, nachdem
fie vorßer ebenfalls als fpäter galt, um 1305 — 1310 angefefet hat. Die Würzburgerin
fteßt zeitlich woßl zwifchen der Lorenzer und der Niedermünftermadonna, mit denen
fie in mancher Beziehung eine gefcßloffene Gruppe bildet, die, wenn es fiel) aud)
gewiß nicht um Arbeiten gleicher Meifter handelt, keinesfalls in ganz verfeßiedene
Menfcßenalter auseinandergeriffen werden darf.
3eigte die Scßottenmadonna, wie die Lorenzer von ißrem eigenen Meifter in einem
fpäteren Jaßrzeßnt korrigiert wird, fo gibt die Niedermünftermadonna uns Anfcßauung
von der Umformung, die ein anderer und jüngerer vornimmt. Man fießt fofort die
außerordentliche Verfcßiedenßeit in der perfönlicßen Stimmung, in der fieß zugleich eine
Wandlung des Lebensgefüßls der Generationen ausfprießt. Fjier erfolgt die Dämpfung
des aktiven wachen Sicßfüßlens der Lorenzer nicht wie bei der Scßottenmadonna von
außen her, macht pcß nicht bloß an der geiftigen Peripherie der Figur geltend, fondern
kommt aus dem 3entrum. Jefei ift es ein träumerifeßes Vergleiten in erfcßlaffendem
1 H. Seyler: (Die mittelalterliche Plaftik Regensburgs, München 1£05 S. 76), datiert pe ans Ende,
Schinnerer (a. a. O. S. 68) ins zweite Drittel des 14 Jahrhunderts. Ebenfo ß. Riehl (a. a. O.).
2 01. Pinder: Mittelalterliche Plaftik Olürzburgs 1911, S. 44 ff.
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