Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0208
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Glück, Heinrich: Die Stellung Wiens in der neueren Kunst, 2. Teil
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ßeilftätte, Poftfparkaffengebäude), im Haus- und Villenbau (Villa Klagner), [ondern [ogar
in dem der Großftadtzivilifation am fernften liegenden Gebiet, im Kircßenbau (Kircße am
Steinßof, Äbb. 4) die künftlerifcße Faffung des weftlicßen Geiftes erkennen. Ja aud)
da kann behauptet werden, daß nur in diefer, an der Grenze naiv gläubiger Oftvölker
gelegenen Stadt nocß die Löfung diefes einzig dafteßenden, dem Großftadtmenfcßen
entfprecßenden Kircßenbaues gelingen konnte. Von den tecßnifcßen Kniffen zur Haltbar-
keit der Kuppelvergoldung bis ßerab zu dem ßygienifcßen Kleißwafferbeßälter ift den
werkließen und zivilifatorifeßen Änfprücßen Genüge geleiftet und aus ißnen ift die neue
Form geboren, dnd doeß blieb folcß ein Klerk nießt bloß teeßnifeße Leiftung, das Er-
lebnis nießt bloß auf 3weck- und Materialform befeßränkt, wie in fo vielen weftlicßen
Bauten, ßier ift ein Meßr gefeßaffen, das über erkennendes und reflexives Erlebnis
ßinausgeßt: zu weicßücß und dekorativ würde es der Kleftler, zu ßart und ftreng der
Oftländer nennen — Mußk der Kliener.
dnd das Scßickfal diefer Ärcßitektur? Es ift aus dem Gefagten felbftverftändlicß. Von
den Genoffen und Scßülern Klagners, befonders von Jofef Fjoffmann und Olbricß wurde
fie in alle Kielt getragen: in Brüffel (Stockletßaus), auf der internationalen Kunftaus-
ftellung im Rom 1911, auf der Kölner Klerkbundausftellung erfeßienen diefe Bauten
wieder als das Exzeptionelle. Äber der Kleften konnte es als folcßes nießt überneßmen,
es wurde zu einem Neuklaffizismus, der ftatt in den leießten Äusftellungs- und Villen-
bauten Hoffmanns in Fabriksgebäuden fein FJöcßftes leiftete. Im Often, über den Balkan
bis Konftantinopel und in Italien folgte es bezeießnenderweife den weießeren Formen
Olbricßs in dnterßaltungsbauten, Äusftellungsßallen und Cßeatern. So war die Cat
Kliens wieder international, aber zu univerfal um international auszuwirken. — ünd
die Kliener felbft? Sie verfteßen ißr Klienertum immer nur von der einen oder andern
Seite: die einen find zu fremdmodifcß, weftlicß, um das ßeimifeße in der Verfcßmelzung
zu erkennen, die andern zu kleinbürgerlicß, um international zu fein. Daß trofedem fo
viele Bauten dem Meifter übertragen wurden, verdankt Klien doeß nur den wenigen
Köpfen, die die Stellung der Stadt in ißrer 3eit erkannten. (Fortfeßung folgt.)
Guftave Dore.
Äus „Balzac, Contes drolatiques. 1855“.
in dem der Großftadtzivilifation am fernften liegenden Gebiet, im Kircßenbau (Kircße am
Steinßof, Äbb. 4) die künftlerifcße Faffung des weftlicßen Geiftes erkennen. Ja aud)
da kann behauptet werden, daß nur in diefer, an der Grenze naiv gläubiger Oftvölker
gelegenen Stadt nocß die Löfung diefes einzig dafteßenden, dem Großftadtmenfcßen
entfprecßenden Kircßenbaues gelingen konnte. Von den tecßnifcßen Kniffen zur Haltbar-
keit der Kuppelvergoldung bis ßerab zu dem ßygienifcßen Kleißwafferbeßälter ift den
werkließen und zivilifatorifeßen Änfprücßen Genüge geleiftet und aus ißnen ift die neue
Form geboren, dnd doeß blieb folcß ein Klerk nießt bloß teeßnifeße Leiftung, das Er-
lebnis nießt bloß auf 3weck- und Materialform befeßränkt, wie in fo vielen weftlicßen
Bauten, ßier ift ein Meßr gefeßaffen, das über erkennendes und reflexives Erlebnis
ßinausgeßt: zu weicßücß und dekorativ würde es der Kleftler, zu ßart und ftreng der
Oftländer nennen — Mußk der Kliener.
dnd das Scßickfal diefer Ärcßitektur? Es ift aus dem Gefagten felbftverftändlicß. Von
den Genoffen und Scßülern Klagners, befonders von Jofef Fjoffmann und Olbricß wurde
fie in alle Kielt getragen: in Brüffel (Stockletßaus), auf der internationalen Kunftaus-
ftellung im Rom 1911, auf der Kölner Klerkbundausftellung erfeßienen diefe Bauten
wieder als das Exzeptionelle. Äber der Kleften konnte es als folcßes nießt überneßmen,
es wurde zu einem Neuklaffizismus, der ftatt in den leießten Äusftellungs- und Villen-
bauten Hoffmanns in Fabriksgebäuden fein FJöcßftes leiftete. Im Often, über den Balkan
bis Konftantinopel und in Italien folgte es bezeießnenderweife den weießeren Formen
Olbricßs in dnterßaltungsbauten, Äusftellungsßallen und Cßeatern. So war die Cat
Kliens wieder international, aber zu univerfal um international auszuwirken. — ünd
die Kliener felbft? Sie verfteßen ißr Klienertum immer nur von der einen oder andern
Seite: die einen find zu fremdmodifcß, weftlicß, um das ßeimifeße in der Verfcßmelzung
zu erkennen, die andern zu kleinbürgerlicß, um international zu fein. Daß trofedem fo
viele Bauten dem Meifter übertragen wurden, verdankt Klien doeß nur den wenigen
Köpfen, die die Stellung der Stadt in ißrer 3eit erkannten. (Fortfeßung folgt.)
Guftave Dore.
Äus „Balzac, Contes drolatiques. 1855“.