Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

DOI Artikel:
Biermann, Georg; Redon, Odilon [Gefeierte Pers.]: Odilon Redon
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0323

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Odilon Redon

Von GEORG BIERMANN / Mit 8 Abbildungen auf 4 Tafeln nach
Bildern des Künstlers in der Sammlung Richard Buhler-Winterthur

Claudß Roger-Marx, der woßl die gründliche Studie über die Kunft des Malers
gefcßrieben ßat1, beginnt mit der ficßer feltfamen Feftftellung, daß in den Jaßren
1840—1841 die drei großen Meifter der neueren franzöfifcßen Kunft geboren
find, deren Name mit einem R beginnt: Redon, Rodin, Renoir. Von diefen ftarb Redon
mitten im HIeltkrieg, den fein geliebter Soßn Äri an der Front miterleben füllte, 1916
als erfter. Ißm folgte Rodin und diefem als lefeter aus der Reiße Renoir. Drei
Künftler, die jeder für fic±> den Rußm des Jaßrßunderts belegen, in dem Frank-
reich) innerhalb der europäifcßen Kunft zweifellos die Füßrung ßatte. Unter diefen
Odilon Redon ficßer der am wenigften Genannte. Dafür waren die beiden anderen
dem Alltag näßer und dem rationaliftifcßen 3G^geift enger verwandt als jener ftille
Träumer und Idylliker, um deffen pßantafieerfüllte Scßöpfungen ein ganz eigener Sauber
fcßwingt. Und dod) fcßeint gerade in diefem Künftler etwas von der franzöfifcßen Seele
wieder auferftanden zu fein, was feit den fernen Tagen des Mittelalters vergeffen
fcßien. So wie etwa in Renoir das „Dix-ßuitieme“ feine fpäte Fortfet$ung erlebte, um
Rodins patßetifcßen Impreffionismus nocß von fern die Geficßte gotifcßer Katßedral-
fkulptur kreifen (die — nebenbei bemerkt — diefer Pfeudoplaftiker eigentlicß nie begriffen
ßat), fo fteßen vor den Traumbildern, Ällegorien und duftigften Blüten einer Stilleben-
rnalerei, die uns Redons Kunft gefcßenkt, jene feßr viel ferneren Erinnerungen an eine
franzöfifcße Vergangenßeit auf, als am Fjofe Karls des Küßnen die frommen Möncße
ßerrlicße Miniaturen malten, die erften Tapifferien gewebt wurden und verliebte Trou-
badours durcß die Lande zogen. Das, was in der franzöfifcßen Volksfeele zu 3eiten
ganz ßeimlicß erklingen kann, diefer tief innerlicß fcßwingende fympßonifcße Hloßllaut,
wie er zuweilen der Mufik eines Debuffy, eines Ravel zu entftrömen fcßeint, das
fpricßt gleicßnisßaft aucß aus den Scßöpfungen eines Odilon Redon.
Daß einem folcßen Künftler in unferer 3eit der laute Erfolg verfagt geblieben ift,
ift eigentlicß felbftverftändlicß. Diefe Tatfacße macßt ißn nur um fo liebenswerter.
Denn fcßließlicß kommt es docß nur darauf an, ob diefes Ulerk im Reicße der Kunft
überßaupt eine Stelle beßauptet. Daran aber ift ßeute weniger denn je zu zweifeln.
Nacß der endlicßen Überwindung des Nur-Realismus, in dem der Impreffionismus letzter
Vergangenßeit verwurzelt war, ift die Pßantafie eines Redon geradezu ein Jungbrunnen
für die Seßnfucßt unferer Tage. Diefes Künftlers zarte Scßmetterlingsfeele ßatte den
Auftrieb nacß oben. Auf milden Flügeln des Traumes entfüßrt er den Befcßauer in
eine Hielt, zu deren Grenzen ßin Imagination die Brücke bildet. Aus der opalifierenden
Blutfülle feiner Farben — fie find mouffierend wie der Sekt vom ßocßplateau der
Cßampagne — werden jene füllen Traumgeficßte leibßaftig, die den Menfcßen wie irn
Nu der Erde entwinden. Mufik find diefe Bilder, Aeolsßarfenmufik oßne jedes Fortiffimo,
gefpielt von Geifterßänden; Klänge aus einer fernen jenfeitigen Hielt dringen ans Oßr,
die fofort den Alltag vergeffen macßen. Daß diefer Maler keine Hlände fand (was
Roger-Marx bedauert), ift ficßer fein großes Glück gewefen; denn für einen Künftler
wie Redon war das Format feiner Bilder unbedingt aucß Grenze feiner Intuition,
Eßer könnte man bedauern, daß die Miniaturiften am ßofe Karls des Küßnen keine
Fresken ßinterlaffen ßaben, weil die Arbeiten diefer Möncße aucß im kieinften Format
meift eine unerßörte Monumentalität befifeen. Die aber feßlt dem feinen Poeten Redon
vollkommen, und desßalb will es uns fcßeinen, daß das größte Glück für diefen Künft-
ler die Befcßränkung in jeglicßer Bezießung war. Grotesk der Gedanke, der ficß
ßier unwillkürlid) aufdrängt, was aus diefem reinen Talent je geworden wäre, ßätte

1 L’amour de l’art. I. Jahrgang 1920, Nr. 2.

Der Cicerone, XVI. Jat)rg., t)eft 7

16

299
 
Annotationen