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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Kühn, Herbert: Die Skulptur von Lespugue
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0371

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der fenkred)ten Striche wol)l eine Reibe geflochtener Streifen. Ein Schurz oder eine
Ärt Kleid ift wiedergegeben.
iUenn der Entdecker die Vernad)1äfpgung der Details dadurch zu erklären fud)t,
daß er die Feftigkeit des Elfenbeins als Entfcbuldigung anführt, fo erfdjeint das dod)
als nicht wahrfcheinlid). Es hudelt fich vielmehr um ein beftimmtes ÜLIollen, um ein
ganz feftes 3iel.
Nur im Vergleich mit der übrigen Skulptur diefer 3eit kann man dies tLlollen und
das tüerden diefes tüollens erfchließen. Der Vergleich ergibt, daß eine ganze Reihe
ähnlicher Figuren vorliegen.
Die Figuren des Magdaleniens find fdßlank und zart, die des Äurignaciens, wenn es
weibliche Geftalten find, [ehr fleifdjig, fehr ftark. Aus vier Stationen liegen ähnliche
Skulpturen vor, aus Braffempouy, aus Mentone, aus Lauffel und aus üJillendorf im Often.
In Braffempouy find insgefamt acht verfdjiedene Darftellungen menfehlicher Geftalt ge-
funden worden. Die Schichten pnd durch Piette nicht genau unterfud)t worden. Später
konnte man durch das üüerkzeug, das man nach Piettes Bericht dabei fand, die 3eit
genauer beftimmen. Es handelt fid) bei allen Statuetten um das mittlere Äurignacien.
Der fchöne Kopf1 kommt hier als Vergleich nicht in Frage, ebenfo nicht die Darftel-
lungen des männlichen Körpers2, ein fehr kleines Bruchftück3, und eine kleine unbe-
holfene Figur4 5, aber drei Stücke8 liegen vor, die der Figur von Lespugue fehr ähnlich
find. Sie haben diefelben Brüfte, diefelbe Freude an den runden weiblichen Formen.
Da es fämtlich Bruchftücke find, können die Vergleiche nicht weit geführt werden.
Anders ift es mit den Figuren von Mentone. In Mentone find insgefamt fieben
Figuren gefunden worden. Eine von ihnen ift ein kleiner Kopf6, die übrigen7, zum
Geil noch unveröffentlichte Stücke8 ähneln fehr der Statuette von Lespugue. Am größten
ift diefe Ähnlichkeit bei der befterhaltenen Figur (Äbb. 4). Die Figur 1898 veröffent-
licht9, hat denfelben ovoiden Kopf, ebenfo abfallende Schultern, diefelben großen, tief
anfetjenden Brüfte, ein ebenfo ausladendes Gefäß. tOiederum ift auch tyzx das Gepd)t
nicht herausgearbeitet, die Geftalt nähert fid) ebenfalls einer rhylhmifd) gebundenen Form.
Äud) die Größe entfprid)t etwa der der Skulptur von Lespugue. Sie mißt 14,7 cm ßöbe.
Auch pe gehört dem oberen Äurignacien an. Das Material ift Speckftein.
Ebenfalls dem Äurignacien angehört die bekannte „Frau von tDillendorf“, eine Statu-
ette, durch Szombathy im Löß von Ulillendorf10 im Engtal in der Nähe von Krems in
Niederöfterreich gefunden. Sie ift aus Kalkfandftein gefchnitten (Äbb. 3). Dünne Ärm-
chen find über die großen Brüfte gelegt, die weit den Oberkörper bedecken, üiieder
laden die Prüften weit nach den Seiten aus. Die Beine pnd unproportioniert im Ver-
hältnis des mächtigen Körpers.
Glieder ift das Gepcht nicht herausgearbeitet, die Fjaare find in Kranzform um den
Kopf gelegt.

1 L’Äntbropologie, 1895, Caf. 5, 2, 2a, 6; ferner Piette, Caf. 70, 1 d, c; ferner f>erbert Kübn,
Malerei der Eiszeit. 3. Äuß. 1923, S. 23.
2 Piette, L’Ärt pendant Tage du renne. Caf. 70, 2. L’Äntbropologie. 1895, Caf. 7,1. Piette
ibid. Caf. 75,5a. L’Äntbropologie. 1895, Caf. 7,3.
3 Piette, Caf. 70, 3. L’Äntbropologie. 1895, Caf. 5,1 a.
1 Piette, Caf. 74,4 a. L’Äntbropologie. 1895, Caf. 7,2.
5 Piette, Caf. 74, 1 a. L’Äntbropologie. 1895, Caf. 4,1,1a. 3wekenS: Piette, ibid., Caf. 71,72.
L’Äntbropologie. 1895, Caf. 1—3. Drittens: Piette, Caf. 73,1 und la. L’Äntbropologie. 1897, Caf. 1.
6 Bulletin Soc. antbr. 1902, S. 773.
7 Bulletin Soc. antbr. 1902, S. 775. Cartailbac, Les Grottes de Grimaldi. 1912, 2. Äuß., S. 219.
8 Mufeum Saint Gerrriain, Paris. Inv.-Nr. 49280, 49282, 49283, 49284.
u L’Äntbropologie. 1898, Caf. 1—2, ferner dasfelbe, ßoernes, (Irgefcbicbte der bildenden Kunft.
1916, 2. Äuß., S. 163,1, ferner dasfelbe, Kübn, Die Kunft des Primitiven. 1923, Äbb. 1.
)U Szombatby, Die Äurignacienfcbicbt im Löß von Cüillendorf, Korrefpendenzbl. d. deutfd). Gef.
f. flntb. Etbnol. u. ürgefcb-, 1909, S.87; ferner L’Äntbr., 1910, S. 699; ferner Obermaier, Der Menfcb I,
S.293; ferner Fjerbert Kübn, Die Malerei der Eiszeit. 1923, 3. Äuß., S. 19.

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