Ift diefe Skulptur weit im Often gefunden worden, die von Mentone gleicßfam an
mittlerer Stelle, fo die dritte in der Näße von Lespugue, aud) in der Dordogne, in
Lauffel. Es handelt fid) um ein Relief (Äbb. 5).
In Lauffel find im ganzen fünf Reliefs der menfcßlicßen Geftalt gefunden worden,
darunter eine Darftellung einer männlichen, den Kopf zur Seite wendenden Figur1. Die
übrigen vier Skulpturen ftellen Frauen2 dar, fämtlicß von gleicher Geftalt, von breit aus-
ladendem Gefäß, großen Fjüften und mächtigen Brüften, das Gefid)t ift nicht heraus-
gearbeitet — bei einer Figur ift das Fjaar ebenfo angeordnet wie bei der Frau von
tUillendorf — bei den anderen ift der Kopf nur ähnlich der Statuette von Lespugue
und der von Mentone — rund geformt.
Es entfteht fofort die Frage, wie ift diefe Fülle von Darftellungen der weiblichen
Geftalt zu erklären, wie ihre ähnliche Form, wie das Verfcßwinden im Solutreen und
Magdalenien?
Diefe Fragen rühren an den Urfprung der Kunft, an den Qrfprung der Skulptur, an
alte, ewige Fragen der Äfthetik. GCIir haben es mit den älteften, früheften Kunftwerken
des Menfchengefchled)ts überhaupt zu tun — Kunftwerke, deren Älter nach Laufenden
von Jahren zu berechnen ift. Die Beantwortung der Frage ift nicht leicht. Sie in ihrer
Ganzheit aufzurollen, verbietet fich an diefer Stelle.
Nur foviel fei gefagt: die Kunft des Paläolithikums hat allem Änfchein nach nicht
einen myftifcßen oder magifchen Urfprung. So wie ihre Formenfprache ganz dies-
feits gewandt, ganz erdgebunden ift, fo ift es auch der Geift, aus dem fie erwuchs.
Der Menfd), der diefe Kunft fcßuf, war ein Jäger, ein Sammler von Pflanzen und
tierifcßer Nahrung. Er kannte nicht den Äckerbau, nicht die Viehzucht, nicht die
üöpferei, nicht die Seßhaftigkeit. Seine Kunft erftrebt den Äugenblick, das Momentane,
das Plötjlicße. Das alles wird noch deutlicher in der Malerei, die den Fjößepunkt
einer tonigen Äuffaffung erreicht im Magdalenien. Ein Verzicht auf das Caktifcße,
auf das Begrenzte, ein Äufgeßen im Flüffigen, im Äufgelöften, ein Suchen des Vibrie-
renden, das fid) nicht bindet in Linien und Flächen, wie es fpäter noch einmal die
mittelminoifche Kunft, dann die Spätantike, und in ausgeprägterer Form zuletzt der
Impreffionismus erreichte.
Eine fold)e Kunft ift nie ßergefloffen aus einer weitabgewandten, myftifchen 3eit —
eine folcl)e Kunft ift verwoben und verbunden mit taufend Fäden dem bunten Leben —
ift das Leben felbft.
Diefe Erkenntnis, gewonnen aus kunftgefcßicßtlicßer Stilvergleichung, hier nur in ihren
Ergebniffen angedeutet, erwächft ebenfo aus der rein ard)äologifd)en Forfchung. Äus
der Ärt der Cotenbeftattung im Paläolithikum ergibt fid), daß der Menfd) diefer 3eit
anfeßeinend nod) nicht den Gedanken des Fortlebens der Seele nad) dem Code kannte,
der Cote lebt ißm wirklich fort als Lebender, als lebendiger Coter3. Erft im Neolithi-
kum erfteßt der Gedanke des Sterbens des Coten, des Lebens der Seele, die Dolmen
werden gefeßaffen, die Menhire und Steinalleen, der Cotenkult ift erwacht.
So kann diefe Kunft nießt myftifd) fein, fo kann fie nicht Magie einfcßließen, wie
Reinacß4 wollte, Fjamy5 oder Klaatfcß6. So können die Statuetten aud) nießt Götter-
1 L’Äntbropologie, 1912, S. 147; ferner Qoernes, drgefeßießte der bildenden Kunffc. 2. Äuflage.
1916, S. 166 (Äbb. 1); ferner Küßn, Malerei der Eiszeit. 1923, S. 18.
2 Erftens: L’Äntbropologie. 1912, S. 131. 3weitens: L’Äntßropologie. 1912, S. 143. Drittens:
L’Hntbropologie. 1911, S. 259. Viertens: Scbucbardt, Älteuropa. 1919, Caf. 7a. Ferner: Dasfelbe,
Herbert Kübn, Die Kunft der Primitiven. 1923, Äbb. 2.
3 Cf. Max Ebert, Präßift. 3eitfcßr. XIII. u. XIV. Bd. 1922, S. 1.
4 L’Ärt et magie, L’Äntbrop. 1903.
5 Comptes rendus de l’Äcad. des Inscriptions 20. März 1903; ferner Quelques observations au
sujet des gravures et des peintures de la grotte de Font-de-Gaume. Bd. Font-de-Gaume. S. 15.
6 Klaatfcß, Die Änfänge von Kunft und Religion in der ürmenfßheit. Leipzig 1913.
348
mittlerer Stelle, fo die dritte in der Näße von Lespugue, aud) in der Dordogne, in
Lauffel. Es handelt fid) um ein Relief (Äbb. 5).
In Lauffel find im ganzen fünf Reliefs der menfcßlicßen Geftalt gefunden worden,
darunter eine Darftellung einer männlichen, den Kopf zur Seite wendenden Figur1. Die
übrigen vier Skulpturen ftellen Frauen2 dar, fämtlicß von gleicher Geftalt, von breit aus-
ladendem Gefäß, großen Fjüften und mächtigen Brüften, das Gefid)t ift nicht heraus-
gearbeitet — bei einer Figur ift das Fjaar ebenfo angeordnet wie bei der Frau von
tUillendorf — bei den anderen ift der Kopf nur ähnlich der Statuette von Lespugue
und der von Mentone — rund geformt.
Es entfteht fofort die Frage, wie ift diefe Fülle von Darftellungen der weiblichen
Geftalt zu erklären, wie ihre ähnliche Form, wie das Verfcßwinden im Solutreen und
Magdalenien?
Diefe Fragen rühren an den Urfprung der Kunft, an den Qrfprung der Skulptur, an
alte, ewige Fragen der Äfthetik. GCIir haben es mit den älteften, früheften Kunftwerken
des Menfchengefchled)ts überhaupt zu tun — Kunftwerke, deren Älter nach Laufenden
von Jahren zu berechnen ift. Die Beantwortung der Frage ift nicht leicht. Sie in ihrer
Ganzheit aufzurollen, verbietet fich an diefer Stelle.
Nur foviel fei gefagt: die Kunft des Paläolithikums hat allem Änfchein nach nicht
einen myftifcßen oder magifchen Urfprung. So wie ihre Formenfprache ganz dies-
feits gewandt, ganz erdgebunden ift, fo ift es auch der Geift, aus dem fie erwuchs.
Der Menfd), der diefe Kunft fcßuf, war ein Jäger, ein Sammler von Pflanzen und
tierifcßer Nahrung. Er kannte nicht den Äckerbau, nicht die Viehzucht, nicht die
üöpferei, nicht die Seßhaftigkeit. Seine Kunft erftrebt den Äugenblick, das Momentane,
das Plötjlicße. Das alles wird noch deutlicher in der Malerei, die den Fjößepunkt
einer tonigen Äuffaffung erreicht im Magdalenien. Ein Verzicht auf das Caktifcße,
auf das Begrenzte, ein Äufgeßen im Flüffigen, im Äufgelöften, ein Suchen des Vibrie-
renden, das fid) nicht bindet in Linien und Flächen, wie es fpäter noch einmal die
mittelminoifche Kunft, dann die Spätantike, und in ausgeprägterer Form zuletzt der
Impreffionismus erreichte.
Eine fold)e Kunft ift nie ßergefloffen aus einer weitabgewandten, myftifchen 3eit —
eine folcl)e Kunft ift verwoben und verbunden mit taufend Fäden dem bunten Leben —
ift das Leben felbft.
Diefe Erkenntnis, gewonnen aus kunftgefcßicßtlicßer Stilvergleichung, hier nur in ihren
Ergebniffen angedeutet, erwächft ebenfo aus der rein ard)äologifd)en Forfchung. Äus
der Ärt der Cotenbeftattung im Paläolithikum ergibt fid), daß der Menfd) diefer 3eit
anfeßeinend nod) nicht den Gedanken des Fortlebens der Seele nad) dem Code kannte,
der Cote lebt ißm wirklich fort als Lebender, als lebendiger Coter3. Erft im Neolithi-
kum erfteßt der Gedanke des Sterbens des Coten, des Lebens der Seele, die Dolmen
werden gefeßaffen, die Menhire und Steinalleen, der Cotenkult ift erwacht.
So kann diefe Kunft nießt myftifd) fein, fo kann fie nicht Magie einfcßließen, wie
Reinacß4 wollte, Fjamy5 oder Klaatfcß6. So können die Statuetten aud) nießt Götter-
1 L’Äntbropologie, 1912, S. 147; ferner Qoernes, drgefeßießte der bildenden Kunffc. 2. Äuflage.
1916, S. 166 (Äbb. 1); ferner Küßn, Malerei der Eiszeit. 1923, S. 18.
2 Erftens: L’Äntbropologie. 1912, S. 131. 3weitens: L’Äntßropologie. 1912, S. 143. Drittens:
L’Hntbropologie. 1911, S. 259. Viertens: Scbucbardt, Älteuropa. 1919, Caf. 7a. Ferner: Dasfelbe,
Herbert Kübn, Die Kunft der Primitiven. 1923, Äbb. 2.
3 Cf. Max Ebert, Präßift. 3eitfcßr. XIII. u. XIV. Bd. 1922, S. 1.
4 L’Ärt et magie, L’Äntbrop. 1903.
5 Comptes rendus de l’Äcad. des Inscriptions 20. März 1903; ferner Quelques observations au
sujet des gravures et des peintures de la grotte de Font-de-Gaume. Bd. Font-de-Gaume. S. 15.
6 Klaatfcß, Die Änfänge von Kunft und Religion in der ürmenfßheit. Leipzig 1913.
348