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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0405

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Von Künftlern und Gelehrten

Neue Bücher

wuchtigen fjolzfchnitten, deren feftumriffene,
durch ihre monumentalen Schwarzflächen ein-
prägfame Lypen zu den ftärkften Charakteren
der modernen Graphik gehören; in aquarellierten
Köpfen, in denen pd) der Fjolzfchnitlftil in Farbe
umfeljt; in fenfiblen Landfcbaftsaquarellen mit
einem zivilisierten Moderato, das befremden
könnte, wenn man es nicht als reaktionäres Be-
dürfnis wider die erregende I^cchfpannung der
Fjauptfcböpfungen verfteben und einfchätjen
müßte; endlich in den Kompoßtionen in Öl,
neueren Datums, die in der Düfternis des großen,
dunkeltapezierten Qauptfaales zu faft dämoni-
fcher ülirkung kommen. Fjier find in aufreißen-
der Farbenfprache P)öd)ftfteigerungen errungen,
die einft für fpätere Generationen als etwas nie
wieder Erreichbares in andachtsvoller Ferne
ftehen werden. Fjeute miiffen fie noch die Qra-
brandung der Kritik des Publikums erdulden.
Die Pfyche der Farbe, die wahre Myßik des
Schönen erfchließt pd) nicht allen und jedem.
Es ift eine zarte Angelegenheit, felbft wenn pe
im Schrei von den ffländen bricht ...
Einige Aquarelle von L. v. Fjof m ann erfreuen
durch ihre melodiöfe Anmut. 3eichmmgen und
Stiche von Sch lei eher-Starnberg in d)inepfd)em
Stil find Delikateffen, deren Feinheit entzückt.
Außerdem ftellt noch die Norddeutfd)e Se-
zeffion aus, eine Gruppe von zufälliger 3u-
fammenfügung, von der man Persönlichkeiten
wie Barlach, Fjolz, FJßufer, Mefeck lieber
einzeln genießen möchte.
Im Kunftfalon Soliman pellt Ritfcbl aus.
Ritfcbl begann unter dem Einßuß von GQerken
Kokofcbkas und hat jetjt umgefattelt. Nun kommt
eine ganz andere Natur zum Vorfcbein. Ver-
worrenes klärt pch. Der früher mübfame und
gezwungene Ausdrude wird frei. In dünnfarbiger
Flächigkeit fpannen pd) die Motive in den Rah-
men. 3uweilen fpringt eine Linie auf, die
Mupk hat ...
Am Palmfonntag eröffnete die Bücberftube
am Mufeum — Grapbifcbe Kunß eine kunft-
hiporifche Ausftellung aus Privatbeph: „Vom
Rokoko zur Romantik“, die intereffante Aus-
grabungen zutage förderte. Schöne nod) ganz
unbekannte öüerke von Seekat?, den beiden
Scbütj, Caspar Schneider, Fries, Settegap, Itten-
berg, Schirmer. d).
Von Künftlern und Gelehrten
Am 3. April ift Franz „Marquis v.Bayros“,
der richtig Franz Bayer hieß, im Älter von
57 Jahren an Gehirnblutung geftorben. Der Spruch
„de mortuis nihil nisi bene“ mag im öffentlichen
Leben feine Berechtigung haben. Der Cbronift,
der ihn befolgt, fündigt an der öüabrbeit der
Fjißorie. Bayros’ Namen, bekannt durch feine
llluftrationen zu galanten Romanen und feine

Exlibris, haben die um feine erotifchen Graphiken
geführten Prozeffe zu unverdienter Berühmtheit
verbolfen. Gewandter 3ßiebner, der pd) die
Grazie des Rokoko, dod) nicht deffen Efprit an-
zueignen verftand, in Cecbnik und Formenfprad)e
ein fcpaler Verwäfferer Beardsleys. Kein CQunder,
daß er vollkommen verfagt, als er fid) im
Jahre 1921 an die Illuftrierung der „Divina
commedia“ wagt. Gleichwohl hat Bayros bis
zuletzt begeifterte Lobredner gefunden. Darunter
den ihm wefensverwandten Rudolf Fjans Bartfd),
der fid) nicht fcheute, ihn einem Botticelli zu
vergleichen. P.-N.
In Düffeldorf ftarb am 29. März im Älter
von 76 Jahren der Maler Prof. Max Volkhart.
Die Düffeldorfer Galerie befitp eine ganze An-
zahl delikater Interieurs und Landfcbaften aus
feiner beften Schaffenszeit.
Neue Bücher
Georg Weise, Zwei fränkische Königs-
pfalzen. Bericht über die an den Pfalzen zu
Quierzy und Samoussy vorgenommenen Gra-
bungen.
Albert Waldenspul, Die gotische Holz-
plastik des Laucherttales in Hohenzol-
lern.
Beide erschienen im Verlag Al ex and e rFi scher.
Tübingen 1923.
Öüeifes Ausgrabungen fpätrömifd)er und frän-
kifeber Bauten in Nordfrankreich, wichtige Doku-
mente deutfd)er Kulturarbeit während des Krieges,
werden nun in einigen Fjauptergebniffen der All-
gemeinheit zugänglich gemacht. Das gut aus-
geftattete dünne Bändchen, dem die bei preng
wiffenfcbaftlicben merken oft fo peinlid)e koft-
bare Aufmachung glücklicherweife fehlt, bedeutet
zweifellos einen wertvollen, vielleicht fogar einen
entfebeidenden Schritt auf dem CiCIege zur Er-
forfd)ung des frühmittelalterlichen öüobn- und
Palaftbaues in Frankreich und Deutfd)land. Seit
Swobodas Bud) über die römifeben und roma-
nifchen Paläfte feben wir den Entwicklungsver-
lauf wohl etwas zu einfeitig durch den Einffuß
der römifeben Portikusvilla beftimmt. Die Aus-
grabungen in Quierzy an der Oise bringen jeden-
falls wichtige Bereicherungen und Korrekturen
zu der Darßellung Swobodas. Bei der Kirche
des Ortes wies öüeife durch fd)arfpnnige ünter-
fudrjung und Ausdeutung der lückenhaften Mauer-
züge einen tüobnbau aus fpätrömifeber oder
frühmerowingifcher 3eit nach, wabrfcbeinlid) als
Königspfalz benutzt, deffen Hauptmerkmal nicht
in dem Portikuscharakter der Faffade, fondern
in der vierfeitigen Gruppierung der ttlobnräume
um einen 3Gntrall)of beftebt. Einige hundert
Meter davon entfernt liegt auf einem Fjägel die
zu dem Königshof fpäter, kurz vor 741, errichtete
Pfalz. Sie war befeftigt mit einem faß ovalen
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