den Körper legt, erinnert wieder an Chartres. Äber neu i[t die Gebärde: der gegen
die Bruft der Mutter behaglich geftemmte Fuß und die an den Fjalsausjcßnitt gelegte
ßand. Es ift typifd), wie im 13. Jahrhundert das Spiel zwifcßen Mutter und Kind be-
ginnt: in der franzöfifcßen Plaftik fängt die Mutter an, lächelt dem Kinde zu; in der
deutfcßen furfjt das Kind ihre Aufmerkfamkeit zu erregen, indem es fid) an fie [cßmiegt
(Köln, St. Maria im Kapitol), ißr Kinn ftreicßelt (Paderborn, Domportal) oder, wie in
Mainz, ihre Bruft berührt.
Die fd)öne Madonna fand Nachahmung in der wopl wefentlid) fpäteren am Dom-
portal zu tüefelar. Aud) dort legt das Kind die FJand auf der Mutter Bruft und der
Oberkörper der Jungfrau entfteigt der Sichelmondkurve des Mantels; aber der Mantel
umwickelt feßr plump die Beine, fo daß die (Hirkung des Blumenhaften, fcßlank Äuf-
fproffenden, die der Mainzer Madonna ihren Reiz gibt, ganz verloren geht.
Es mag ßier im 3ufammenßang auf eine erft kürzlich publizierte1 Siijfigur in Hliener
Privatbefife ßingewiefen werden, die anderthalb Meter ßoße Madonna aus der Pfarr-
kirche von Enns, bei der der Mantel mit einer unter dem rechten Ellbogen beginnenden
Fjängekurve den Leib umrahmt. * *
*
Als eigentümliche Erfcheinung muß feftgeftellt werden, daß die weftliche Kulturwelle,
die bis Franken und Sachfen dringt, das mittelrheinifche Gebiet mehr umgürtelt, als
durchquert. In Crier und Kletjlar, (Horms und Hlimpfen wirkt der franzöfifche Einfluß
ftärker als in Mainz.
Die Urfacße zeigt fid) an der Madonna der Liebfrauenkirche (jefet in der Stein-
halle des Mufeums). Y)ier empfinden wir deutlich, daß Mainz den Einflüffen von außen
eine Sonderart entgegenzufe^en hat, und das ift feine Vergangenheit. Mainz, bis
heute unerfchöpfliche Fundgrube antiker Refte, war im Mittelalter natürlich noch reicher
an römifchen Erinnerungen. Da lag vieles zutage, was tyeutz aus Schutt gehoben
wird. Vielleicht ftanden in den Straßen und Gärten noch antike Statuen, wie heute
an den Fjausecken noch gotifche ftehen.
Die Madonna ift von antikem Anhauch umweht. Das ift kein weftlicher Einfluß.
3war hat die franzöfifche Plaftik ihre klaffifchen Elemente; aber es ift undenkbar, daß
nur diefe übernommen werden follten, während der übrige Einfluß erlifcht.
Bei der Madonna in der Fuftftraße laffen fleh noch leife Anklänge an Reims und
Chartres fühlen, bei jener der Liebfrauenkirche nicht mehr. Sie ftet)t auch gefondert
von der zeitgenöffifchen deutfd)en Plaftik2, den etwas älteren allegorifchen Frauen-
geftalten des Klormfer Doms, den Marien der Dreikönigsgruppen im Hlürzburger Dom
und in der Nürnberger Lorenzerkirche.
Die Art ihrer Gewandung geht auf antikes Schema zurück. Man vergleiche die Main-
zerin mit der Eirene des Kephifodot! Das kurze Obergewand mit den feidjten Schüffel-
falten und den lang hinabfallenden die Front flankierenden Cuchenden imitiert in gotifcher
Überfettung den Peplos. Das üntergewand folgt in feinem vertikalen Faltenfluß wie-
derum der Fältelung des Peplos; nur find die Steilfalten nicht als Betonung des Stand-
beins verbanden; fondern biegen, dem 3eitftil entfpreeßend unten um, während das
Spielbein durch eine faltenlofe Vertikale angedeutet wird.
Im übrigen ordnet fid) die Figur der allgemeinen Entwicklung ein und bildet zwifchen
der früheren und fpäteren Mainzer Plaftik ein Mittelglied. Sie hat mit der Madonna
der Fuftftraße noch die fcßmalen Schultern gemein, deren frauliche Feinheit durch das
fie umfpannende Euch gehoben wird. Die aufrechte Fjaltung ift durch ein ftärkeres
3urückbiegen des Oberkörpers gefteigert.
1 Poglayen-Neuwall, Eine Äusftellung frühgotifdjer Plaftik bei der Kunßhandels-H.-G., tüien.
Cicerone, 1924, 5. 4, S. 189, und Hbb. 2.
2 Cüas Back, Mittelrhein. Plaftik 1910, veranlaßte, in ihr ein öCIerk des aus Böhmen gekommenen
ttlerkmeifters Fjeinricb zu vermuten.
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die Bruft der Mutter behaglich geftemmte Fuß und die an den Fjalsausjcßnitt gelegte
ßand. Es ift typifd), wie im 13. Jahrhundert das Spiel zwifcßen Mutter und Kind be-
ginnt: in der franzöfifcßen Plaftik fängt die Mutter an, lächelt dem Kinde zu; in der
deutfcßen furfjt das Kind ihre Aufmerkfamkeit zu erregen, indem es fid) an fie [cßmiegt
(Köln, St. Maria im Kapitol), ißr Kinn ftreicßelt (Paderborn, Domportal) oder, wie in
Mainz, ihre Bruft berührt.
Die fd)öne Madonna fand Nachahmung in der wopl wefentlid) fpäteren am Dom-
portal zu tüefelar. Aud) dort legt das Kind die FJand auf der Mutter Bruft und der
Oberkörper der Jungfrau entfteigt der Sichelmondkurve des Mantels; aber der Mantel
umwickelt feßr plump die Beine, fo daß die (Hirkung des Blumenhaften, fcßlank Äuf-
fproffenden, die der Mainzer Madonna ihren Reiz gibt, ganz verloren geht.
Es mag ßier im 3ufammenßang auf eine erft kürzlich publizierte1 Siijfigur in Hliener
Privatbefife ßingewiefen werden, die anderthalb Meter ßoße Madonna aus der Pfarr-
kirche von Enns, bei der der Mantel mit einer unter dem rechten Ellbogen beginnenden
Fjängekurve den Leib umrahmt. * *
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Als eigentümliche Erfcheinung muß feftgeftellt werden, daß die weftliche Kulturwelle,
die bis Franken und Sachfen dringt, das mittelrheinifche Gebiet mehr umgürtelt, als
durchquert. In Crier und Kletjlar, (Horms und Hlimpfen wirkt der franzöfifche Einfluß
ftärker als in Mainz.
Die Urfacße zeigt fid) an der Madonna der Liebfrauenkirche (jefet in der Stein-
halle des Mufeums). Y)ier empfinden wir deutlich, daß Mainz den Einflüffen von außen
eine Sonderart entgegenzufe^en hat, und das ift feine Vergangenheit. Mainz, bis
heute unerfchöpfliche Fundgrube antiker Refte, war im Mittelalter natürlich noch reicher
an römifchen Erinnerungen. Da lag vieles zutage, was tyeutz aus Schutt gehoben
wird. Vielleicht ftanden in den Straßen und Gärten noch antike Statuen, wie heute
an den Fjausecken noch gotifche ftehen.
Die Madonna ift von antikem Anhauch umweht. Das ift kein weftlicher Einfluß.
3war hat die franzöfifche Plaftik ihre klaffifchen Elemente; aber es ift undenkbar, daß
nur diefe übernommen werden follten, während der übrige Einfluß erlifcht.
Bei der Madonna in der Fuftftraße laffen fleh noch leife Anklänge an Reims und
Chartres fühlen, bei jener der Liebfrauenkirche nicht mehr. Sie ftet)t auch gefondert
von der zeitgenöffifchen deutfd)en Plaftik2, den etwas älteren allegorifchen Frauen-
geftalten des Klormfer Doms, den Marien der Dreikönigsgruppen im Hlürzburger Dom
und in der Nürnberger Lorenzerkirche.
Die Art ihrer Gewandung geht auf antikes Schema zurück. Man vergleiche die Main-
zerin mit der Eirene des Kephifodot! Das kurze Obergewand mit den feidjten Schüffel-
falten und den lang hinabfallenden die Front flankierenden Cuchenden imitiert in gotifcher
Überfettung den Peplos. Das üntergewand folgt in feinem vertikalen Faltenfluß wie-
derum der Fältelung des Peplos; nur find die Steilfalten nicht als Betonung des Stand-
beins verbanden; fondern biegen, dem 3eitftil entfpreeßend unten um, während das
Spielbein durch eine faltenlofe Vertikale angedeutet wird.
Im übrigen ordnet fid) die Figur der allgemeinen Entwicklung ein und bildet zwifchen
der früheren und fpäteren Mainzer Plaftik ein Mittelglied. Sie hat mit der Madonna
der Fuftftraße noch die fcßmalen Schultern gemein, deren frauliche Feinheit durch das
fie umfpannende Euch gehoben wird. Die aufrechte Fjaltung ift durch ein ftärkeres
3urückbiegen des Oberkörpers gefteigert.
1 Poglayen-Neuwall, Eine Äusftellung frühgotifdjer Plaftik bei der Kunßhandels-H.-G., tüien.
Cicerone, 1924, 5. 4, S. 189, und Hbb. 2.
2 Cüas Back, Mittelrhein. Plaftik 1910, veranlaßte, in ihr ein öCIerk des aus Böhmen gekommenen
ttlerkmeifters Fjeinricb zu vermuten.
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