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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Schacht, Roland; Huf, Fritz [Honoree]: Fritz Huf
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0523

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F r i ^ 5 u f

Von ROLAND SCHACHT / Mit
neun Abbildungen auf sieben Tafeln

ber Fritj ßufs äußeres Leben verlautet folgendes: Geboren 1888 in Luzern. Dafelbft


drei Jahre Goldfcßmiedeleßrzeit. Übergang zur Bildhauerei. 1910 Reife nad) Paris,

1912—1914 Frankfurt am Main und zwei Reifen nad) Italien. 1915 —1918 Berlin,
1919 Genf, feit 1920 Berlin und längere Reifen nad) Paris, Rom, Südfrankreid), Spanien.
Das Einzige, das an diefer trockenen Datenreihe auffällt, find die drei faßre Goldfcßmiede-
leßrzeit. Äud) die Bildhauerei hat Buf zunächst rein handwerksmäßig gelernt. Ich will
gleich fagen, warum id) das für wefentlid) halte: Es gibt heutzutage zwei Kategorien
von Künftlern. Die einen fangen mit der Kunft an, die andern mit dem Bandwerk.
Baarfpalterei? Kaum. Denn es ift doch wohl ein nicht hinwegzuleugnender Unterfcßied,
ob, fagen wir, ein Achtzehnjähriger mit dem Bewußtfein arbeitet, er macht Kunft oder
er macht Bandwerk, ob er alfo das Bandwerk ausübt um der handwerklichen Vollendung
willen oder ob er mit handwerklichen Mitteln einer eigenen oder als eigene empfundenen
künftlerifd)en Vifion nahezukommen fud)t. Bei jenem wird die handwerkliche Ausbildung
bei einem tüchtigen Meifter univerfal fein, bei diefem nur zufällig, nur foweit das je-
weilige Kunftwerk es erfordert und daher lückenhaft fein. Ich weiß, daß diefe Unter-
feßeidung fd)ematifd) ift und viele Übergangsmöglichkeiten beifeite läßt. Die Grund-
linien aber find unerfcßütterlicß.
Soweit id) an konkreten Beifpielen kontrollieren kann, ergibt die erftere Art die
befferen Refultate. Ulir find ja heute über die romantifeßen Redensarten vom „Pegafus
im Joche“, vom „Genius, der in den Feffeln des Banaufentums fd)mad)tet“ hinaus. GCIir
würden Gott dem Vater täglid) auf Knien danken, hätten wir zwei Duzend Künftler
weniger und fed)s Duzend Bandwerker des guten alten Schlages mehr. Ulir wiffen
auch wieder, daß es mit dem Bandwerklicßen geht wie mit dem Reiten oder dem
Sprachenlernen. Man lernt es aud) als Erwachfener, aber die rechte, unbeirrbare, un-
erfd)rockene Sicherheit, die überzeugende Selbftverftändlid)keit, das elementare Ver-
wad)fenfein find möglich nur durd) eine feit dem früheften Alter gepflogene, und zwar
ernfthaft und ehrgeizig gepflogene Übung. Es ift ein Gemeinplatz daß die Kunft fcßwer
ift. Die wenigften aber find fid) in einer 3eit, die in erfter Linie auf Stilanalgfe aus ift,
darüber klar, in wie hoßem Maße die Kunftleiftung auf rein manueller Übung berußt,
daß fie, in höherem Maße noch als der Sport, ein ganz realiftifcßes, feßeinbar ungeiftiges
Üraining von Band und Auge erfordert, das durch Begabung zwar fruktißziert, aber
durcß keinerlei Genialität erfe&t werden kann. Und nun ift ganz klar: wer mit Fünf-
undzwanzig bereits meint, die CUelt erfeßüttern zu müffen (oder zu können), alle Kräfte
einer, von exzeptionellen Fällen der Frühreife oder Überbegabung abgefeßen, not-
gedrungen unfertig gewaeßfenen Seele in den Dienft einer neuen Vifion fteilt, dem
bleibt zur fießeren Ausbildung einfach keine 3eit. Diefe Erfaßrungstatfacße mit konkreten
Beifpielen zu belegen, wird jeder Lefer von fid) aus imftande fein.
Fritj Buf geßört nießt zu den vulkanifcßen Neuerern,- zu den empßatifdßen oder
ekftatifcßen Stürmern und Drängern. Er geßört zunäcßft einfach zu den guten Band-
werkern. Er geßört aber, um das gleich vorweg zu nehmen, e'benfo wenig zu den
Stiliften. tUir haben uns alle viel zu feßr daran gewöhnt, ein tüerk daraufhin anzu-
feßen, ob es im- oder ex-, kub- oder futuriftifcß ift. Das Publikum zumal empfängt
den größten Ueil feiner künftlerifcßen Eindrücke gar nießt meßr ßnnlicß unmittelbar,
fondern auf dem Ulege über die kunftßiftorifcße oder doch kunftßiftorifcß eingeftellte
Literatur. Es lebt vielfach in der unwillkürlichen Annahme, als fei Stil etwas programm-
mäßig Ulillkürlicßes, etwas „Gewolltes“, als fcßlage fid), grob ausgedrückt, der Künftler
eines feßönen Uages vor den Kopf und fage fid): Efel! nießt im-, sondern ex-! Ex-,
das ift das allein CUaßre. Bei näßerer Überlegung wiffen wir alle, daß das falfcß ift,
aber aus Gewoßnßeit gleiten wir immer in die gleichen Baßnen wieder hinein.

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