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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Schacht, Roland; Huf, Fritz [Gefeierte Pers.]: Fritz Huf
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0524

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dm es alfo gleicß zu fagen: icß weiß nicßt, in welche Stilricßtung icß diefen ßuf
„einordnen“ [oll. Id) feße, daß [einen Anfängen das Vorbild Rodins vorgefcßwebt ßat.
Icß feße, er i[t ein 3eitgenoffe Leßmbrucks, de Fioris. Aber das Ulefentlicße [cßeinen mir
einige konkrete Leitungen zu [ein, von denen die ecßte Magie des Kun[twerks ausgeßt.
Da i[t jene „Maske einer Japanerin“. Unbefcßreiblicß [anfte zugleicß und füllige, in
aller Fülle docß gemeffene Rundßeit des Ovals im Umriß wie Vorfprung. Unterbrochen,
belebt durcß die erft zwifcßen den dunkel [icß öffnenden Äugen fcßlifeen [acßte einwärts
abfinkende, dann rund, gleichfalls aber eigenwillig vorfpringende Nafe. Darunter als
gleicßes Motiv, aber feitiicß abgekürzt und durcß Verkürzung und energifcße Akzentuierung
verftärkt, der kleine Mund kaum breiter als die Nafenflügel, doch nicßt wie diefe ßori-
zontal als Paar, [ondern vertikal als zwei Verfcßiedene, [icß aber Ergänzende gelagert.
Müßig die Frage, wie man denn [onft Nafe und Mund geftalten [olle, ob denn nicßt
in jedem menfcßlicßen Antlijj fie folcßergeftalt gelagert? Ift es nicßt Merkmal aller edlen
Kunft, daß man vermeint, es könnte gar nicßt anders [ein? Und docß, man weife mir, wo
grade dies Motiv [o geftaltet, wo grade diefe natürliche Gelegenßeit als Motiv begriffen.
Uleiteres Kriterium des bedeutenden Kunftwerks: die Vielfältigkeit der Beziehungen.
Diefe dramatifcß bewegte, beftimmt akzentuierte Mitte von Mund und Nafe lebt im
Gegenfafe zur Ruße der ßoßen Stirn, zum vom Kinn emporfteigenden umfcßließenden,
aber [icß in die Diefe verlierenden Oval der Ulangen, zur füllen Form der breiten, der
ausweichenden Ulangenknocßen. Die von der breiten Fläcße der Jocßbogen wieder ge-
trennt werden durcß die zart geheimnisvoll, durcß das vibrierend vorfpringende untere
Augenlid befcßatteten Cränendrüfen und die exotifcß geformte, links und rechts in der
Höße bezaubernd ein Unmerklicßes divergierenden Lidfpalten. Über den zart und docß
energifcß gezogenen feinen Brauen dann ein fanftes, nervöfes 3urückweicßen der Form,
das die Stirnmitte wieder in voller Rundung ßervortreten läßt.
Ein weiteres dann: wie von der ftark bewegten Form des Mundes, der Nafenflügel
alles weg-, der eingebogenen einfachen Nafenwurzel alles zuftrömt, wie die Augen-
ßößlen ganz eingebettet find in durchlebte Form, wie in den Schläfen das über die
Backenknochen gefpannte Oval jicß fängt, um aufs neue anzufteigen zur Stirn.
Anders der Liebermann. Nacß der gefcßloffen gewacßfenen ift ßier die verwitterte
Form, aus deren Riffen und Fjößlungen Dunkel ßervorbricßt. Mit äußerft angefpannter
Energie ßält Künftlicßes die Form nocß zufammen, Blüßendes aber ift eingefcßrumpft
und Bedrängung des Alters fcßafft dramatifcßen Uliderftreit. Man fagt vom Elefanten,
daß die Dickßaut diefes überlebten Koloffes von äußerfter Empfindlichkeit fei. Der gleiche
tUiderfprucß ift ßier zürn Kunftwerk gefügt. Die Form ift einfacher, größer, raußer,
und wird docß wieder durcßbrocßen von den 3ufälligkeiten verßärteter Epidermis.
Der Eindrude vieler Porträtbüften nebeneinander ift, wenn pe äßnlicß find, für die
Urteilsbildung über einen Künftler immer gefäßrlicß. Ulas Böcklin über die Unmöglich-
keit von Scßlacßtenbildern fagte: Uler garantiert mir, daß icß die feftfteßende Farbe der
Uniform grade fo aueß in meinem Bilde brauchen kann? gilt aucß für das Porträt. Ein
jeder Kopf bietet ein Problem für jlcß, [teilt neue Aufgaben, die mit befonderen Mitteln
bewältigt werden wollen. DasFaffen der Ähnlichkeit muß, das formale Cßema betätigend,
verftärken und diefes die Ähnlichkeit als natürliche Notwendigkeit konftituieren. Das
bedingt einmal eine gewiffe Vielfältigkeit der Mittel und andererfeits eine gewiffe 3urück~
ßaltung der Stilifierung. In der Mitte zwifcßen der Japanerin und dem Liebermann fteßt
etwa das Porträt Fj. B., das wir abbilden.
Die Japanerin einerfeits und der Liebermann andrerfeits bilden fozufagen die Grenz-
pfäßie der von F)uf beßerrfeßten künftlerifcßen Provinz. Auf der einen Seite die finn"
ließe Fülle fußen Dafeins, auf der andren die Aßnung um urtümlich Bewegtes, um die
Scßauer des Unficßtbaren. Die lateinifcße „Äußerlichkeit“, die gegebene Form lebendig
erfüllt, und die germanifeße „Innerlichkeit“, die cßaotifcß emporwäcßft und in gewon-
nener Geftalt die Eierfcßalen des Cßaos immer noch an fieß trägt als einen Gruß aus

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