die durch die Unzahl täglicher Veröffentlid)ungen erdrückt wird. Nicht, daß es weniger
Maler als Sd)riftfteller gäbe; aber für die Kunftkritik ift die Überfid)t leichter zu ge-
winnen, obgleich) fie keinen Paul Souday oder einen Cßerive zu den ihren zählt. Die
Maler felbft machen es der Kunftkritik leicßt. Das Streben nad) kleineren 3ufammen-
fd)lüffen befeelt ßeute faft alle Maler, feien fie nun durd) alte Freundfcßaft oder ge-
meinfame miteinander verknüpft. Geht nach) der Rotonde und hört den alten
Äusftellungspraktiker, den Ex-Pointilliften, den Ex-Kubiften, der mit allen Kombinationen
vertraut ift; er wird eud) in wenigen (Horten ein Bild der neuen Malerei entwerfen.
Für ißn gibt es zwei ßauptfcßuleri, die des „Corcßon gras“ und die der „deme-
nageurs“. 3ur Schule des Corcßon gras gehören Segonzac und feine Freunde, wegen
ihrer Vorliebe für fd)öne fcßwere Stofflichkeit, die fid) ebenfo an die alten Fjolländer
hält wie an Decamps oder Courbet. Und Segonzac ift ein guter ^oix^mx und hand-
fefter Maler. Die Anhänger der anderen Schule fud)en ihre Anregungen in den Mufeen.
Aber es gibt auch noch andere Gruppen, deren Namen ich) nicht kenne. Außer den
Kubiften, die tatfäd)lid) aus der Mode zu kommen fd)einen, gibt es Maler wie Utrillo,
der fo bekannt ift wie etwa Bonnard, Matiffe oder Derain.
Der zahlreichen und gutunterrid)teten Kunftkritik bleibt in unferen Cagen kein nod)
fo winziges, noch f° junges Calent verborgen. Darum braucht man den oben ange-
führten Malerausfprud) nicht fo ernft zu nehmen. Es wird vielleicht kein neuer Ce-
zanne, kein neuer Renoir unter den zahllofen Malern von heute auftaudjen, aber neue
Palettenleute werden in Unmenge groß, damit diefe Riefenlotterie — denn eine folcße
ift das Spiel um Gemälde — weiter alle Liebhaber moderner Kunft in Spannung hält.
Da der tatfäd)lid)e CUert des Kunftwerkes mehr und mehr dem Einfluß unterworfen
ift, den aus zahlreichen Urfachen das Bild diefes oder jenes Malers ausüben kann, wird
alles relativ und lebensfähig ift nur, was fiel) allgemeiner Anerkennung erfreut. (Held)
befferes Beifpiel könnte id) für diefe üatfache anführen, als die kürzlich v°n einem
der größten Sammler und beftunterrid)teten Kenner ausgefproeßenen (Horte: „Das Ge-
mälde fängt an fd)ön zu werden, wenn es teuer wird.“ Aber heute kann ein Bild
fchnell teuer werden, und wenn es das wird, fängt es an zu reizen, denn feine Sug-
geftionskraft wächft mit dem verlangten Preife. Das ift keineswegs Übertreibung. Ein
Maler, der augenblicklich ausgezeichnet „geht“, gefteht bitter: „Das ift alles nichts als
Suggeftion. Sie ift alles. Unfere 3eitgcnoUcn haben das Bedürfnis, fid) zu täufchen.
Die Fjändler mit modernen Bildern handeln nur mit Illusionen.“ Die Lektüre eines mo-
dernen Bildes ift nicht fo leicht wie die eines noch fo fd)wierigen Buches für den wirk-
lich Gebildeten. Oft gibt die gefud)te 3ufammenhangloßgkeit die Illufion des Genialen,
die Unbeholfenheit die der Naivität; der Mißbrauch verblüffender Akzente oder über-
ladener Farbigkeit gibt fid) für Naturkraft und die Verfd)melzung vermiedener Kunft-
gattungen, das Stehlen von Formen und leicht ausbeutbaren Formeln fchafft jenen un-
foliden Stil, der die Ceppichfabrikanten auszeichnet.
Id) glaube, der Lumpenhändler, der 2000 Bilder angehäuft hat, hat recht, wenn er
fagt: „Ich habe 2000 Nummern. Henn von diefen 2000 nur 200 herauskommen, werde
ich vollauf entfd)ädigt fein. Vielleicht find Crümpfe darunter, die Preife erzielen wer-
den wie Derain, Matiffe, Segonzac.“ Denn was tut es dem armen Bilde, das von
den leichtfertigen fänden unfrer teuren modernen Maler gequält worden ift, was macht
es ihm, ob es beim Lumpenhändler vermodert oder die üppige Hohnung eines Ban-
kiers fchmückt. Es ift ja nur für ein Vagabundenfd)ickfal beftimmt. Armer Sammler,
der du durch Augenblicksgenießer erfefet bift, tröfte dich! Es ift fatal, daß das mo-
derne Bild nicht eben lange von feinem Befifeer angefehen wird. Daß es alfo von fjand
zu Fjand geht und jeder fiel) einbildet, ein Meifterwerk zu befi^en oder zu verkaufen.
Die 3ahl feiner Bewundrer wird mit dem Kaufwert fteigen.
Ich begreife einen guten Maler, der mir fagte: „Die fchled)ten Bilder verkaufen fiel)
ebenfo wie die guten. Harum foll id) meine alten Schinken nicht auch verkaufen und
600
Maler als Sd)riftfteller gäbe; aber für die Kunftkritik ift die Überfid)t leichter zu ge-
winnen, obgleich) fie keinen Paul Souday oder einen Cßerive zu den ihren zählt. Die
Maler felbft machen es der Kunftkritik leicßt. Das Streben nad) kleineren 3ufammen-
fd)lüffen befeelt ßeute faft alle Maler, feien fie nun durd) alte Freundfcßaft oder ge-
meinfame miteinander verknüpft. Geht nach) der Rotonde und hört den alten
Äusftellungspraktiker, den Ex-Pointilliften, den Ex-Kubiften, der mit allen Kombinationen
vertraut ift; er wird eud) in wenigen (Horten ein Bild der neuen Malerei entwerfen.
Für ißn gibt es zwei ßauptfcßuleri, die des „Corcßon gras“ und die der „deme-
nageurs“. 3ur Schule des Corcßon gras gehören Segonzac und feine Freunde, wegen
ihrer Vorliebe für fd)öne fcßwere Stofflichkeit, die fid) ebenfo an die alten Fjolländer
hält wie an Decamps oder Courbet. Und Segonzac ift ein guter ^oix^mx und hand-
fefter Maler. Die Anhänger der anderen Schule fud)en ihre Anregungen in den Mufeen.
Aber es gibt auch noch andere Gruppen, deren Namen ich) nicht kenne. Außer den
Kubiften, die tatfäd)lid) aus der Mode zu kommen fd)einen, gibt es Maler wie Utrillo,
der fo bekannt ift wie etwa Bonnard, Matiffe oder Derain.
Der zahlreichen und gutunterrid)teten Kunftkritik bleibt in unferen Cagen kein nod)
fo winziges, noch f° junges Calent verborgen. Darum braucht man den oben ange-
führten Malerausfprud) nicht fo ernft zu nehmen. Es wird vielleicht kein neuer Ce-
zanne, kein neuer Renoir unter den zahllofen Malern von heute auftaudjen, aber neue
Palettenleute werden in Unmenge groß, damit diefe Riefenlotterie — denn eine folcße
ift das Spiel um Gemälde — weiter alle Liebhaber moderner Kunft in Spannung hält.
Da der tatfäd)lid)e CUert des Kunftwerkes mehr und mehr dem Einfluß unterworfen
ift, den aus zahlreichen Urfachen das Bild diefes oder jenes Malers ausüben kann, wird
alles relativ und lebensfähig ift nur, was fiel) allgemeiner Anerkennung erfreut. (Held)
befferes Beifpiel könnte id) für diefe üatfache anführen, als die kürzlich v°n einem
der größten Sammler und beftunterrid)teten Kenner ausgefproeßenen (Horte: „Das Ge-
mälde fängt an fd)ön zu werden, wenn es teuer wird.“ Aber heute kann ein Bild
fchnell teuer werden, und wenn es das wird, fängt es an zu reizen, denn feine Sug-
geftionskraft wächft mit dem verlangten Preife. Das ift keineswegs Übertreibung. Ein
Maler, der augenblicklich ausgezeichnet „geht“, gefteht bitter: „Das ift alles nichts als
Suggeftion. Sie ift alles. Unfere 3eitgcnoUcn haben das Bedürfnis, fid) zu täufchen.
Die Fjändler mit modernen Bildern handeln nur mit Illusionen.“ Die Lektüre eines mo-
dernen Bildes ift nicht fo leicht wie die eines noch fo fd)wierigen Buches für den wirk-
lich Gebildeten. Oft gibt die gefud)te 3ufammenhangloßgkeit die Illufion des Genialen,
die Unbeholfenheit die der Naivität; der Mißbrauch verblüffender Akzente oder über-
ladener Farbigkeit gibt fid) für Naturkraft und die Verfd)melzung vermiedener Kunft-
gattungen, das Stehlen von Formen und leicht ausbeutbaren Formeln fchafft jenen un-
foliden Stil, der die Ceppichfabrikanten auszeichnet.
Id) glaube, der Lumpenhändler, der 2000 Bilder angehäuft hat, hat recht, wenn er
fagt: „Ich habe 2000 Nummern. Henn von diefen 2000 nur 200 herauskommen, werde
ich vollauf entfd)ädigt fein. Vielleicht find Crümpfe darunter, die Preife erzielen wer-
den wie Derain, Matiffe, Segonzac.“ Denn was tut es dem armen Bilde, das von
den leichtfertigen fänden unfrer teuren modernen Maler gequält worden ift, was macht
es ihm, ob es beim Lumpenhändler vermodert oder die üppige Hohnung eines Ban-
kiers fchmückt. Es ift ja nur für ein Vagabundenfd)ickfal beftimmt. Armer Sammler,
der du durch Augenblicksgenießer erfefet bift, tröfte dich! Es ift fatal, daß das mo-
derne Bild nicht eben lange von feinem Befifeer angefehen wird. Daß es alfo von fjand
zu Fjand geht und jeder fiel) einbildet, ein Meifterwerk zu befi^en oder zu verkaufen.
Die 3ahl feiner Bewundrer wird mit dem Kaufwert fteigen.
Ich begreife einen guten Maler, der mir fagte: „Die fchled)ten Bilder verkaufen fiel)
ebenfo wie die guten. Harum foll id) meine alten Schinken nicht auch verkaufen und
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